Europa

"Seenotrettung" und humanitäre Fassade: Die deutsche Kritik an Italien ist scheinheilig

Deutsche Politiker haben Italien nach der Festnahme der Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete als inhuman kritisiert. Auch Deutschland trägt die EU-Linie im Außengrenzschutz mit. Die Bundesregierung ließ die Italiener in der Flüchtlingspolitik wiederholt im Stich.
"Seenotrettung" und humanitäre Fassade: Die deutsche Kritik an Italien ist scheinheilig© Twitter / Frontex

von Andreas Richter

Deutsche Politiker und Medien haben Italien scharf für die Festnahme der Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete und generell für seine restriktive Flüchtlingspolitik kritisiert. Unter den Kritikern waren auch aktuelle und ehemalige Regierungsmitglieder wie Heiko Maas, Gerd Müller und Frank-Walter Steinmeier.

Der Tonfall ihrer Wortmeldungen lässt sich als hochtrabend-moralisch charakterisieren, ihre Aussagen sind mit einem Satz zusammenzufassen:

Wer Menschenleben rettet, ist kein Verbrecher! 

Das Problem dabei: Diese Worte sind Teil der humanitären Fassade, in ihrer praktischen Politik bemüht sich die deutsche Regierung ebenso wie die italienische, die Bootsflüchtlinge fernzuhalten. Die Aufgabe der EU-Grenzschutzagentur Frontex besteht darin, die Außengrenzen zu sichern und Flüchtlinge aufzuhalten.

Unter den EU-Regierungen herrscht weitgehend Konsens, dass die Seeroute über das Mittelmeer geschlossen werden muss. Die Bundesregierung unterstützt mit der EU offiziell den italienischen Ansatz, dass die libysche Küstenwache die Migranten abfangen und zurück nach Libyen bringen soll.

Die EU-Grenzschutzmissionen Triton und Sophia scheiterten unter anderem daran, dass die geretteten und nach Sizilien gebrachten Migranten nicht wie eigentlich vorgesehen auf die EU-Staaten verteilt wurden, sondern die Italiener gemäß dem Dublin-Abkommen mit dem Problem alleingelassen wurden.

Die italienische Vorgängeroperation Mare Nostrum, eine reine Seenotrettungsoperation, war Ende 2014 auch auf Drängen der schon damals von Union und SPD gestellten Bundesregierung eingestellt und von Triton abgelöst worden. Der damalige Innenminister Thomas de Maizière hatte Mare Nostrum mit den Worten kritisiert:

Mare Nostrum war als Nothilfe gedacht und hat sich als Brücke nach Europa erwiesen.

Wenn die deutschen Politiker ihre Worte ernst meinten, könnten sie die Aufnahme der geretteten Flüchtlinge anbieten, die deutsche Bundesmarine zur Seenotrettung ins Mittelmeer schicken oder gleich eine Luftbrücke nach Libyen einrichten. Solange sie das nicht tun, und es gibt gute Gründe, es nicht zu tun, sollten sie ihre Rhetorik gegenüber Italien mäßigen.

Es gibt für das Flüchtlingsproblem auf dem Mittelmeer keine gute Lösung. Die am wenigsten schlechte besteht darin, ein Erreichen der EU durch konsequentes Abfangen der Boote und ggf. Rückführung praktisch aussichtslos zu machen.

Die Politik der heutigen italienischen Regierung kommt diesen Ansatz nahe und könnte damit letztlich humaner sein als die private "Seenotrettung", die neben der eigentlichen Rettung der Migranten auch ihren Transfer in die EU zum Ziel hat und so immer neue Flüchtlinge anzieht. Die sinkenden Opferzahlen im Mittelmeer deuten wenigstens darauf hin.

Migration per se für etwas Erstrebenswertes zu halten und sie möglichst vielen zu ermöglichen, löst keine Probleme, weder in den Herkunfts- noch in den Gastländern. Wirklich humanitäres Engagement sollte darauf abzielen, einem jeden in seinem Land ein würdiges Leben zu ermöglichen, in Frieden und ohne Not.

Bei allem Reden der EU über die Bekämpfung von Flüchtlingsursachen – verbessert hat sich in dieser Hinsicht nicht nur in Afrika in den letzten Jahren wenig bis nichts. Dabei könnte die EU, wenn sie denn wollte, hier mit einer anderen Außen- und Außenwirtschaftspolitik einiges bewegen.

Man sollte dabei in Erinnerung behalten, dass die Flüchtlingsboote auf dem Mittelmeer auch eine Folge des fatalen Libyen-Kriegs des Westens im Jahr 2011 sind. Dieser wurde seinerzeit ebenfalls mit humanitären Motiven begründet, übrigens zum Teil genau von den Leuten, die heute die privaten "Seenotretter" feiern.

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