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Schlagen, treten, würgen – Empörung über Polizeigewalt in Frankreich nimmt zu

Frankreichs Innenminister Christophe Castaner steht im Fall eines toten 24-Jährigen weiter unter Druck. Steve Maia Caniço war im Juni nach einem Polizeieinsatz in Nantes verschwunden und wurde später tot aufgefunden. Doch der Fall ist nur die Spitze des Eisbergs.
Schlagen, treten, würgen – Empörung über Polizeigewalt in Frankreich nimmt zu© bsaz

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Frankreichs Innenminister Christophe Castaner gerät im Fall eines toten 24-Jährigen aus Nantes weiter unter Druck. Zwar versprach er umfassende Aufklärung, doch die Empörung in Frankreich wegen unverhältnismäßiger Polizeigewalt nimmt zu. Steve Maia Caniço war Ende Juni nach einem umstrittenen Polizeieinsatz bei der Fête de la Musique verschwunden – Wochen später wurde seine Leiche gefunden. Dem Minister wird vorgeworfen, nicht genug für die Aufklärung des Falles zu tun und Polizeigewalt zu verschleiern. Oppositionspolitiker forderten seinen Rücktritt. Ein Künstler hat auf Twitter sogar eine virtuelle Galerie mit den "Opfern" von Castaner angelegt:

Ein Polizeibericht, der den Vorfall in Nantes untersuchen sollte, kam zu dem Ergebnis, dass der Polizeieinsatz gerechtfertigt gewesen sei und es keinen Zusammenhang mit dem Verschwinden von Caniço gebe. Zahlreiche Menschen kritisierten den Bericht und forderten unter dem Schlagwort "Justice pour Steve" Gerechtigkeit für Steve.

Caniço hatte Ende Juni eine Feier für Elektrofans an der Loire in Nantes besucht. Polizisten wollten die Feier beenden. Bei dem Einsatz stürzten mindestens 14 Menschen in den Fluss. Der 24-Jährige war seit dieser Nacht verschwunden. Verwandte sagen laut Medienberichten, dass er nicht schwimmen konnte. Besucher der Feier hatten der Polizei vorgeworfen, Gummigeschosse und Tränengas eingesetzt zu haben – daraufhin sei Panik ausgebrochen.

Die französische Regierung stellte sich demonstrativ hinter Castaner, der schon in der Gelbwesten-Krise immer wieder unter Beschuss geraten war. Premier Édouard Philippe betonte, Castaner sei nicht geschwächt und sicherte ihm seine Unterstützung zu. Zahlreiche Menschen hatten in Frankreich mit Bestürzen auf das Verschwinden von Caniço reagiert. Seitdem ebbt die Debatte über Polizeigewalt nicht ab. Nach dem Fund der Leiche gab es wieder Demonstrationen und Mahnwachen im ganzen Land.

Es ist nicht der einzige Fall, bei dem Polizei und Politik unter Druck stehen. Bei einer Solidarkundgebung für Caniço kam es wieder zu Zusammenstößen zwischen Polizeikräften und Demonstranten. Das Bild eines Demonstranten, der auf dem Boden liegend von einem Polizisten gewürgt wird, machte die Runde.

In einem Videoclip ist zu sehen, wie der Mann von einem Polizisten von hinten angegangen wird und anschließend auf den Boden gerissen wird (ab Minute 1:05):

In einem weiteren kurzen Clip sieht man denselben Mann zwischen zwei Polizisten vor einem Polizeifahrzeug. Es ist deutlich zu sehen, wie der Mann nach Luft ringt. Die Polizei wirft dem Mann vor, eine Flasche auf einen Polizeibeamten geworfen zu haben. Der Mann gibt den Wurf einer Flasche zwar zu, sagt aber, dass er nicht auf einen Polizisten gezielt habe. Die Flasche sei mehrere Meter vor dem Polizisten auf dem Boden zerschellt.

Im März dieses Jahres war die bekannte Attac-Aktivistin Geneviève Legay während einer Gelbwesten-Demonstration in Nizza auf der Straße von einem Polizeibeamten umgestoßen worden. Die 73-Jährige wurde überrannt und dabei schwer verletzt. Der verantwortliche Polizist wurde identifiziert, und er rechtfertigte sich mit der irritierenden Aussage, dass er den Vorfall zwar bedaure, er aber gedacht habe, dass er einen Mann umgestoßen habe. Präsident Emmanuel Macron hatte gar in der französischen Tageszeitung Nice-Matin zuvor erklärt, dass es "keinen Kontakt" zwischen Legay und einem Polizeibeamten gegeben habe.

Schlimmer noch, der Leiter der Staatsanwaltschaft in Nizza, Jean-Michel Prêtre, gab sogar zu, in dem offiziellen Bericht zu den Vorfällen die Polizeikräfte weißgewaschen zu haben. Seine Begründung: "Um Präsident Emmanuel Macron nicht in Schwierigkeiten zu bringen". Auch in dem Fall der durch eine Tränengasgranate getöteten 80-jährigen Zineb Redouane geben Polizei und Politik keine gute Figur ab.

Die an den Demonstrationen in Marseille völlig unbeteiligte Redouane wurde am 1. Dezember 2018 am Fenster ihrer Wohnung im vierten Stock (sic!) durch mindestens eine Tränengasgranate getroffen. Sie erlag im Krankenhaus ihren Verletzungen. Die offizielle Version der Polizei lautete zunächst, sie sei nicht an den Folgen ihrer Verletzungen, sondern wegen der Operation gestorben. Und es habe sich um einen Unfall gehandelt, da die Tränengasgranate schräg nach oben geschossen worden sei, um das Gas über eine Menge zu verstreuen. 

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Dem widersprechen die Aussagen von Redouanes Tochter, die sich im Augenblick des Vorfalls in der Wohnung befand. Laut ihr habe die Polizei ihre Mutter gezielt beschossen, da sie ein Telefon in der Hand gehalten habe. Die Polizei habe befürchtet, dass ihre Mutter mit dem Telefon Filmaufnahmen mache. Zu allem Überfluss behaupteten die Ordnungskräfte auch noch, dass Überwachungskameras, welche den Vorfall filmen konnten, kaputt seien und keine Bilder aufgenommen hätten. Doch offenbar entspricht das nicht der Wahrheit.

Um das ganze abzurunden, schlug Innenminister Castanier in einer Liste nun unter anderem auch Polizisten für eine Auszeichnung vor, die im Verdacht stehen, übermäßig Gewalt angewendet zu haben. Darunter sind auch zwei Einsatzleiter, die an dem Vorfall mit Geneviève Legay beteiligt waren. Laut der aktuellen Opferbilanz des Onlinemagazins Mediapart haben von hunderten ernsthaft verletzten Personen bei Gelbwesten-Demonstrationen 24 Menschen ein Auge durch Gummigeschosse und fünf eine Hand durch Tränengasgranaten verloren. 

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