Europa

Transphobie oder gesunder Menschenverstand? Neue Blüten der Gender-Debatte in Großbritannien

In Großbritannien klagt eine Frau vor Gericht gegen ihre Entlassung – und scheitert. Ihre Aussage, dass das biologische Geschlecht eine nicht zu ändernde sachliche Realität sei, verletzte nach Auffassung der Richter die Würde Transsexueller.
Transphobie oder gesunder Menschenverstand? Neue Blüten der Gender-Debatte in GroßbritannienQuelle: Reuters © / Neil Hall

Das Urteil eines Arbeitsgerichts hat in der vergangenen Woche in Großbritannien und darüber hinaus für Aufsehen gesorgt. Die Steuerexpertin Maya Forstater hatte gegen die Nichtregierungsorganisation Center for Global Development geklagt, weil diese ihren Arbeitsvertrag nicht verlängert hatte. Die Klage wurde abgewiesen.

Forstater hatte ihren Arbeitsplatz wegen angeblich transfeindlicher Äußerung verloren. So hatte sie auf Twitter geschrieben:

Ich denke, dass männliche Menschen keine Frauen sind. Ich denke nicht, dass weiblich sein oder Frau sein eine Frage der Identität oder weiblicher Gefühle ist. Es geht um Biologie. Menschen beiderlei Geschlechts sollten nicht eingeschränkt (oder diskriminiert) werden, wenn sie nicht den traditionellen Erwartungen des Geschlechts entsprechen.

Mit diesen und ähnlichen Äußerungen hatte sich Forstater gegen Pläne der britischen Regierung gewandt, nach denen es künftig möglich sein soll, sein Geschlecht selbst festzulegen. Sie betonte dagegen, dass das biologische Geschlecht (im Englischen: "sex") unveränderlich sei, ganz unabhängig davon, wie die betreffende Person ihr soziales Geschlecht ("gender") definiere. Das biologische Geschlecht sei eine sachliche Realität, die nicht mit dem sozialen Geschlecht oder der Geschlechtsidentität vermengt werden sollte. Konkret erklärte Forstater, dass Frauenrechte entwertet würden, wenn Männer zu Frauenräumen zugelassen werden.

Die 45-jährige Forstater klagte gegen ihre Entlassung und argumentierte, dass ihre Äußerungen als "philosophische Ansicht" von der Meinungsfreiheit gedeckt seien. Das Gericht folgte ihr nicht. Ihr Ansatz sei "in einer demokratischen Gesellschaft nicht respektabel" und verletze die Würde der Transmenschen. Die Bezeichnung "falsches Geschlecht" könne enormen Schmerz verursachen, so der Richter, der im englischen Original das Verb "to misgender" verwendete.

Der Fall Maya Forstater erlangte dadurch besondere Aufmerksamkeit, dass sich Joanne K. Rowling, die Autorin der Harry-Potter-Bücher, nach der Gerichtsentscheidung solidarisch mit der Unterlegenen zeigte. Rowling schrieb auf Twitter: 

Kleiden Sie sich, wie Sie wollen. Bezeichnen Sie sich als was Sie wollen. Schlafen Sie mit jedem Erwachsenen, der damit einverstanden ist. Leben Sie Ihr bestes Leben in Frieden und Sicherheit. Aber Frauen aus ihrem Job zu drängen, weil sie sagen, dass das biologische Geschlecht real ist?

Rowling erlebte daraufhin einen veritablen "Shitstorm", erntete auch in deutschen Medien harsche Kritik, erfuhr aber auch viel Zustimmung. Die lange Debatte unter ihrem Tweet zeigte in all ihrer Schärfe und Intensität, wie sehr das Thema wenigstens die Menschen in der Twitterblase beschäftigt und polarisiert. Zahlreiche Nutzer beschuldigten Rowling, Transsexuelle zu verraten. Andere lobten sie dafür, die Realität zu verteidigen. Ein Kommentator zitierte den englischen Schriftsteller George Orwell mit der Aussage:

Je weiter eine Gesellschaft von der Wahrheit abdriftet, desto mehr wird sie diejenigen hassen, die sie aussprechen.

Forstater betrachtet sich selbst als Feministin, die die Rechte der Frauen verteidigt. Die Debatte verdeutlicht einmal mehr, wie die verschiedenen Zweige der politischen Korrektheit immer mehr in unauflösbaren Widerspruch zueinander geraten und sich bekämpfen. In diesem Fall gerät der traditionelle Feminismus in Widerspruch zu einer Art inklusivem Feminismus, der die Interessen Transsexueller berücksichtigt. Für Vertreter des "alten Feminismus" gibt es in entsprechenden Kreisen längst einen Fachbegriff: "Transmenschen ausschließende radikale Feministin" ("Trans Exclusive Radical Feminist"), kurz Terf.

Betrachtet man den Vorgang aus einer weiteren, philosophischen Perspektive, zeigt er geradezu sinnbildlich das Aufeinandertreffen von materialistischer und idealistischer Weltsicht auf. Das Gerichtsurteil fiel so gesehen ganz im Sinne des idealistischen Zeitgeistes, der tendenziell Gefühle zu Tatsachen erklärt und (bis auf die Eigentumsverhältnisse) jede Wirklichkeit für sozial konstruiert hält. Es dürfte aber wenig daran ändern, dass die Mehrzahl der Menschen sich weiterhin an den biologischen Fakten orientieren und jede andere Herangehensweise für magisches Denken halten wird.

Die britische Komikertruppe Monty Python nahm die aktuelle Debatte in ihrem Film "Das Leben des Brian" vor genau 40 Jahren bereits vorweg. In einer Szene erklärte Stan von der Volksfront von Judäa, ab jetzt eine Frau sein und Loretta heißen zu wollen. Jeder Mann habe das Recht, Babys zu bekommen.

Sein Kollege Reg hielt ihm entgegen, dass er keine Kinder haben könne, weil ihm die körperlichen Voraussetzungen fehlten ("Du hast keine Mumu!"). Den Kompromissvorschlag, dass Stan keine Babys bekommen könne, aber das absolute Recht habe, sie zu bekommen, kommentierte Reg mit der Bemerkung, dieser sei nicht symbolisch für ihren Kampf gegen die Unterdrückung, sondern für den gegen die Realität. 

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