Kuriose Corona-Debatte im ZDF: Markus Lanz vergleicht Ausgangssperre mit Anschnallpflicht
In der ZDF-Sendung von Markus Lanz drehte sich am Dienstagabend wieder einmal alles um das Corona-Thema. Eingeladen hatte der Moderator die Spiegel-Journalistin Ann-Katrin Müller, den Virologen Prof. Timo Ulrichs, den FDP-Generalsekretär Volker Wissing sowie die Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion Alice Weidel. Beide Parteien haben Verfassungsbeschwerde gegen das neue Infektionsschutzgesetz eingereicht.
Während sich die Debatte um das Pro und Contra der Ausgangssperre und deren Verfassungsmäßigkeit dreht, greift Lanz ein und macht einen äußerst fragwürdigen Vergleich. An Wissing gerichtet fragt er:
"Ist das der ultimative Angriff auf die Freiheit, wenn zwischen 22 Uhr und 5 Uhr morgens Leute sich mal möglicherweise weniger bewegen sollen? Wenn Sie Leute dazu zwingen, einen Motorradhelm aufzusetzen, ist das auch ein Angriff auf die Freiheit, auf die Selbstverantwortlichkeit? Sicherheitsgurte anzulegen, ist das auch ein Angriff auf die Selbstverantwortlichkeit?"
Wie untauglich dieser Vergleich ist, liegt auf der Hand: Die Anschnallpflicht hindert niemanden daran, sich mit dem Auto von A nach B zu bewegen. Und zweifellos rettet die Maßnahme Menschenleben und erhöht bei Unfällen die Überlebenswahrscheinlichkeit derjenigen, die laut Lanz durch diese Maßnahme in ihren individuellen Freiheitsrechten eingeschränkt würden.
Sicherheitsgurte seien "Lebensretter Nummer eins", so der ADAC. "In Deutschland ist die Akzeptanz des Anlegens der Sicherheitsgurte bis 2015 auf etwa 98 Prozent angestiegen. Dass der kleine Rest gefährlicher lebt, hat der ADAC ermittelt. Die zwei Prozent unangeschnallte Pkw-Insassen haben einen Anteil von 17 Prozent an den bei Verkehrsunfällen getöteten Menschen", heißt es auf Wikipedia unter Berufung auf eine ADAC-Studie.
Die Ausgangssperre dagegen ist zweifellos ein deutlich härterer Eingriff in die Freiheitsrechte und den Alltag der Bürger. Zudem ist ihr Nutzen hinsichtlich einer Eindämmung des Pandemiegeschehens wissenschaftlich umstritten. Im Unterschied zur Anschnallpflicht dient sie auch nicht in erster Linie dem Schutz der betroffenen Individuen, sondern dem abstrakten Gesundheitsschutz der Allgemeinheit.
Folgerichtig erwiderte Wissing dem Moderator:
"Entschuldigen Sie mal, diese Ausgangssperre wirkt wie ein Hausarrest. Es ist ja an Freiheitseinschränkung kaum zu übersteigen. Das ist ein extremer staatlicher Eingriff in die persönliche Freiheit. Deswegen haben wir diese Verfassungsbeschwerde auf den Weg gebracht."
Lanz ignorant: "Wo ist denn die de facto Impfflicht?"
Doch nicht nur in Sachen Ausgangsperre wird Lanz emotional. Wiederholt echauffiert er sich darüber, dass Weidel von einer "de facto Impfpflicht" spricht, die ihre Partei verhindert wissen will. Es sei "fatal", so Lanz, den Eindruck zu erwecken, dass es einen Impfzwang gebe. "Es gibt in diesem Land keine Impfpflicht, das muss man den Leuten klipp und klar sagen."
Weiterhin verwehrt sich der Moderator gegen die Behauptung, es gebe so etwas wie "eine Impfpflicht durch die Hintertür". Weidel widerspricht: "Ja, aber das ist so. Es ist eine implizite, eine de facto Impflicht, indem Sie Nicht-Geimpfte von bestimmten Tätigkeiten ausschließen, zum Beispiel Teilnahme an Veranstaltungen, Reisetätigkeit".
"Das gibt es ja noch gar nicht, das wird diskutiert. Wir sollten nicht so tun, als gäbe es das schon", kontert Lanz, der im weiteren Verlauf der Sendung bekräftigt: "Es gibt keine de facto Impflicht. Wenn es so wäre, hätten Sie den Punkt. Aber es ist nicht so – schlicht und ergreifend. Es gibt keine de facto Impfpflicht. Wo ist denn die de facto Impfflicht?"
Man könne das "hier nicht so stehen lassen", führt Lanz weiter aus, der die von Weidel angesprochene Tatsache, dass die geplante Aufhebung der Beschränkungen für Geimpfte faktisch einen Druck schafft, sich impfen zu lassen, zu einer verwegenen Verschwörungstheorie abstempelt:
"So entstehen Narrative, wenn man insinuiert, da gibt es den bösen Staat, der sozusagen eine Impfpflicht durch die Hintertür einführen will. Mit allem, was da an Verschwörungsnarrativen unterwegs ist, dann ist das schwierig. Wir haben eine Verantwortung, da kann man sowas nicht einfach erzählen, wenn es Quatsch ist."
Dass Weidel nicht von einer formellen, gesetzlich geregelten Impflicht sprach, sondern von einer faktischen, auf diese Argumentationsschiene wollte sich Lanz jedoch nicht einlassen. Dabei hatte schon die Bundeskanzlerin im Februar genau dieses "Verschwörungsnarrativ" bedient. Gegenüber der Tagesschau sagte Angela Merkel:
"Wenn wir genügend Menschen ein Impfangebot gemacht haben werden und sich einige partout nicht impfen lassen wollen, wird man überlegen müssen, ob es in bestimmten Bereichen Öffnungen und Zugänge nur für Geimpfte geben soll."
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