Gesellschaft

"Endzeitfantasie nach hundert Jahren aktuell" – "Antikrist" von Rued Langgaard an der Deutschen Oper

Eine äußerst selten gespielte Oper des dänischen Komponisten Rued Langgaard feiert an der Deutschen Oper am 30. Januar ihre erste Berliner Premiere. Der junge Regisseur Ersan Mondtag lässt zu einer expressionistisch-überzeichneten Bilderwelt die "facettenreiche" und "süffige" Musik erklingen.
"Endzeitfantasie nach hundert Jahren aktuell" – "Antikrist" von Rued Langgaard an der Deutschen Oper© Thomas Aurin

Die allegorische Oper "Antikrist" von Rued Langgaard im Stil eines Kirchen-Oratoriums lehnt sich an mittelalterliche Mysterienspiele an und lässt Gott und Teufel auftreten und diese die Menschheit mit ihren Lastern konfrontieren. "Dem hochsymbolischen und verschlüsselten Text steht eine spätromantisch-satte, emotional aufgeladene Partitur gegenüber", beschreibt das Programmheft der Deutschen Oper in Berlin diese hundert Jahre alte Oper des dänischen Komponisten. Nach der ersten deutschen Uraufführung im März 2018 in Mainz ist die Deutsche Oper in der Hauptstadt erst das zweite deutsche Opernhaus, das dieses unbekannte Werk jetzt auf die Bühne bringt.

Der Komponist schuf sein philosophisch-religiöses Werk über den Verfall und Untergang der westlichen Zivilisation und zugleich eine Kritik der Mentalität des modernen "Lebensstils" im Alter von Anfang 30 zwischen 1921 und 1923. Der Weg auf die große Bühne war für diese Oper – wie auch für viele andere seiner Kompositionen – außerordentlich schwierig. Zu Lebzeiten des Komponisten wollten verschiedene Musiktheater – weder in Kopenhagen noch im Ausland – den  "Antikrist" ins Programm aufnehmen, auch mehrmalige Überarbeitungen halfen da nicht weiter. Die Partitur des Werkes wurde sogar erst im Jahre 2008 veröffentlicht.

Nun ist es der junge Berliner Regisseur Ersan Mondtag, der sich freimütig diese in der Opernwelt noch weitgehend unbekannte Oper vornimmt. Bei seinen Inszenierungen ist er zugleich auch für das Bühnenbild verantwortlich, und er ist dabei für äußerst bildmächtige Gestaltungen bekannt. In Berlin arbeitete Mondtag schon am Maxim-Gorki-Theater wie auch am legendären Berliner Ensemble, an der Deutschen Oper ist dies nun sein erstes Engagement.

In einem Interview mit dem Dramaturgen des Hauses Lars Gebhardt bespricht dieser die expressionistisch-überzeichnete farbenfrohe Bilderwelt, die am Sonntag zum ersten Mal in Berlin zu sehen sein wird. Die in dänischer Sprache gesungene Oper sei wirkliche eine Herausforderung. Denn man habe eigentlich keine echte Handlung, keine Figuren, die miteinander interagieren, sondern nur einzelne Nummern und Zustände. Er ließ sich deshalb nicht von Libretto und Anweisungen des Komponisten leiten, sondern von der Partitur, die er als "facettenreich" und "überraschend süffig" beschreibt:

"Das Libretto ist übersättigt von Metaphern, Bildern und Anspielungen. Es inspiriert einen, aber es ist schwierig, den Text wirklich als formgebende Sinneinheit zu inszenieren. Langgaards zum Teil sehr konkrete szenische Vorstellungen lassen sich auf der Bühne so nicht umsetzen. Ich ignoriere das Libretto deshalb ein Stück weit und konzentriere mich auf die Übertragung der Musik vom Orchestergraben auf die Bilder auf der Bühne." 

Die zahlreichen Anspielungen auf die 1920er Jahre sieht der Regisseur durchaus hochaktuell und passt die an den heutigen Zeitgeist an. "Man spricht ja gern von der Wiederholung der Geschichte alle hundert Jahre – und in der Tat sehen wir viele Parallelen. Die in den letzten Jahren sich verschärfende Klimadebatte weitet für mich das Apokalyptisch-Endzeitliche der Oper."

"Ja, wir leben in einer Zeit, in der Apokalypsen Konjunktur haben."

In der laufenden Spielzeit kommt der "Antikrist" vier Mal auf die Bühne: am 30. Januar sowie mit drei Aufführungen am 5., am 9. und am 11. Februar 2022.

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