Wissenschaftsberater der britischen Regierung hat Anteile an Vakzinproduzent mit Regierungsauftrag
Der Leitende Wissenschaftliche Berater der britischen Regierung, Sir Patrick Vallance, der auch den Vorsitz des beratenden Expertengremiums der Regierung spezifisch für Impfstoffe innehat, hat Medienberichten zufolge wohl über 43.000 Aktien von GlaxoSmithKline (GSK) – einem in Großbritannien ansässigen multinationalen Pharmaunternehmen – im Wert von umgerechnet knapp 660.000 Euro trotz Amtsantritt behalten, berichtet The Telegraph.
Der Anteilsbesitz scheint das Vermächtnis seiner früheren Tätigkeit zu sein – als Leiter der Forschung und Entwicklung im selben Unternehmen: Als er jene Stelle in den Jahren von 2012 bis 2018 bekleidete, sammelte Vallance laut britischen Medien insgesamt 404.201 GSK-Aktien im Wert von satten 6,1 Millionen Pfund an.
Nach seiner Berufung in die Regierung verkaufte er Aktien im Wert von mehr als fünf Millionen Pfund Sterling. Inzwischen ist GSK in den globalen Wettlauf um einen Impfstoff gegen das Coronavirus eingetreten – neben etwa 20 anderen Arzneimittelherstellern und Forschungszentren. Dieses Unterfangen könnte sich als recht lukrativ erweisen, sollte das Unternehmen Erfolg haben.
Der Pharmariese, der mit einem anderen Arzneimittelhersteller, Sanofi, zusammenarbeitet, traf bereits Vereinbarungen mit der britischen und der US-amerikanischen Regierung: Sie werden dem Konzern den Impfstoff abnehmen, falls die Bemühungen Früchte tragen. Der Vertrag sieht vor, dass GSK bis zu 60 Millionen Impfkurse an das Vereinigte Königreich und 100 Millionen Impfkurse an die USA liefert. Berichten zufolge zahlte Washington den beiden Unternehmen bereits umgerechnet 1,81 Millionen Euro, um die Entwicklungsarbeiten zu beschleunigen.
Seit Erhalt des Regierungszuschlags durch GSK stieg der Aktienkurs des Konzerns um etwa zwei Prozent. Vallance war inzwischen damit beschäftigt, sicherzustellen, dass Großbritannien genügend Impfstoffkurse erhält, falls die Entwicklung bei GSK erfolgreich ist, und war an den Bemühungen um die Impfstoffentwicklung beteiligt.
Anfang dieser Woche erklärte er, dass die ersten Impfkurse bereits Ende dieses Jahres zur Verfügung stehen könnten – warnte jedoch, dass die erste Hälfte des Jahres 2021 eine realistischere Perspektive sei. Diese Enthüllungen weckten nun den Verdacht auf einen möglichen Interessenkonflikt.
Der britische Gesundheitsminister Matt Hancock bestritt jedoch die Möglichkeit eines solchen Konflikts. "Nein, es gibt Regeln für solche Sachen, und ich bin sicher, dass Sir Patrick dazu umfassend beraten wurde", erklärte er dem Radiosender LBC Radio. "Wer Sir Patrick Vallance so gut kennt wie ich, dem ist klar: Jede Andeutung, dass er etwas anderes tut als sein Bestes, um dieses Virus zu bekämpfen, ist falsch", fügte er hinzu.
Ein Regierungssprecher bestätigte, dass Vallance über einen aufgeschobenen Aktienbonus verfügt, der ausgerechnet im April 2021 fällig wird, ohne seinen genauen Wert preiszugeben. Der Sprecher erklärte auch, dass "geeignete Schritte unternommen wurden, um die Interessen des wissenschaftlichen Hauptberaters der Regierung im Einklang mit den damals erteilten Ratschlägen zu verwalten".
Er fügte hinzu, dass der wissenschaftliche Hauptberater zudem "keinen Einfluss" auf die kommerziellen Entscheidungen über die Impfstoffbeschaffung habe, die von der Regierung nach einem "robusten" Genehmigungsverfahren getroffen werden.
Den Kontext dieser Entwicklung bilden in Großbritannien die Vorbereitungsmaßnahmen auf eine zweite Welle von Coronavirus-Erkrankungen. Die Zahl der Neufälle nimmt dort wieder zu, und mancherorts sogar in einem Tempo, das seit dem Höhepunkt der Epidemie im Frühjahr nicht mehr beobachtet wurde.
Es wurde bestätigt, dass sich mehr als 6.100 Menschen über Nacht mit der Krankheit angesteckt haben. Der britische Gesundheitsminister Hancock erklärte, dass die Neufall-Rate auf bis zu 10.000 Menschen pro Tag steigen könnte. Diese Situation veranlasste London, eine neue Reihe von Sperrmaßnahmen einzuführen, die laut Premierminister Boris Johnson bis zu sechs Monate in Kraft bleiben könnten.
Einige Unternehmen, darunter der britisch-schwedische Pharmakonzern AstraZeneca, bemühen sich inzwischen um eine Notlagenzulassung für ihre Impfstoffe bei den zuständigen Aufsichtsbehörden.
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