Europa

Serben zeigen sich entschlossen und wollen NATO-Beitritt von Bosnien-Herzegowina verhindern

Der von der Präsidentschaft Bosnien-Herzegowinas (BIH) eingeleitete Schritt hin zu einer NATO-Mitgliedschaft hat unter den Serben – insbesondere auch jenen, die im serbisch dominierten Landesteil von Bosnien und Herzegowina, in der Republika Srpska, leben – für Aufruhr gesorgt.
Serben zeigen sich entschlossen und wollen NATO-Beitritt von Bosnien-Herzegowina verhindern© Marinko Učur

von Marinko Učur, Banja Luka

Angesichts der proklamierten offiziellen Haltung Serbiens, seine militärische Neutralität zu wahren und keiner militärischen Allianz – also auch nicht der NATO – beizutreten, befürchten die Serben in der Republika Srpska, dass der Fluss Drina eines Tages zur Grenze des NATO-Paktes zwischen ein und demselben Volk werden könnte. Genauso, wie einst die Berliner Mauer, durch welche die Deutschen in Ost- und Westberlin voneinander getrennt wurden, nachdem die Stadt bis dahin lediglich in vier Besatzungszonen aufgeteilt war, wie ja auch ganz Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.

Die meisten bosniakischen und kroatischen Politiker dieser komplexen Gesellschaft, die Bosnien bildet, befürworten eine NATO-Mitgliedschaft und behaupten, dieser Beitritt gewähre ihnen Frieden und Wohlstand. Auf der anderen Seite sind die Serben fasst einstimmig dagegen, weil ihnen die Bomben der westlichen Militärallianz, mit denen die NATO ohne UNO-Mandat darauf abzielte, die Serben zu disziplinieren und den Weg für die Abspaltung der serbischen Provinz Kosovo und Metochien zu ebnen, sehr gut in Erinnerung geblieben sind. In der Zwischenzeit installierte die NATO auf dem Territorium des selbstausgerufenen Staates Kosovo, im Militärstützpunkt Camp Bondsteel südlich von Priština, erhebliche militärische Potentiale, um albanische Separatisten bei der internationalen Anerkennung des selbstausgerufenen Staates zu unterstützen. Nach der Meinung offizieller Vertreter aus Belgrad und Banja Luka sträuben sich die Serben aus diesen gut nachvollziehbaren Gründen gegen die NATO-Mitgliedschaft.

NATO: Den Bürgerwillen respektieren

In der Zwischenzeit erklärte Admiral James G. Foggo III, Befehlshaber der alliierten Truppen in Neapel (JFC-Naples), im Hinblick auf die Integration von Bosnien und Herzegowina in dieses Militärbündnis, die NATO würde die Entscheidung der Behörden und Bürger von Bosnien und Herzegowina respektieren.

Dem Land Bosnien und Herzegowina und den Menschen dieses Landes steht das Recht zu, als demokratische Gesellschaft zu wählen, was – also welche Art von Beziehung zur NATO – sie wollen. Wenn sie eine Partnerschaft mit der NATO wollen, werden wir es begrüßen. Wir werden es auch begrüßen, wenn sie etwas anderes wollen", so Foggo zu Reportern Anfang dieser Woche.

Er erinnerte daran, dass Serbien auch eine Partnerschaft mit der NATO in Form eines individuellen Partnerschaftsaktionsplans (IPAP) unterhält und die Möglichkeit hat, die Mitgliedschaft zu beantragen, wenn dies gewünscht wird. "Serbien hat sich durch die Auswahl von 1.600 Kooperationsprogrammen dafür entschieden, ein guter Partner zu sein. Dazu gehören mobile Teams für die Ausbildung von Unteroffizieren. Dazu gehört auch die Teilnahme an militärischen Übungen", sagte Foggo und versuchte dabei, die in Bosnien und Herzegowina herrschenden Spannungen angesichts der unterschiedlichen Ansätze und Verhältnisse zur NATO zu relativieren.

NATO-Mitgliedschaft? – Die Frage aller Fragen

Man gewinnt den Eindruck, dass in diesem immer noch fragilen Land – bestehend aus zwei Entitäten und drei konstituierenden Völkern, vom Bürgerkrieg, dem Nachkriegstrauma und einer zwischenethnischen Uneinigkeit zerrissen – die Einstellung zu diesem Militärbündnis die Frage aller Fragen ist. Auch die Regierungsbildung auf der Gesamtstaatsebene in Sarajevo war weitgehend von diesem Thema geprägt.

In der Öffentlichkeit findet eine breite Debatte statt, die den NATO-Beitritt einerseits rechtfertigt oder andererseits in Frage stellt. Die serbischen Argumente in dieser Hinsicht sind ziemlich klar, und die Behörden, die Opposition und NGOs sind in diese Geschichte einbezogen.

Einerseits argumentiert die Regierungskoalition unter der Führung von Milorad Dodik, serbischer Vertreter in dem dreiköpfigen Staatspräsidium von Bosnien und Herzegowina, dass die Serben und die Republika Srpska der Haltung Serbiens folgen werden – mit anderen Worten, die militärische Neutralität steht außer Frage. Die Opposition ist jedoch der Ansicht, dass die Regierung etwas verbirgt und dass mit der Unterzeichnung des Dokuments "Reformprogramm von BIH", das nach der Regierungsbildung auf der Staatsebene in Brüssel vorgelegt wird, bereits ein Schritt in Richtung NATO getan wurde. Die Oppositionellen weisen einstimmig darauf hin, dass das Dokument, zu dem die Öffentlichkeit keinen Zugang hatte, da es sich im Safe der Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina befindet, in Wirklichkeit bereits eine Zustimmung zur NATO-Mitgliedschaft darstellt.

Dokument zum NATO-Beitritt unter Verschluss

Die von der Serbischen Demokratischen Partei angeführte Opposition sammelt sogar Unterschriften von Bürgern, um von der Regierung die Offenlegung des geheimen Dokuments zu fordern, denn laut Parteichef Mirko Šarović bedeutet dies "im Grunde genommen die Aktivierung des Aktionsplans für die Mitgliedschaft (MAP), womit der Weg Bosnien und Herzegowinas für den Beitritt zu diesem Militärbündnis geebnet ist."

Interessant ist auch die Haltung von Nichtregierungsorganisationen, die zum größten Teil gegen die NATO sind. Und diese Haltung scheint auf den ersten Blick unbestreitbar, wenn es um die Einheit des serbischen Volkes und seine Zurückhaltung gegenüber einem Militärbündnis, einschließlich der NATO, geht.

Das Volk sollte das Sagen haben

In diesem Sinne scheint die NGO namens Serbische Nationalbewegung (SNP) mit dem Motto "Wir haben die Wahl" am weitesten gegangen zu sein, nämlich hat sie im Einklang mit dem genannten Motto erklärt, solche wesentlichen Fragen müssten im Rahmen eines Referendums der Prüfung durch das ganze Volk unterliegen.

Dane Čanković, der Präsident dieser Bewegung, sieht keinerlei Dilemma, wenn es um pazifistische und militärisch neutrale Haltungen geht. Im Namen seiner Organisation kündigt er die Sammlung von Unterschriften der Bürger an, so dass das in der Republika Srpska geltende Gesetz, durch welches Referenden und Bürgerinitiativen geregelt werden, ein strikt bindendes Referendum und die Erklärung der Völker zu Fragen der militärischen Neutralität, einschließlich der NATO, vorsieht.

Gegenüber RT Deutsch erklärt Čanković:

Das Volk sollte das letzte Wort haben. Das ist eine demokratische Praxis überall auf der Welt. Eine solche mögliche Entscheidung kann nicht einer begrenzten Zahl von Menschen überlassen werden. Wir fordern, dass ein Rechtsakt, den wir vorschlagen werden, eine Bestimmung enthält, die besagt, dass jede unbefugte Unterzeichnung eines NATO-Beitrittsprotokolls oder jede andere Art und Weise, durch welche gesichert würde, dass die Republika Srpska (RS) und BIH der Allianz beitritt, ohne zuvor den Willen der Bürger bei einem Referendum überprüft zu haben und ohne die Zustimmung der Nationalversammlung der Republika Srpska, welche die Resolution zur militärischen Neutralität verabschiedet hatte, eingeholt zu haben, einen neuen Straftatbestand gegen die Verfassungsordnung der RS darstellen soll.

Er erklärt dabei nicht, wie man den Dissens mit der anderen Entität, der bosniakisch-kroatischen Föderation, lösen kann, die für den NATO-Beitritt ist, da die Länder, die als Fürsprecher der Kroaten und Bosniaken gelten – Kroatien und die Türkei – bereits NATO-Mitglieder sind.

Dennoch weist Čanković darauf hin, es sei – "um das Ziel der Wahrung von Frieden und Stabilität zu erreichen, … die militärische Neutralität die beste Lösung, insbesondere in einer Situation, in der es auf der Landesebene kein einheitliches Gesetz über Referenden gibt, welches beim Treffen derart schicksalhafter Entscheidungen eine verbindliche Beratung mit den Bürgern implizieren würde."

Unerwünschtes Szenario

Die Bürger der Republika Srpska, mit denen RT Deutsch Gelegenheit hatte, zu diesem Thema zu sprechen, wollen nicht mutmaßen, was dies bei einem hypothetisch möglichen militärischen Konfliktausbruch bedeuten würde, wenn Serbien als neutrales Land einerseits und die Republika Srpska als Teil von Bosnien und Herzegowina und der NATO andererseits sich in diesem Falle gegenüberstehen und aufeinander schießen könnten.

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Aus diesem Grund wird vor allem unter den Serben in Bosnien und Herzegowina eine heftige Kampagne gegen den NATO-Beitritt geführt und die Einhaltung jenes vom Parlament der Republika Srpska erlassenen Beschlusses gefordert, mit welchem eine Resolution über die militärische Neutralität angenommen wurde. Einige NGOs und die Opposition fordern sogar die Einleitung strafrechtlicher Sanktionen gegen alle, die ohne Referendum irgendeinen Schritt in Richtung NATO-Mitgliedschaft unternehmen. Angesichts der Rolle, die die Allianz 1999 bei der Bombardierung der Serben gespielt hat, wäre dies nach einhelliger Meinung der Serben ein Akt bodenlosen Verrats.

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