Nach der Wahl: Deutschlands Stellung in der EU ist geschwächt

Das Gewicht von Union und SPD im EU-Parlament nimmt ab; der deutsche Einfluss in der EU sinkt. Berlin wird es künftig schwerer fallen, seine Politik in Brüssel und Straßburg durchzusetzen. Eine Forcierung des "Klimaschutzes" könnte zu neuen Verwerfungen führen.

Die Stellung Deutschlands in der Europäischen Union erscheint nach den Wahlen zum EU-Parlament deutlich geschwächt. Die deutlichen Verluste für SPD und Union haben zur Folge, dass der Einfluss der Deutschen in den bisher maßgeblichen Fraktionen der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten bzw. der EVP künftig deutlich geringer ausfallen wird.

Hinzu kommt, dass EVP und Sozialdemokraten zusammen über keine Mehrheit mehr im EU-Parlament verfügen. Dies wird eine Zusammenarbeit mit Liberalen und Grünen erforderlich machen, ein Durchdrücken von vorher im – oft durch Deutschland dominierten – Rat getroffenen Absprachen wird damit komplizierter. 

Konkret heißt dies, dass der deutsche EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber, obwohl formell Wahlsieger, sehr wahrscheinlich nicht Präsident der EU-Kommission wird. Auch deutsche Pläne zur "Europäisierung" der Flüchtlingspolitik werden eher noch schwerer durchzusetzen sein als bisher.

Gleiches gilt für die Themen Haushalt und Euro. Die Bundesrepublik könnte sich in Brüssel zunehmend Forderungen ausgesetzt sehen, deren Erfüllung deutschen Wählern nach der Rhetorik der vergangenen Jahre nur schwer zu vermitteln wäre. 

Interessant wird es beim Thema "Klimaschutz". Zwar hat sich Frankreich unter Emmanuel Macron hier zuletzt als Vorreiter zu profilieren versucht, auch und gerade gegen die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Allerdings wird ihm diese Rolle durch den Umstand erleichtert, dass Frankreich seinen Strom immer noch hauptsächlich CO2-neutral in Kernkraftwerken erzeugt.

Dass der "Klimaschutz" das bestimmende Thema bei diesen Wahlen gewesen sei, wie es nun in Union und SPD zu hören ist, stimmt bestenfalls nur zum Teil. Für die gesamte EU gilt das mit Sicherheit nicht. Die Grünen haben zwar in Frankreich gut abgeschnitten, wo sie mit 13,5 Prozent drittstärkste Kraft wurden, spielen sonst aber EU-weit kaum eine Rolle. In Schweden, dem Heimatland der "Klimaschutz"-Ikone Greta Thunberg, verloren sie sogar deutlich.

Genau genommen gilt die Dominanz des Klima-Themas nicht einmal für ganz Deutschland. Für Westdeutschland, wo die Grünen in Großstädten stärkste Kraft wurden, mag sie zutreffen. Das Wahlverhalten der Ostdeutschen allerdings entspricht bei genauer Betrachtung eher dem der Franzosen und Italiener; hier waren handfestere Themen bestimmend.

Sollten sich Union und SPD vor diesem Hintergrund dazu entschließen, das Klima-Thema stärker zu forcieren, könnte das zu neuen Differenzen innerhalb der EU führen – und innerhalb Deutschlands. Wenn die Parteien der "Großen Koalition" tatsächlich verstärkt auf die "grüne Karte" setzen, könnten sie bei den anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen die nächste böse Überraschung erleben. 

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