Nicht Loriot, sondern Rosatom: Computerspiel "Wir bauen ein Atomkraftwerk"
Rosatom hat auf seiner Webseite ein Computerspiel zur Verfügung gestellt, das in einer schrittweisen Simulation den Bau eines Kernkraftwerks in 100 Spielzügen ermöglicht. Bei besonders geschickter Planung soll es sogar in 80 Spielzügen fertiggebaut werden können. Verfügbar ist es in einer englisch- und einer russischsprachigen Version. Hier kann das Produkt der russischen Atomspiel-Designer kostenlos heruntergeladen werden.
Die Veröffentlichung des Spiels ist Teil der Image-Strategie des Unternehmens. Die Geschichte von Rosatom geht auf die staatliche Atomindustrie der Sowjetunion zurück, die im August 1945 ihren Anfang hat, als die sowjetische Regierung nach der nuklearen Zerstörung von Hiroshima und Nagasaki durch amerikanische Atombomben alles daran setzte, den früheren Verbündeten, der sich absehbar zum Gegner wandelte, im nuklearen Wettrüsten einzuholen.
Anfang der 1950er Jahre wandte man sich auch der zivilen Nutzung der neuen Technologie zu: Am 26. Juni 1954 nahm das weltweit erste Atomkraftwerk in Obninsk bei Moskau seinen Betrieb auf. Ein Jahr zuvor wurde die neue Branche dem neu gebildeten Ministerium für "mittleren Maschinenbau" unterstellt, zuständig sowohl für die militärische als auch die zivile Erforschung und Nutzung der Nuklearenergie. Zum Ende der Sowjetunion waren in der Branche mehr als 1,5 Millionen Menschen beschäftigt. Nur kurzzeitig von 1986 bis 1989 war die zivile Stromerzeugung in ein eigenes Ministerium ausgegliedert.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion erbte die Russische Föderation etwa 80 Prozent aller Anlagen und Einrichtungen der Branche, die zunächst weiter in rein staatlicher Form fortgeführt und einem eigens dafür gebildeten Ministerium unterstellt waren. Zwischen 2004 und 2007 wurde das Ministerium in mehreren Schritten in privatwirtschaftliche Unternehmensform überführt, bleibt aber unter staatlicher Kontrolle.
Mit einem Umsatz von fast 14 Milliarden Euro im Jahr 2020 und 276.000 Angestellten gehört Rosatom zu den größten und erfolgreichsten russischen Unternehmen. Direkt und über Tochtergesellschaften baut es allein im Ausland derzeit an 20 Reaktoren. Fünf durch Rosatom errichtete Kernkraftwerke in China, Indien, Iran, der Slowakei und Weißrussland sind bereits in Betrieb.
Zugegeben: Die Grafik des Spiels wird keine Preise gewinnen, als intellektuelle Herausforderung für zwischendurch kann man sich aber durchaus mit dem AKW-Bau beschäftigen. Es wird gemunkelt, dass sogar einer der Top-Ingenieure von Rosatom zwei Versuche gebraucht hat, um die Aufgabe zu bewältigen.
Anders als bei anderen Wirtschaftsstrategie-Spielen legt der Spieler den Zeitbedarf selbst fest, jeder Spielzug kann nach selbst bestimmter Zeit abgeschlossen werden. Pro Spielzug fließt ein gewisses Budget auf das Konto. Die "tägliche" Zuweisung genügt aber bestenfalls nur für den Bau der einfacheren Komponenten eines Atomkraftwerkes. Der Spieler muss in jedem Stadium entscheiden, ob er die beschränkten Finanzmittel für den Bau einfacher Komponenten ausgibt oder sie sich für den Bau der größeren Aggregate und Gebäude anspart.
Das Unternehmen zum Erfolg führen kann man nur, wenn man frühzeitig das Kraftwerk in der Mindestausstattung errichtet hat und anfängt, Strom zu produzieren und zu verkaufen. Denn das automatisch zugeteilte Budget allein wird für den Vollausbau wahrscheinlich nicht ausreichen. Daher ist es unabdingbar, sich vorab mit der Theorie der nuklearen Stromerzeugung zu beschäftigen oder zumindest die Gebäudeteile und Komponenten auf dem Bildschirm auf ihre Bedeutung für den Betrieb zu untersuchen.
Eine solide Planung ist daher alles: Jedes Gebäudeteil kostet nicht nur Geld, sondern benötigt unterschiedliche Komponenten, deren Anlieferung unterschiedlich lange dauern wird, und eine bestimmte Zahl verfügbarer und motivierter Arbeiter auf der Baustelle. Das alles muss bei der Festlegung der Reihenfolge der einzelnen Spielschritte berücksichtigt werden.
Wie im wirklichen Leben wird auch stets auf die Zufriedenheit und Motivation der Arbeiter und das Image geachtet, das das Bauprojekt bei der virtuellen Bevölkerung in der Nachbarschaft hat. Um diese Faktoren zu beeinflussen, gibt es verschiedene Steuerungsmöglichkeiten: Auf Gehalt allein kommt es für die Motivation nicht an, auch das Umfeld ist teuer. Sicherheit und Public Relations kosten auch. Doch gerade da sollte man nicht zu knausrig sein: Gewinnen Atomkraftgegner die Oberhand, soll es dazu kommen, dass besorgte Bürger das Gelände stürmen. Ob dann die teuren Sicherheitsvorkehrungen noch reichen?
Am Spielende wird die Leistung des Spielers nach unterschiedlichen Kriterien bewertet: den Kosten pro Kilowattstunde, der öffentlichen Meinung, der Sicherheit und der Zufriedenheit der Angestellten. Profit und der angehäufte Kontostand spielen dagegen keine Rolle.
Was passiert, wenn das Atomkraftwerk hochgeht, verraten die Spielentwickler nicht. Ob man dann wie in Loriots Klassiker die verblüfften Nachbarn durch ein Loch im Boden sieht? Was aber versprochen ist: Die Zahl der Versuche, zum Spielerfolg zu gelangen, ist unbegrenzt. Und das unterscheidet die virtuelle Welt dann doch von der realen.
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