Gesellschaft

Corona-Ausschuss: "Ich habe das Vertrauen in diesen Staat verloren"

Die fünfte Anhörung der Stiftung Corona-Ausschuss widmete sich den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Maßnahmen. Es berichteten ein Unternehmer und ein Freiberufler über die besonders betroffene Kulturbranche und ein Wirtschaftsexperte über allgemeine ökonomische Aspekte.
Corona-Ausschuss: "Ich habe das Vertrauen in diesen Staat verloren"© Screenshot/Webseite Die Wühlmäuse

Vorbemerkung: RT DE berichtet in einer eigenen Serie mit Artikeln und Podcasts über die Arbeit der Stiftung Corona-Ausschuss. Dabei geht es neben der Information eines möglichst breiten Publikums auch um die Dokumentation der Ausschussarbeit zur Corona-Krise als ein buchstäblich umwälzendes Ereignis. Die Berichterstattung zu den Anhörungen des Ausschusses erfolgt thematisch und nicht chronologisch. Sie bleibt durch das Geschehen an sich tagesaktuell – mit Blick auf die weiteren Entwicklungen sowie hinsichtlich einer Aufarbeitung der bisherigen Ereignisse.

Bei der fünften Sitzung der Stiftung Corona-Ausschuss zur Aufklärung sowie öffentlichen und rechtlichen Bewertung der Corona-Maßnahmen, die von der Bundesregierung und den Landesregierungen angeordnet worden waren, ging es um deren wirtschaftliche Auswirkungen auf kleine Unternehmen und Selbständige.

Dazu berichteten in einer mehrstündigen Anhörung am 30. Juli in Berlin ein Unternehmer und ein Freiberufler aus dem Veranstaltungs- und Kulturgewerbe. Infolge ihres zumeist unverzichtbaren Publikumsverkehrs ist diese Branche von den Einschränkungen und Auflagen durch die Corona-Maßnahmen besonders betroffen.

Zur gesamtwirtschaftlichen Einordnung des Geschehens in der Corona-Krise befragten die Juristen des Ausschusses zusätzlich einen früheren Wirtschaftsdezernenten und Unternehmensmanager aus dem Finanzbereich.

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Anhörung – Die Lage der kleinen Unternehmen und Selbständigen

BERICHT EINES UNTERNEHMERS IM GAST- UND VERANSTALTUNGSGEWERBE

Zuerst berichtete der Betreiber einer Karaokebar mit Speise- und Getränkebewirtung in Berlin über seine geschäftliche Situation in der Corona-Krise. Das seit 2010 bestehende und seitdem stetig erfolgreiche Unternehmen habe infolge der Corona-Maßnahmen seit dem 14. März geschlossen. Man wisse nicht, wie lange. Vom Berliner Senat seien Lockerungsmaßnahmen beschlossen worden, allerdings unter Beachtung gewisser Hygieneregeln. Inwieweit diese für einen neuerlichen und rentablen Geschäftsbetrieb praktikabel wären, sei derzeit unklar, da es keine genauen Informationen dazu gebe.

Der jährliche Umsatz habe zuletzt bei rund einer Million Euro gelegen. Fest angestellt und momentan in Kurzarbeit seien 14 Personen, von denen zwischenzeitlich eine verstorben sei, jedoch nicht "an Corona". Der Umsatz liege bei "null" Euro. Die "gut gebildeten Rücklagen" seien in den vergangenen Monaten komplett aufgebraucht worden.

Jetzt wissen wir nicht, wie es weitergeht.

Von den sogenannten Corona-Hilfen habe man alles probiert. Speziell Corona-Hilfe vier sei für sie "spannend" gewesen:

Da haben wir einen Antrag gestellt. Weil es kulturelle Unternehmen betrifft, unter anderem auch Clubs. Jetzt ist die Frage: Was ist ein Club? Sind wir ein Club, ja oder nein?

Es gebe hierzu keine klare Definition, und einen Club könne man "in dieser Form" bei den Behörden auch nicht anmelden. Gleichwohl erachte er seinen Betrieb als ein kulturelles Unternehmen, weshalb man große Hoffnung gehegt habe.

Wir haben lediglich 25.000 Euro an Unterstützungsgeldern beantragt, weil es heißt, dass es nicht für Lebenserhaltungsmaßnahmen gedacht ist, sondern lediglich für Kosten. Da haben wir durchkalkuliert. Dadurch, dass wir viel an Kosten reduziert haben, dachten wir, das passt dann schon. Wenigstens erst mal für drei Monate das Ganze hinzubekommen. Vierzehn Tage später kam dann die Ablehnung.

Begründet worden sei diese Ablehnung damit, dass die branchenspezifischen Kriterien nicht erfüllt seien. Man sei auf Corona-Hilfe fünf verwiesen worden, welche die Gastronomie betreffe.

Hierbei gehe es unter anderem um einen Tilgungszuschuss, welcher die vorherige Bewilligung eines Darlehens voraussetze. Ein solches Darlehen sei für ihren Betrieb von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) genehmigt worden. Mit Absprache ihrer Hausbank habe man allerdings nicht den üblichen "Schnellkredit" mit einem "teuren Zinssatz" von etwa drei Prozent beantragt, sondern ein KfW-Darlehen mit einem Zinssatz von 1,04 Prozent. Tilgungszuschuss heiße zudem, dass es sich dabei nicht um eine Soforthilfe und jetzt verfügbares Geld handle. Erst wenn es zur Rückführung des Darlehens komme, beginne der Tilgungszuschuss zu wirken.

Da passierte ewig nichts mit der Corona-Hilfe fünf. Nichts. Gar nichts. Da kam am Ende lediglich so eine E-Mail, in der stand, dass man nichts weiter tun muss und es irgendwann bearbeitet und man davon erfahren wird.

Man habe sich begleitend rechtlich und steuerlich beraten lassen, mit der Empfehlung, Widerspruch gegen die Ablehnung der Corona-Hilfe vier einzulegen und parallel Corona-Hilfe fünf zu beantragen, um überhaupt eine Möglichkeit auf irgendeine Hilfe zu haben.

Wochen später habe man nach dem "Status der Bearbeitung" gefragt.

Da wurde uns mitgeteilt, dass wir nach derzeitigem Stand auch aus der Corona-Hilfe fünf fallen. Denn das Darlehen, das wir beantragt haben, ist nicht das Darlehen, das in den Richtlinien der Corona-Hilfe fünf festgesetzt wurde. Denn da hätte man den normalen 'Schnellkredit' nehmen müssen. Das steht dort in den AGBs so drin.

Nach neuerlicher Rücksprache mit dem Rechtsanwalt, habe dieser ihnen den Tipp gegeben, sich an den Corona-Ausschuss zu wenden und diese Vorgänge an die Öffentlichkeit zu bringen.

Zur Corona-Hilfe vier sei man benachrichtigt worden, dass der Widerspruch weiterhin laufe, gleichwohl die Corona-Hilfe fünf für ihr Unternehmen relevant sei. Allerdings seien Doppelbeantragung nicht möglich. Dies mit Blick auf eine neues Corona-Hilfsprogramm, das allerdings nur über einen Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater beantragt werden könne.

Das ist der Stand heute. Wir wissen jetzt nicht weiter. Unsere Gelder sind aufgebraucht.

Man habe sich zwischenzeitlich auch bei Anwälten über eine mögliche Insolvenz erkundigt.

Da wurde uns der Hinweis gegeben, dass wir jetzt definitiv gar keine Insolvenz anmelden können, weil wir absolut solvent sind. Die Solvenz wurde wiederhergestellt aufgrund der Auszahlung des KfW-Darlehens. Und somit stehen wir jetzt da und sagen, in Ordnung, jetzt sind wir solvent, haben Geld, haben einen Riesenbatzen an Schulden und müssen gucken, wie wir die nächsten Jahre irgendwie über die Runden kommen.

Es gebe so viele Dinge zu erzählen. So habe man inzwischen den Vermieter über ein mögliches Entgegenkommen seinerseits zur Reduzierung der Miete und damit der Kosten kontaktiert. Der zweckgebundene Mietvertrag erlaube ausschließlich den Betrieb einer Karaokebar, dem man selbst wie auch der Vermieter nicht nachkommen könne.

Somit ist es eine Haftungsrisikofrage, eine Beurteilungsfrage: Wer trägt welches Risiko? Warum muss das zu einhundert Prozent der Mieter tragen und soll nicht auch der Vermieter daran beteiligt sein?

Der Vermieter habe eine Stundung vorgeschlagen, was nur ein Aufschub, jedoch keine effektive Unterstützung zur Kostenreduzierung beziehungsweise Beteiligung am Problem sei.

Hinzu komme, dass der bestehende Mietvertrag eine Restlaufzeit von drei Jahren habe, die Laufzeit des Darlehens allerdings sechs Jahre betrage, sodass man zu dessen Rückzahlung eine Verlängerung des Mietvertrags um drei weitere Jahre benötige.

Angeboten habe der Vermieter eine Verlängerung um lediglich zwei Jahre mit einer Mieterhöhung um 80 Prozent ab Januar 2021. Stundungen seien weiterhin möglich. Doch der Vermieter komme "nicht einen Cent" entgegen. Dieser verstehe aber, dass ihr Unternehmen derzeit keine Entscheidung zu seinem Angebot treffen könne.

Das ist der Stand jetzt. Er versteht uns.

Auf Nachfrage des Ausschusses erklärte der Unternehmer, dass die laufenden Kurzarbeitsgelder von der Firma gezahlt und auf Antrag von der Agentur für Arbeit erstattet würden. Die Erstattung sei zwar in einem akzeptablen Zeitrahmen erfolgt, doch jedes Mal unter Abstrichen. Man habe daher Widersprüche einlegen müssen. Zwar seien diese letztlich erfolgreich gewesen. Doch man müsse jeden Monat überprüfen, ob die Erstattungen mit den eigenen Auszahlungen übereinstimmten.

Das ist ein kompliziertes Unterfangen, doch es funktioniert noch so einigermaßen.

Zusätzlich zum jetzt in Kurzarbeit befindlichen Personal habe man noch zwölf Personen auf geringfügiger Basis und über zehn als freie Mitarbeiter "auf Rechnung" beschäftigt. Ihnen habe man zur Kostenreduktion schließlich kündigen müssen, beziehungsweise gebe es keine oder nur noch reduzierte Aufträge.

Ein Ausschussmitglied fragte daraufhin nach der Situation anderer Unternehmen in diesem Bereich:

Wie sieht das bei Ihren Kollegen aus? Haben Sie von Leuten gehört, die besser zurechtkommen? Die in dieser Branche staatliche Unterstützung ohne Kampf bekommen haben, oder ist das so, dass jeder so kämpfen muss, wie Sie das gerade beschrieben haben?

"Da kommt Bedenkliches zutage", so der Unternehmer. Diverse Karaokebars seien weiterhin geöffnet gewesen, und und man habe sich gefragt:

Wieso haben die überhaupt geöffnet? (...) Dürfen wir denn jetzt öffnen? Was ist hier los?

Auf Anfrage beim Gewerbeamt habe dessen Chef ihnen mitgeteilt, dass sie definitiv nicht öffnen können.

Weil in geschlossenen Räumen nicht gesungen werden darf.

Sie könnten eine Lücke nutzen, indem sie lediglich Speisen und Getränke anböten, doch das sei für ihre Gäste nicht ausschlaggebend, zu ihnen zu kommen. Andere Karaokebars hätten sich nicht an diese Regularien gehalten. Auf Rückfrage beim Gewerbeamt sei darauf verwiesen worden, dass dies je nach Bezirk "durchaus anders gehändelt werden könnte" und man diesbezüglich Rücksprache mit den anderen Stellen halten werde.

Wie? Das heißt jetzt, wenn das jeweils von den Bezirksregierungen unterschiedlich gehändelt wird, dann kann es sein, dass es in dem einen Bezirk lebensgefährlich ist, zu singen, und in dem anderen ist es dann in Ordnung?

"So kann man das auch sehen", kommentierte der Unternehmer die pointierten Nachfragen des Ausschusses.

Nun gebe es allerdings nur einen Berliner Senat und einen Senatsbeschluss.

Und wenn dieser Beschluss lautet, dass in geschlossenen Räumen nicht gesungen werden darf, kann es nicht sein, dass die einen hü und die anderen hott machen.

Er habe daher selbst bei seinen Mitbewerbern vorbeigeschaut.

Die stehen ganz normal auf der Bühne und trällern.

Die zuständige Polizeidienststelle habe ihm bestätigt, dass dies nicht zulässig sei. Nachgehen könne sie dieser Sache allerdings nur, wenn er selbst eine Anzeige erstatte. Was ihn verwundert habe, da die Polizei für die Umsetzung der gesetzlichen Vorschriften zuständig sei.

Der Unternehmer bejahte das Fazit des Ausschusses, das dieser im Vergleich zu den staatlichen Schutzmaßnahmen in der Corona-Krise für Großkonzerne wie Volkswagen zur wirtschaftlichen Situation seines Betriebs zog:

Wenn Sie jetzt keine Ersparnisse gehabt hätten, dann wären Sie faktisch insolvent.

Allerdings hatte bei den staatlichen Hilfsleistungen an die Großkonzerne, die "auf Zuruf kamen", niemand nach deren entsprechenden Ersparnissen beziehungsweise Gewinnen und Bonuszahlungen der zurückliegenden Jahre gefragt, berichtete der Ausschuss aus seiner wirtschaftsrechtlichen Kenntnis der aktuellen Situation und hakte nach:

Bei Ihnen sind solche Fragen gar nicht erst gestellt worden, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Sie fielen unter keine dieser Leistungen, von denen Sie gehofft hatte, da könnte was gehen. Sie haben absolut gar nicht bekommen. Haben Sie nicht gesagt, dass Sie demnächst k. o. sind?

Selbstverständlich habe man das gesagt. Zudem sei diese ganze Bürokratie ein extremer Aufwand, den auch niemand bezahle. Er habe sogar Bedenken, dass man ihm dies negativ auslegen könnte.

Dass die eventuell sagen: Na Mensch, wenn Sie so viel im Büro sitzen, dann ziehen wir noch Kurzarbeitergeld ab. Um das einmal sarkastisch zu formulieren.

Und, "nein", sie seien nie gefragt worden, "absolut nicht". Im Gegenteil, es seien noch weitere Dinge hinzugekommen, etwa vom Finanzamt. Dieses habe unter anderem eine sofortige Umsatzsteuerzahlung gefordert, obwohl Monat für Monat Stundungsvereinbarungen für die Steuerzahlungen geschlossen würden, die ebenfalls zusätzlichen zeitlichen und finanziellen Aufwand erforderten.

Die anderen Betreiber von Karaokebars überleben, weil sie sich nicht an die Regeln halten, und er gehe kaputt, weil er sich daran halte, bestätigte der Unternehmer.

Es gebe keine Alternative, insbesondere angesichts des zweckgebundenen Mietvertrages. Allein die Räumlichkeiten ließen für ihn kaum andere Optionen zu. Darüber hinaus sei es auch eine Frage, dass man seinen Beruf liebe.

Eine Fortsetzung des Betriebs wie früher sei selbst bei einer Wiedereröffnung ganz klar nicht möglich. Es gebe gewisse Hygienevorschriften, die noch nicht bekannt seien. Zur Vermeidung drohender Ordnungswidrigkeiten müsse man diese ganz konkret eruieren. Er sehe keine Rentabilität dieses Geschäfts, sollte auflagebedingt nur eine verminderte Gästeanzahl zulässig sein. Zur Unsicherheit, welche Regularien nun tatsächlich gelten würden, hätte man durch diese vielmehr zusätzlich Aufwand und Kosten. Lukrative Veranstaltungen wie beispielsweise Feierlichkeiten mit Büfettbetrieb könne man durch gewisse Auflagen schlicht nicht mehr durchführen.

Generell sei das potenzielle Publikum infolge der Corona-Maßnahmen "sensibilisiert" und habe womöglich sein Ausgehverhalten geändert. Selbst wenn die Maßnahmen sofort aufgehoben würden und man all die Jahre zuvor ein zunehmend erfolgreiches Geschäft betrieben habe, gehe er von einer weiteren Verunsicherung der Kundschaft aus und glaube nicht daran, dass "dann alles gleich wieder gut wäre".

BERICHT EINES FREIBERUFLICHEN MUSIKERS UND HANDELSVERTRETERS

Vor der Schilderung seiner beruflichen Situation in der Corona-Krise verwies der Freiberufler mit Blick auf die Erläuterungen seines Vorredners auf eine Studie der Technischen Universität der Bundeswehr in München über die Gefährlichkeit des Singens und Spielens etwa von Blasinstrumenten. Demnach ist ein solche behauptete Gefährlichkeit nicht vorhanden. Das Dokument reiche er dem Ausschuss nach.

Er selbst komme aus Bayern und sei seit 35 Jahren freier Musiker. Vor fünf Jahren habe er ein zweites berufliches Standbein als deutschlandweiter Handelsvertreter eines Unternehmens aus seiner Region aufgebaut. Seine ebenfalls als freie Musikerin tätige Freundin lebe in Berlin, weshalb er auch Kenntnisse über die dortige Situation habe.

Ich habe zwei relativ verschiedene Berufe und bin in beiden soloselbständig. Und ich habe durch diese Maßnahmen faktisch seit März ein Berufsverbot. In jedem von beiden. Obwohl sie sich so unterscheiden. Weil es auf der einen Seite keine Konzerte und auch keine Events gibt. (...) Aber es gibt eben auch keine Messen. Die wurden sehr kurzfristig abgesagt oder teilweise verschoben. Die auf den Herbst verschobenen sind jetzt schon wieder abgesagt.

Es gebe ein Durcheinander und einen großen organisatorischen und bürokratischen Aufwand, damit umzugehen: mit Absagen, Neuanmeldungen, erneuten Absagen. Die Bearbeitung dieser Vorgänge im sogenannten Homeoffice sei derzeit seine einzige Einnahmequelle.

Seit Maßnahmenbeginn lebe er von eigenen Rücklagen und Reserven, die er für die Rente angespart habe. Von etwaigen Zuschüssen ist bei ihm "kein einziger Cent angekommen", wie er im Weiteren erläuterte.

Erst mal ist es sowieso schwierig, diese Informationen zu bekommen: Was gibt es denn eigentlich? Wo muss ich es beantragen? Wann bekomme ich das? Und mit welcher Begründung? Und so weiter.

Darüber hinaus seien diese Hilfen zumeist sehr unklar formuliert, sodass Fragen offenblieben.

Muss ich das irgendwann zurückzuzahlen? Ist die Hilfe zu versteuern? Geht es da auch um Lebenshaltungskosten? Muss ich zuerst eventuelle liquide Mittel aufbrauchen?

Die zugehörigen Anträge hätten sich offenbar auch bisweilen innerhalb von Tagen geändert.

Sein Antrag auf Überbrückungsgeld sei nach vier Wochen mit der Begründung abgelehnt worden, dass einfache Einnahmeausfälle nicht berücksichtigt würden. Vorgesehen sei dieses antragsgemäß nur für Betriebsausgaben. Kollegen hätten seines Wissens nach jedoch diese Hilfen erhalten. Dies hänge womöglich von der Auslegung durch die jeweiligen Sachbearbeiter ab.

Es ist ja eine nette Geste, dass sie die Betriebsausgaben sponsern. Nur, der Künstler oder jeder von uns lebt primär vom Essen und Trinken. Er braucht Geld für seine Gesundheitsversicherung. Sehr viele Leute wohnen auch zur Miete. Da braucht man einfach was für die Miete. Das sind die Punkte, die hier einfach nicht berücksichtigt wurden.

Seine Freundin in Berlin habe dieses Geld erhalten, zusammen mit der Information, dass es nicht zurückzuzahlen sei. Allerdings gebe es auch Medienberichte über Rückforderungen von "ungerechtfertigten Auszahlungen" durch die Bundesländer, die diese Angelegenheit anscheinend verschieden händelten.

Für Künstler, die speziell in der Künstlersozialkasse registriert seien, habe es eine dreimonatige Unterstützung von je 1.000 Euro gegeben. Er selbst sei jedoch durch seine vorwiegende zweite Tätigkeit seit Januar aus dieser Kasse und damit aus dem Hilfsprogramm für Künstler herausgefallen.

Insgesamt gebe es mit allen Zusatzgewerben wie Catering, Technikern und weiteren Zuarbeitern im Kulturbereich deutschlandweit rund vier Millionen Beschäftigte, die alle von diesen Maßnahmen betroffen seien und keine Hilfen für Künstler in Anspruch nehmen könnten.

Ein befreundeter Sänger habe ihm folgende sehr amüsante, wenngleich traurige Anekdote berichtet:

Er hatte diese 5.000 Euro ['Soforthilfe'] beantragt und auch bekommen. Warum auch immer. Vielleicht hatte er auch Betriebsausgaben. (...) Er hatte erneut, weil er Künstler ist, diese dreimal 1.000 Euro beantragt. Das wurde abgelehnt, mit der Begründung, er habe ja schon die 5.000 Euro erhalten. Aber wenn er die 5.000 Euro zurückzahlen würde, würde er die 3.000 Euro bekommen.

Diese Information ist "absolut vertrauenswürdig", unterstrich der Freiberufler angesichts der ungläubigen Reaktionen des Ausschusses.

Ein positiveres Beispiel habe wohl Baden-Württemberg mit einem "bedingungsloseren" und schnell aufgelegtem Programm monatlicher Hilfen für Soloselbständige gegeben.

Ohne staatliche Hilfen und private finanzielle Rücklagen und Unterstützungen herrsche im Veranstaltungsbereich Perspektivlosigkeit und führe der Weg letztlich in Hartz IV.

Das ist das, was mit einer hohen Wahrscheinlichkeit sehr, sehr viele Künstlerkollegen in nächster Zeit betreffen wird.

Zur wirtschaftlichen Situation und der Perspektivlosigkeit infolge der Corona-Maßnahmen fragte der Ausschuss konkret nach:

Wenn Sie jetzt den Schaden, der Ihnen entstanden ist, ersetzt bekämen und die Maßnahmen aufgehoben würden, wie wäre das dann mit der Perspektivlosigkeit? Würden Sie dann immer noch damit rechnen müssen: Das wird nichts mehr? Oder sähe das dann schon gänzlich anders aus?

Da sei er mit einer Einschätzung vorsichtig. Zwar sei ein langsames Wiederanlaufen von Kulturveranstaltungen und von Messen unter Hygieneauflagen ein wichtiger Schritt gerade aus dieser Perspektivlosigkeit und besser als eine "Nulllösung". Dennoch bestehe beim Publikum eine gewisse Unsicherheit und Angst, die man ihnen "zur Genüge gemacht hat". Mit generellen Einschränkungen bei der Kaufkraft und Zurückhaltung bei den Ausgaben der Leute müsse man daher rechnen.

Beim Abrutschen weiter Teile dieser Branchen in Hartz IV als letzter Perspektive wäre der Staat dann gleich doppelt belastet, bilanzierten die befragenden Juristen. Durch die fehlenden Steuereinnahmen aus den Kultur- und Wirtschaftsbetrieben einerseits und durch die erhöhten Sozialausgaben andererseits.

Nun gibt es noch die Künstler, die etwa im Fernsehen auftreten, so ein Ausschussmitglied.

Da frage ich mich gerade: Sind die auch betroffen? Und wenn ja, wie? Wissen Sie darüber? (...) Meine Kanzlei hatte früher zum Beispiel Jürgen Drews vertreten. Da frage ich mich (...): Wie geht es diesen Leuten? Von denen man denkt, die sind doch sowieso ständig im Fernsehen, da müsste es doch eigentlich bestens laufen. Ist das so?

Genaueres könne er hierzu nicht sagen. Wer allerdings heute noch im Fernsehen präsent sei, sei entsprechend etabliert. Er gehe davon aus, dass solche Künstler auch ihre Fernsehgagen bekämen. Da gebe es sicher große Unterschiede im Vergleich zur geschilderten Situation. Einige Künstler seien zwar zusätzlich in Bereichen wie Unterrichten tätig, den man versuche, über Online-Angebote zu organisieren. Doch viele arbeiteten tatsächlich nur "live".

Gerade um junge Künstler, die am Anfang ihres Berufes stünden und eine Familie gründeten, stehe es nicht gut.

Nicht jeder, gerade von diesen Jungen, kann sich das leisten, was Helge Schneider in einem Video gesagt hat: 'Wenn ich auftreten muss vor einem Publikum, das da mit Abstand und mit Mund-Nasen-Schutz sitzt, dann beende ich meine Karriere.' (...) Das ist ein Punkt, den ich absolut nachvollziehen kann. Dass das keinen Spaß macht. Das muss man sich aber leisten können.

"KEIN VERTRAUEN IN DEN STAAT"

Der Ausschuss fragte schließlich danach, ob es überhaupt staatlicherseits eine Prüfung der Sinnhaftigkeit und Durchführbarkeit der "Corona-Auflagen" gegeben hatte.

"Nein", soweit er wisse, ist das nicht erfolgt, so der Freiberufler.

Von selbst kommt nichts.

Der Berliner Unternehmer berichtete von einem Anruf des Gewerbeamts. Er sei gefragt worden, wie es ihm gehe. Allerdings habe das Amt einen Hintergedanken verfolgt. Man habe nicht genug Personal, um überall vor Ort die Einhaltung der Maßnahmen zu überprüfen, und setze daher auch auf Kontrolle per Telefon.

Insgesamt sehen sie ihre jeweilige wirtschaftliche Situation als "absolut typisch" an. Ob man durch diese Umstände nicht "irgendwann aggressiv wird", wollte einer der Juristen wissen.

Ich persönlich habe das Vertrauen in diesen Staat abgelegt, also verloren. Ich habe kein Vertrauen mehr, dass hier alles mit rechten Dingen zugeht.

Zusätzlich zu dem gesundheitlichen und wirtschaftlichen Schaden gebe es auch einen massiven politischen und demokratischen Schaden.

Beispielsweise seien die Details der "toll klingenden Staatshaftung" der Öffentlichkeit unbekannt. So greife diese erst nach der privaten Haftung.

Erst wenn wir pleite sind und das Darlehen nicht zurückführen können, erst dann kommt der Staat zum Tragen. (...) Die Bank wird geschützt.

Dies ist ein schwerwiegendes Haftungsproblem des Staates, wenn er durch schuldhaft fehlerhaftes Verhalten seine Bürger in die Verschuldung und den Ruin treibt, so der Ausschuss. Es sei auch ein volkswirtschaftliches Problem, wenn ursprünglich und teilweise über Generationen erfolgreiche Firmen nun Kredite in einem Umfang aufnehmen müssten, die sie nie zurückführen könnten. Letztlich hafteten dann "wir alle" als Steuerzahler für die kommenden Pleiten und den Ausfall der Kredite, die über die staatlichen KfW-Mittel abgesichert seien.

Im Moment ist die Insolvenzantragspflicht bis zum 1. Oktober ausgesetzt. Deshalb sieht man da noch nicht besonders viel, was sich dort tatsächlich tut. Aber ab 1. Oktober sind die Leute, die da in der Klemme sind, wirklich verpflichtet, auch wieder einen Insolvenzantrag zu stellen. Und dann wird die ganze Sache wahrscheinlich sehr anders aussehen.

Und das betreffe nicht nur die Kultur- und Veranstaltungsbranche.

Da gibt es ja noch viel mehr Soloselbständige, da gibt es noch viel mehr kleine Unternehmer wie Sie. Und wenn die Situation da überall so aussieht – ich glaube, wir reden hier gerade über das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Nämlich diejenigen, die 65 Prozent aller Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Das sind ja nun einmal nicht die Konzerne, die jetzt gerade richtig gut geschützt und bedient werden, die das Gros der Arbeitsplätze zur Verfügung stellen.

Noch dazu handle es sich beim Beispiel des Karaokeunternehmens um einen zuvor gesunden und außergewöhnlich erfolgreichen sowie expandierenden Betrieb. Dies beschädige grundsätzlich sowohl das "Vertrauen in das Funktionieren der staatlichen Institutionen" als auch den "Leistungsgedanken".

Das Ganze läuft außergewöhnlich erfolgreich, nach zwei Jahren schon in der Gewinnzone. Sie haben (...) bis dahin geglaubt: 'Ich bin ein typischer erfolgreicher Vertreter der Leistungsgesellschaft.' (...) Der Laden läuft. Sie haben für viele Leute Arbeitsplätze geschaffen. Rührt daher Ihre Frustration und Ihre Enttäuschung, dass Sie sagen: 'Hey, die machen meinen Laden kaputt, mit Maßnahmen, die ich nicht nachvollziehen kann, weil sie nie einer erklärt hat, und gleichzeitig stehe ich hier im Regen. Ich werde hier sozusagen durch ein Labyrinth geschickt (...), aber ich bekomme nichts. Ich werde erledigt. Meine Leute sind kaputt. Meine Zukunftsaussichten sind kaputt.' Und in dem Moment, wo das der Staat mit mir gemacht hat, hört er auf zu feiern und sagt nicht mehr: 'Du bist der Tolle, sondern sieh zu, wie du klarkommst.'

Angesprochen auf mögliche Entschädigungen des Staates für entgangene Einnahmen, gab der Ausschuss einen Einblick in die diesbezügliche juristische Situation.

Nach unser aller festen Überzeugung haben Sie vollen Anspruch auf Schadensersatz. (...) Ich würde über schuldhaft fehlerhaftes Verhalten hineingehen.

Es habe bereits einen konkreten gerichtlichen Fall gegeben, der über das Infektionsschutzgesetz und die allgemeinen Polizei- und Ordnungsgesetze gelaufen sei. Dabei habe der Richter sowohl die Positionen des Geschäftsmannes als Kläger als auch des Staates, in diesem Fall des Landes Niedersachsen, als Beklagtem als vertretbar gewürdigt.

Und dann sagte er (...): 'Ja, überlegen Sie doch einmal, wenn ich Ihnen Recht gebe. Was hat das für eine Auswirkung hier im Land Niedersachsen? Was hat das für eine Auswirkung in ganz Deutschland? Das sei ja wohl eine politische Entscheidung.' (...) Das ist etwas, womit man rechnen muss. Der Mann müsste, wenn er Schadenerstatz zuspricht, gegen seinen eigenen Dienstherren entscheiden. Das ist ähnlich wie bei den VW-Prozessen in Niedersachsen. (...) Schwierige Sache, sollte so nicht sein. Und die Unabhängigkeit der Gerichte sollte gerade in diesen Fällen, wir nennen das strukturelles Ungleichgewicht, der Kleine gegen den Großen, erst recht gewährleistet sein. Daran fehlt es im Moment noch.

Man sei jetzt nur darauf eingegangen, um die Frage nach möglichen Entschädigungen zu beantworten. Mit der juristischen Einordnung wolle man sich zurückhalten und zuerst die Fakten feststellen. Gleichwohl sehe man, dass die Zeit dränge, anwaltlich aktiv zu werden.

Denn Ihre Schilderungen sind ja so, dass man davon ausgehen muss: Lange halten Sie nicht mehr durch. Und Ihre ganzen Kollegen auch nicht.

Es gebe zwar Verständnis und Zuspruch in den sozialen Medien und persönlichen Gesprächen, so der Unternehmer.

Aber ansonsten glaube ich nicht, dass die Bevölkerung (...) so informiert ist, wie es uns tatsächlich geht, was wir erleiden. Da habe ich meine Zweifel, weil da einfach zu viel schöngeredet wird, in der Presse, im Fernsehen. Wenn ich die Nachrichten anmache, das macht schon gar keinen Spaß mehr, das, was da rübergebracht wird. (...) Man fragt sich bei so wahnsinnig vielen Dingen, was da erzählt wird, was da wirklich dahintersteckt. Wieso die so ein Zeug erzählen: (...) die Unterstützung der Unternehmer, die da gewährleistet wird, so wenig Prozent, die bisher pleite gegangen sind (...). Da wird der Bürger ja selbst in Mitleidenschaft gezogen und dazu bewegt, an den Mist noch zu glauben, der da rübergebracht wird.

Man nehme die Mainstreammedien nicht mehr für voll. Und das angesichts einer Situation, die derartig viele Menschen infolge der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verflechtungen betrifft und ihre Situation als Unternehmer und Freiberufler nur die Spitze dessen darstellt, resümierte der Ausschuss.

GESAMTWIRTSCHAFTLICHE EINORDNUNG

Zur gesamtwirtschaftlichen Einordnung des Geschehens in der Corona-Krise befragte der Ausschuss abschließend einen früheren Wirtschaftsdezernenten und Unternehmensmanager aus dem Finanzbereich.

Seiner Einschätzung nach liegt eine besondere Schwierigkeit darin, dass es sich zwar auch um eine Krise infolge der Corona-Maßnahmen handelt, doch es eigentlich um strukturelle Probleme geht, die sich lange vorher angesammelt und angekündigt haben. Sie betreffe vor allem die Struktur der kleinen und mittelständischen Unternehmen unseres Landes und auch der übrigen EU.

Man habe sich in der EU und in Deutschland als deren treibendes Land einseitig auf den Finanzsektor und die Großkonzerne und damit auf Globalisierungsstrategien konzentriert und die endogenen Potenziale vernachlässigt, insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen zu entwickeln und diesen Hilfestellung zu geben.

Hierzu gehöre speziell, dass Deutschland seit 30 Jahren den Bildungssektor dramatisch vernachlässige und es dadurch zunehmend an Qualifikation mangele. Auch die Markteintrittsbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen hätten sich wesentlich verschlechtert. Gute Ideen seien aufgekauft worden, weil es im heimischen Markt an Finanzierungsmöglichkeiten fehle.

Corona ist nicht die Ursache der Probleme, die wir haben, sondern im Grunde genommen das Blitzlicht auf die vorhandenen Strukturprobleme, verschärft allerdings die rezessive Entwicklung enorm.

Das deckt sich völlig mit seiner eigenen Einschätzung, so eines der Ausschussmitglieder. Auch er komme aus dem Bankbereich und erlebe die Corona-Krise als einen Katalysator für das, was sich seit Langem zusammengebraut habe.

Die Beurteilung der ökonomischen Lage in Deutschland erfordert dem Wirtschaftsexperten zufolge einen Blick auf Europa. Hier breche der Süden weg. Ein Teil der gesamten industriellen Infrastruktur Europas sei bedroht. Die sogenannte Globalisierungsstrategie habe auf sich darauf konzentriert, wenige Branchen zu internationalen Marktführern zu machen.

Man hat aber nicht gesehen, das zur Leistungsfähigkeit einer Industrieregion oder eines Industrielandes vor allen Dingen die mittelständische Struktur gehört. Deutschland war immer stark, solange es einen starken und innovativen Mittelstand hatte. Was ich befürchte, ist, dass uns ein großer Teil des Mittelstandes in den nächsten Monaten wegbrechen wird.

Verschiedene Faktoren kämen hier zusammen: Mängel in der traditionellen Infrastruktur des Verkehrswesens und der digitalen Infrastruktur des Kommunikations- und Wissensbereichs sowie bei den Qualifikationen quer durch alle Ebenen des Bildungs- und Ausbildungswesens, die die Wettbewerbsfähigkeit in wichtigen Zukunftsfeldern bedrohten.

Die aufgelegten EU-Programme seien nicht auf den langen Atem zur Stärkung und Umstrukturierung des Mittelstandes über eine regionalisierte Strukturpolitik ausgerichtet, die auf die Bereiche Infrastruktur, Wissen und Kapital fokussiere.

Infolge der Rezession durch die Corona-Maßnahmen und der einseitigen Finanz- und Konzernausrichtung der Wirtschaftspolitik drohe im Herbst das "große Schlachten" im Mittelstand.

Ein weiterer gravierender Punkt betreffe die Strukturen in Politik und Verwaltung.

Wir haben eine EU, die vom Kopf her völlig handlungsunfähig ist. Es ist eine bürokratische Versammlung, die außerhalb ihrer eingefahrenen Gleise nicht handlungsfähig ist. Und das, was als Handlungsfähigkeit verkauft wird, steht auf den Schmierzetteln, die von der Finanzindustrie gereicht werden. Es gibt eine Korrumpierung der Köpfe, die nicht nur über Geld, sondern auch über Wissensvermittlung läuft.

Es fehle darüber hinaus an Modernität in den öffentlichen Bürokratien, den Parteien und bei den maßgeblichen Parteipolitikern. Man denke noch in überkommenen Kategorien.

Wir haben einen abgehobenen politisch-administrativen Sektor. Der denkt in eigenen, geschlossenen Kategorien. (...) Das völlige Ausschalten des Souveräns von politischen Grundentscheidungen wirkt sich derart aus, dass sich ein neues Kastenwesen gebildet hat.

Exemplarisch seien hier die Vorgänge um die Installierung der neuen EU-Kommissionspräsidentin, die für jeden, der noch über ein demokratisches Grundverständnis verfüge, einen "Tritt ins Gesicht" bedeuteten.

FAZIT UND AUSBLICK

Für den Ausschuss stellt sich die Frage nach möglichen Auswegen, etwa durch eine komplette Reformierung der EU und eine Ausrichtung auf Regionalpolitik. Dies betreffe auch das, was hier in Deutschland schiefgelaufen sei.

Macht muss geteilt werden. Das wissen wir seit einigen Jahrhunderten. Wir haben genau gegen diese Grundbedingung der Demokratie verstoßen. Wir haben einen Einheitsbrei, in dem alle wichtigen Funktionen der Politik im Wege einer personellen Scharade verteilt werden. Wer Bundespräsident wird oder Verwaltungsrichter, wer Chef von Behörden wird, wer Minister wird, wird ausgekungelt. Es gibt keine demokratische Selektion nach Fähigkeiten.

Das habe alle Bereiche unseres Landes ergriffen. Darüber hinaus dürfe man die formierende Wirkung des finanzkapitalistischen Durchgriffs auf Medien und Politik nicht unterschätzen. Aber es gebe keine Gegenkraft.

Der Souverän hat in unserem Land keine Position.

Gleichwohl sei es wichtig und keinesfalls sinnlos zu versuchen, gegen diese Entwicklung und Dominanz des Finanzsektors vorzugehen. Spätestens wenn Europa zum Wurmfortsatz zwischen den USA und Asien werde, sei unser Wohlstand bedroht, und dies würde mit Sicherheit massive gesellschaftliche Konflikte auslösen.

Es lohne sich für die ohnehin fällige Korrektur dieser krisenhaften Entwicklung, die durch das Corona-Geschehen offensichtlich und verschärft werde, einzusetzen und dies als Chance und Hoffnung zu sehen.

Die existierenden mahnenden Stimmen, die sich beispielsweise ganz konkret in der Schadensanalyse zu den Corona-Maßnahmen aus dem Bundesinnenministerium äußerten, würden nicht ausreichend gehört. Wie kommt es, dass die bestehende Situation derart fortwirken kann und es aktuell keinen Weg zurück gibt, fragte der Ausschuss.

Unsere Bürokratien und Machtzentren sind wie in der Feudalzeit aufgebaut und strukturell überfordert, so die Einschätzung des Experten.

Es gibt mehr Möglichkeiten in der Auswahl, als Politik verarbeiten kann. Dabei ist es völlig natürlich, dass man sich abschottet und nur Vertrautem glaubt. Man macht eigentlich genau das Falsche. Man öffnet sich nicht, sondern schottet sich ab, und setzt Einseitigkeit und fehlerhaftes Handeln verstärkt fort. Man blendet die Wirklichkeit aus und lässt sich politisch-medial Potemkinsche Dörfer errichten, an die man dann auch glaubt, fatalerweise.

Fehlerkorrekturen hätten unmittelbare Auswirkungen im politischen und bürokratischen Gefüge der Personen und Positionen. Rolle ein Kopf und eine Position in dem einen Lager, so müsse dies auch im anderen Lager geschehen.

Letztlich wirkten hier Strukturen, Mechanismen und Dynamiken einer "Macht der Apparate", die nicht zu brechen seien.

Diejenigen, die im Apparat groß geworden sind, vertrauen auf die Apparate und die Strukturen, die ihnen die Macht verschafft haben.

Den [Apparat] zu ändern, bedeutet ja auch, dass man konkret in Karrieren, in Karrierepläne, in Machtgefüge eingreift. (...) Es ist ungeheuer schwierig, eine Bürokratie, so sie denn einmal entstanden ist und sich eingerichtet hat, zu verändern. Im Moment ist es ja so, dass unsere politische Bürokratie über ungeheure Machtmittel in Form von Geld verfügt. Das macht natürlich hörig.

Geld sei immer noch das wichtigste und verbindende Argument. Das lässt sich allerdings auch umdrehen, so der Ausschuss, indem man dem Staat sagt:

So, was du angerichtet hast, das musst du jetzt bezahlen. Man muss es nur glaubhaft machen.

Die Arbeit des Ausschusses sei sinnvoll, um an Alternativen zu arbeiten. Denn es werde eine Zeit kommen, in der wir nach Alternativen suchen werden.

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