Gesellschaft

Ausschnüffeln und Zukunftsangst machen: Tagesspiegel-Ratgeber für Eltern "undemokratischer Kinder"

Woran können Eltern erkennen, dass ihr Kind "rechts" ist? Und wie lässt sich beim Nachwuchs ein Gesinnungswandel bewirken? Mit diesen Fragen beschäftigt sich ein Eltern-Ratgeber im Tagesspiegel. Die Zeitung hat mithilfe einer Sozialarbeiterin acht Ratschläge erarbeitet, mit denen "undemokratische Kinder" wieder auf den Pfad der Tugend gelenkt werden sollen.
Ausschnüffeln und Zukunftsangst machen: Tagesspiegel-Ratgeber für Eltern "undemokratischer Kinder"Quelle: www.globallookpress.com © Michael Kuenne/Keystone Press Agency

Aufgeschreckt von den hohen Zustimmungswerten für die AFD unter jungen Leuten hat der Tagesspiegel unter der Schlagzeile "Hilfe, mein Kind rutscht nach rechts!" einen Ratgeber für Eltern verfasst. Allerdings nicht für alle Eltern: "Acht Tipps für demokratische Eltern mit undemokratischen Kindern." Und was ist mit den undemokratischen Eltern? Wahrscheinlich wird die linksliberale Zeitung demnächst nachliefern mit "Acht Tipps für demokratische Kinder mit undemokratischen Eltern."

Die Tipps für die "demokratischen Eltern" stammen von der Sozialarbeiterin Eva Prausner, die seit 20 Jahren im Bereich Rechtsextremismus bei Jugendlichen arbeitet. Verändert habe sich laut Prausner über die Jahre, dass die Rechten inzwischen über einen ausgefeilten Internetauftritt verfügen. Gerade die AfD gehe auf TikTok sehr professionell vor.

Mit unpolitischen Inhalten wie Fitness und Gesundheit werde an die Bedürfnisse der Jugendlichen angedockt, um sie auf den rechten Pfad zu führen. "Mit drei Klicks bist du im extrem rechten Universum", so Prausner, die folgende Ratschläge für Eltern parat hält, die fürchten, ihr Kind gleite in die extreme rechte Szene ab.

"1. Woran erkenne ich, dass mein Kind nach rechts driftet?"

An eindeutigen Erkennungszeichen wie Kleidung könne man die Gesinnung der Kinder nur noch schwer festmachen. Ein stärkeres Indiz sind laut der Sozialarbeiterin etwa "rassistische, sexistische oder queerfeindliche" Sprüche. Sie rät den Eltern, sich dafür zu interessieren, "mit wem ihr Kind seine Zeit verbringt".

Und natürlich sollten die Eltern in Erfahrung bringen, was das Kind so auf seinem Smartphone treibt. Und sollte der Nachwuchs nicht auskunftsfreudig sein, findet die Sozialarbeiterin selbst den unautorisierten Blick ins Handy vertretbar: "Dazu ermuntere ich Eltern nicht. Eltern haben die Persönlichkeitsrechte der Jugendlichen zu achten", so Prausner, die im nächsten Satz genau dazu ermuntert: "Doch wenn Gefahr abzuwenden ist, wäre der unautorisierte Blick auf das Handy aus Fürsorgegründen legitim."

"Gefahr im Verzug" heißt die Begründung, mit der die Polizei ohne richterlichen Bescheid Hausdurchsuchungen vornehmen kann. Ob es wirklich zielführend ist, wenn Eltern einen Vertrauensbruch zu ihrem Kind riskieren, indem sie ihm wie einem potenziellen Kriminellen hinterherschnüffeln, ließ die Sozialarbeiterin offen. 

"2. Sich frühzeitig Hilfe holen"

Die Erkenntnis, dass das eigene Kind möglicherweise "rechts" ist, komme "für viele Eltern erst mal als Schock". Prausner rät den Erziehungsberechtigten dazu, "trotz möglicher Schamgefühle so früh wie möglich professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen", etwa in Form von Beratungsstellen. Schließlich sei das Kind zwar schon in den Brunnen gefallen, aber noch nicht ersoffen: "Denn am Anfang hat das Kind üblicherweise noch keine gefestigte rechtsextreme Einstellung, sondern nur eine diffuse Sympathie."

"3. Kommunikativ in Kontakt bleiben, aber klar Position beziehen"

"Prausners womöglich wichtigster Ratschlag ist, den Kontakt zum Kind nicht abreißen zu lassen – auch wenn die Meinungen sich fundamental unterscheiden", führt der Tagesspiegel aus. Der "womöglich wichtigste Ratschlag" erweist sich als völlig überflüssig, denn welche Eltern würden schon den Kontakt zu ihrem Kind abbrechen, nur weil dieses eine andere politische Meinung hat? Aber vielleicht ist das Milieu, in dem die Sozialarbeiterin verkehrt, in solchen Fragen anders gestrickt.

Jedenfalls rät Prausner Eltern dazu, dem Kind klare Kante zu zeigen. Das beginne bei "Ich-Botschaften, die Verletzung und Schockiertheit ausdrücken". Dem Kind müsse zu verstehen gegeben werden, "dass seine Ansichten für die Eltern ein Problem darstellen".

Die Eltern sollten aber neben "Ich-Botschaften" auch "Du-Botschaften" im rhetorischen Gepäck haben, um dem Kind die negativen Auswirkungen der Gesinnung auf die persönliche Zukunft vor Augen zu führen. Eine solche Du-Botschaft könne laut Prausner lauten: "Damit verbaust du dir deine Zukunft."

"4. Nicht die Liebe entziehen"

Nachdem man dem Kind Angst vor der Zukunft aufgrund der eigenen Gesinnung gemacht hat, rät Prausner den Eltern davon ab, den Nachwuchs auf die Gesinnung zu reduzieren. Es sei wichtig, "weiterhin Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen" und das Kind wissen zu lassen, dass es über Kompetenzen verfügt, "die gut und liebenswert sind". Die Auseinandersetzung sei für alle Beteiligten kräftezehrend, weshalb auch alle Auszeiten davon bräuchten. "Der Tipp der Sozialarbeiterin: Gelegentlich auch mal unverfänglich zusammen eine Pizza essen."

"5. Die Motivation verstehen"

Nun rät Prausner, in Erfahrung zu bringen, was das Kind dazu motiviert hat, sich der rechten Szene anzuschließen. Bei jungen Männern sei oft die Suche nach Anerkennung und Zugehörigkeit ausschlaggebend, die sie außerhalb der Gruppe nicht gefunden haben. Viele von ihnen sehnten sich danach, in eine Rolle zu kommen, in der sie "nie mehr schwach" und ein "echter Kerl" sein können.

Die klare Orientierung, die eine rechte Ideologie biete, verfange demnach auch bei jungen Frauen. "Ich kann mich aufwerten, als Mutter und Hausfrau. Ich werde endlich mal dafür anerkannt, für den deutschen Nachwuchs zu sorgen", beschreibt Prausner den Reiz für Töchter, die sich "durch gesellschaftliche Erwartungen überfordert fühlen, Karriere zu machen, Familie zu haben und auch noch attraktiv sein zu müssen".

"6. Die Bedürfnisse adressieren"

Nachdem mögliche Bedürfnisse erkannt sind, sollten Eltern diese adressieren. Für Söhne könne das etwa bedeuten, Räume zu finden, "wo Männlichkeit friedlich statt gewaltsam ausgelebt werden kann". Zum Beispiel in einem Fitnessclub. Doch auch hier ist Obacht geboten, denn es müsse "immer geschaut werden, ob der Trainer nicht aus der rechten Szene kommt".

Für junge Frauen kommen Fitnessstudios offenbar nicht infrage. Bei Töchtern könne die Thematisierung von häuslicher Gewalt einen Zugang bieten, so die Sozialarbeiterin, die damit selbst sexistische Stereotypen reproduziert. 

Zu guter Letzt rät Prausner den Eltern in den letzten beiden Punkten dazu, auch das Umfeld des Kindes zu involvieren, wie etwa Verwandte oder Lehrer. Zudem dürften Eltern nicht den Mut verlieren und sollten auch angesichts der damit einhergehenden Belastungen nicht die eigenen Bedürfnisse aus dem Blick verlieren.

"Wenn die Eltern demokratische Werte aktiv vorleben und selbst eine Haltung gegen Vorurteile und Diskriminierung zeigen, können sie ihren Kindern helfen, Wege aus der rechtsextremen Szene zu finden", heißt es zum Abschluss des fragwürdigen Ratgebers.

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