Thanks Austerity: Lebenserwartung in England stagniert zum ersten Mal in 100 Jahren und sinkt teils
Während des gesamten 20. Jahrhunderts hat sich die Gesundheit und Lebenserwartung der Menschen in England verbessert, doch in den vergangenen zehn Jahren hat sich dieser Trend "dramatisch verlangsamt" und teils verschlechtert.
"Schockierend, beispiellos und absolut nötig", so beschreibt Sir Michael Marmot die Ergebnisse der kürzlich veröffentlichten Untersuchung vom Institute of Health Equity (Gesundheitsgerechtigkeit) über den Zustand der gesundheitlichen Ungleichheit im Land.
Demnach ist die Lebenserwartung zum ersten Mal seit mehr als 100 Jahren ins Stocken geraten, für Frauen in den ärmsten Gebieten Englands sinkt sie gar – und auf das Leben der Kinder werde die Sparpolitik einen "langen Schatten" werfen.
Marmot ist Professor für Epidemiologie und Public Health (Öffentliche Gesundheitspflege) am University College London, eine der angesehensten Universitäten der Welt, und leitet das internationale Institut für Gesellschaft und Gesundheit. Zudem ist er Vorsitzender der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eingerichteten Commission on Social Determinants of Health. Im Jahr 2010 erschien der vorige von ihm verfasste "Marmot Review" und im Februar diesen Jahres der aktuellste, der Marmot-Rückblick "10 Years On". Die Ergebnisse sind tatsächlich beunruhigend und über das Land hinaus aufschlussreich, da sie eine klare Sprache über den Zusammenhang zwischen Politik und Gesundheit sprechen.
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Laut dem diesjährigen Bericht sind zwischenzeitlich die Sterblichkeitsraten auch für Menschen im Alter von 45 bis 49 Jahren gestiegen, auch sind die Menschen insgesamt mehr bei schlechter Gesundheit.
Die Sterblichkeit ist dabei analog zum sozialen Gefälle, und im Vergleich zu dem früheren Bericht gibt es noch stärkere regionale Unterschiede hinsichtlich der Gesundheit und Lebenserwartung. Am stärksten ging die Lebenserwartung derer zurück, die in den ärmsten Gebieten im Nordosten des Landes leben, während sie bei jenen in den reichsten Teilen der Hauptstadt London am meisten anstieg.
Dieser Schaden für die Gesundheit der Nation hätte nicht geschehen müssen, sagte Sir Marmot.
My essay in @bmj_latest introduces #Marmot2020 Health equity in England: the Marmot review 10 years on https://t.co/eiR6pf3YJK
— Sir Michael Marmot (@MichaelMarmot) 27. Februar 2020
Vielmehr sei er der Politik zuzuschreiben, die "Sparmaßnahmen haben ihren Tribut"gefordert. Denn seit dem Jahr 2010 habe es weitreichende und tiefe Einschnitte in den meisten Bereichen der relevanten öffentlichen Ausgaben gegeben, auch seien ausgerechnet benachteiligte Gebiete und Gemeinden weniger gefördert worden. Im erfassten Zeitraum sind die Staatsausgaben um sieben Prozent zurückgegangen, dabei sei aber ausgerechnet im sozialen Bereich am meisten gekürzt worden. In englischer Manier formuliert der Bericht es vorsichtig:
Es ist wahrscheinlich, dass die Kürzungen der Gesundheit geschadet und dazu beigetragen haben, dass sich die gesundheitlichen Ungleichheiten kurzfristig vergrößern. Dies wird wahrscheinlich auch längerfristig so geschehen.
Einige der verheerendsten Auswirkungen dieser Politik reichen laut Sir Marmot von "steigender Kinderarmut und Jugendkriminalität, der Schließung von Kinderzentren über den Rückgang der Bildungsfinanzierung, die Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse und Null-Stunden-Verträge bis hin zu einer Krise bei der Erschwinglichkeit von Wohnraum, einer Zunahme der Obdachlosigkeit und Menschen, die nicht genügend Geld haben, um ein gesundes Leben zu führen". Noch schlechter sei die Lage für die ethnischen Minderheiten und für Menschen mit Behinderungen.
Professor Sir Marmot findet deutliche Worte der Empörung:
Es ist schockierend. Großbritannien galt als weltweit führend bei der Identifizierung und Bekämpfung gesundheitlicher Ungleichheiten, aber es geschieht etwas Dramatisches.
Er geht davon aus, dass der "Schaden für die Gesundheit und das Wohlbefinden" in Schottland, Wales und Nordirland ähnlich beispiellos ist. Der Bericht schlägt Maßnahmen vor, die "dringend notwendig" seien, da "Leben verloren gehen und unnötig geschädigt werden", allerdings unterscheiden sich einige der angeratenen Maßnahmen kaum von denen des früheren Berichts, sodass es an der Politik liegt, zu handeln.
Jonathan Ashworth, Schattenstaatssekretär für Gesundheit im Schattenkabinett von Jeremy Corbyn, kommentierte diese vermeidbaren Probleme scharf:
Dies ist ein vernichtendes Urteil über zehn Jahre Sparmaßnahmen unter den Konservativen und verlangt von Boris Johnson dringende Maßnahmen. Es gibt keine größere soziale Ungerechtigkeit, als dass Menschen aufgrund von Armut und Sparmaßnahmen früher sterben.
Auch in Deutschland regiert die schwarze Null mit, und viele der im Marmot Review über England aufgezeigten Folgen zeichnen sich in einigen Bereichen deutlich ab. Auch dies war bereits im Jahr 2011 bekannt. Beispielsweise ist die Lebenserwartung von Geringverdienern gesunken, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der Linksfraktion im Jahr 2011 hervorging. Dennoch ist Deutschland in Westeuropa Vorreiter bei der Beschäftigung im Niedriglohnsektor. Derweil rät die Bundesbank pauschal längeres Arbeiten bis ins hohe Alter.
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