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Charme-Offensive? Russische Journalistin ruft Selenskij an und nennt ihn im Anschluss "höflich"

Die Moderatorin der russischen Polit-Talkshow "60 Minuten" hat es geschafft, den ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij telefonisch zu erreichen. Das Gespräch fiel jedoch kürzer aus als erwartet. Das Thema sollte ein künftiges Treffen im Normandie-Format werden.
Charme-Offensive? Russische Journalistin ruft Selenskij an und nennt ihn im Anschluss "höflich"© Screenshot Rossija 1

"Ja, er ist höflich und angenehm im Gespräch", sagte die russische Moderatorin Olga Skabejewa in ihrer Talkshow "60 Minuten", die sie gemeinsam mit Ewgeni Popow auf dem Fernsehsender Rossija 1 moderiert.

Mit "er" meint sie den ukrainischen Präsidenten Selenskij, der während seiner bisherigen Amtszeit noch nicht mit russischen Medien gesprochen hat – ein kurzes Interview mit Ewgeni Popow im Vorbeigehen bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen nicht eingeschlossen. Als Comedy-Star war Selenskij in russischen Medien bis zum Jahr 2014 omnipräsent. Nach dem Maidan schloss er seine russische Produktionsfirma in Moskau und fuhr nicht mehr nach Russland. 

Nun präsentiert Skabejewa ihr Telefonat wie einen kleinen Triumph. "Wir hatten uns die Telefonnummer  des ukrainischen Präsidenten besorgt und Selenskij angerufen", erzählt Popow. "Wir wollten aus erster Hand wissen, was er beim Normandie-Gipfel vorhat." Selenskij ging selbst ans Telefon.

Ich habe jetzt auf laut gestellt. Wenn ein Anruf kommt, unterbreche ich jede Besprechung, denn es könnte jemandem etwas zustoßen. Da offenbar weder Ihren Freunden noch Ihren Verwandten etwas passiert ist, erlauben Sie mir, die Unterhaltung mit meinen Kollegen wiederaufzunehmen, sagte der ukrainische Präsident der anrufenden Journalistin.

Damit war das Gespräch beendet. Später lobte Olga Skabejewa Selenskij im Studio – immerhin war er höflich und sprach Russisch. Den anwesenden ukrainischen Experten versicherte sie, dass sie darum bemüht seien, die Beziehungen zur Ukraine endlich zu verbessern.

Das Gespräch offenbarte jedoch nicht, ob am 9. Dezember in Paris die Fortschritte im Friedensprozess bei dem bewaffneten Konflikt im Donbass erreicht werden könnten. Zu viel Widersprüchliches ist in den letzten Tagen aus Kiew zu hören. Mal sagt der ukrainische Außenminister Wadim Pristaiko während einer Konferenz am Rande des NATO-Treffens, Russland sei ein terroristischer Staat, dem man nur mit scharfen Sanktionen begegnen müsse, mal ist es Selenskij selbst, der für Irritationen sorgt.

So sagte er in einem Interview, das er vier europäischen Medien gegeben hat, darunter dem Spiegel, dass diejenigen, die in den nicht anerkannten Donbass-Republiken bereits russische Pässe beantragt haben, wegziehen könnten.

Russland verteilt ja derzeit illegal russische Pässe. Jeder Mensch hat das Recht auszusuchen, wo er leben will. Auf dem Territorium der Ukraine zu sagen, ich bin Bürger Russlands und dies ist mein Boden, das halte ich für falsch und unfair. Das geht nicht.

Nach Angaben des Gouverneurs des russischen grenznahen Gebiets Rostow seien inzwischen über 170.000 Einwohner der Republiken in den Besitz der russischen Pässe gekommen. Im September waren es noch 35.000.

Sollen dann diese Menschen ausgewiesen werden? Und wie werden diejenigen bewertet, die einfach "nur" prorussische Ansichten zeigen? Diese sind Umfragen zufolge dort in der Mehrheit. Viele sagen offen, sie wollen, dass Russland sie aufnimmt. Für sie klangen die Worte des ukrainischen Präsidenten nicht nach Versöhnung – und das nach mehreren Tausenden zivilen Opfern, die die ukrainische Kriegsführung in der Region zur Folge hatte. 

Ähnlich äußerte sich auch der Parlamentssprecher Dmitri Rasumkow, als er vor Kurzem sagte, es gebe in der Ukraine nur ein Volk: die Ukrainer. Damit können Menschen, die sich für Russen halten, als Separatisten diffamiert und verfolgt werden.

Im Interview gab der Präsident auch zu, dass er mit einigen wichtigen Punkten des Minsker Abkommens nicht einverstanden ist, vor allem mit jenem, ob die Ukraine die Kontrolle über die Grenze vor oder nach den Wahlen erlangen soll. Die Ukraine will, dass bei den Wahlen die örtliche Volksmiliz – der militärische Gegner der ukrainischen Streitkräfte und nationalistischen Milizen – aus der Region abzieht.

Wir wollen erst die Grenze, dann die Wahlen, und das ist ganz allgemein die Position der Ukrainer. Aber nicht die des Minsker Abkommens, sagte Selenkskij.

Vor wenigen Tagen bestimmte der Volksrat der selbstausgerufenen Volksrepublik Donezk in einem Gesetz die Grenze der Volksrepublik in den Grenzen des Donezker Gebietes. Dies sei ein Signal an die Menschen, die auf dem "von der Ukraine vorübergehend kontrollierten Territorium" leben, das sie nicht vergessen werden, sagte der Vorsitzende des Volksrates Wladimir Bidjewka. Dieses Gebiet ist weniger besiedelt, verfügt aber über ein größeres Territorium als die Volksrepublik Donezk. 

Diesen Schritt kann man auch als Signal an das N4-Treffen verstehen. Denn die Ukraine will keine direkten Verhandlungen mit den Vertretern der sogenannten Separatisten führen. Die Erwartungen an die Verhandlungen sind deshalb gedämpft. Das innen- und außenpolitische Klima, das das Treffen begleitet, hat sich jedoch seit dem letzten Treffen vor drei Jahren deutlich verändert. Davon zeugt auch das halbminütige Gespräch, das die Moskauer Journalisten mit dem ukrainischen Präsidenten geführt haben.

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