Ist Russland Aggressor oder nicht? Wie ein OSZE-Vertreter keine Steilvorlage für Westmedien liefert
Nach dem Streit um seine widersprüchlichen Angaben gegenüber Westmedien zum angeblichen oder tatsächlichen russischen militärischen Engagement im Donbass-Konflikt müsse Alexander Hug nun endlich einen Punkt setzen. Hält er Russland in der Ukraine für einen Aggressor oder nicht – Ja oder Nein? Das wollte ein ukrainischer Journalist des Senders "1+1" von Hug in einem Fernsehinterview am 4. November wissen.
Upon leaving his position as @OSCE_SMM deputy, Alexander Hug has delivered a kick in the balls to all Ukrainians and members of Armed Forces of Ukraine, just so he can write a f'cking book about "neutrality"! 😡 Handing a 'victory' to Russian propaganda eg https://t.co/91el9Pyxw6
— GorseFires Collectif (@GorseFires) 5. November 2018
Nein. Aber ich denke, dass Russland ebenso wie die Ukraine und einige Kräfte in den Gebieten Donezk und Lugansk (laut ukrainischem Recht die Bezeichnung für Volksrepubliken Donezk und Lugansk - Anm. der Redaktion) erkannt haben, dass es dort ein großes Problem gibt, das gelöst werden muss. Und dass sie alle die Verantwortung dafür tragen", sagte Hug.
Der Journalist wollte nicht nachgeben und fragte, ob Hug nicht als Bürger eines demokratischen Landes den Wunsch verspüre, den Angreifer eines Tages einen Angreifer zu nennen. Der OSZE-Beobachter entgegnete daraufhin, seine Überlegungen zu diesem Konflikt würden er irgendwann zusammenfassen, aber es würde ein sehr, sehr dickes Buch werden. Und die Lage im Donbass könne erst dann geregelt werden, wenn jeder eine Lösung finden wolle, anstatt andere zu beschuldigen, fügte der Diplomat hinzu.
Aus Sicht der Offiziellen in der Ukraine ist seine Weigerung festzustellen, Russland sei ein Aggressor, ein riesiger Skandal. Viele ukrainische Politiker protestierten, die Medien unterstellten, dass Alexander Hug einfach Russland als einen Mitbegründer der OSZE nicht verärgern wolle. Seit das ukrainische Parlament Russland in einer Erklärung im Januar 2015 als "Aggressor" bezeichnete, wurde dieser Begriff zum obligatorischen Sprachgebrauch in der politischen Öffentlichkeit gezählt. Das russische Außenministerium wies diese Vorwürfe stets als "unbewiesene Verleumdung" zurück und weist auf den innerukrainischen Charakter des Konflikts hin.
Der jüngste Streit um die Äußerungen von Hug begann am 25. Oktober, als er in einem Gespräch mit dem einflussreichen US-Medium Foreign Policy gesagt hat, die OSZE-Beobachtermission hätte keine direkten Beweise der Teilnahme russischer Militärs im Donbass-Konflikt gesehen. Diese Äußerung hat das US-Journal später wieder entfernt, und zwar mit dem Hinweis, sie hätten seine wahre Meinung nicht richtig widerspiegelt. Im Interview berichtete Hug über einige Fälle nächtlicher Konvois mehrerer Militärlastwagen, die über Feldwege nachts die Grenze zu Russland passierten, sowie die Behauptungen einiger Russen im Gespräch mit der OSZE, sie seien Angehörige der russischen Streitkräfte.
Alexander Hug,deputy head of the OSCE’s mission in Ukraine,gave an interview to FP. He said"If the question is what we have seen on the ground, we would not see direct evidence [of Russian involvement]. "https://t.co/M17v1IzJbTFP CUT this statement OUThttps://t.co/8ujjZsU9f4pic.twitter.com/79C1s1yUog
— Elena Evdokimova (@elenaevdokimov7) 26. Oktober 2018
Wir haben bestimmte Arten von Waffen gesehen, die wir ausführlich beschrieben haben, einschließlich elektronischer Kampfmittel. Wir haben mit Gefangenen gesprochen, die von den ukrainischen Streitkräften gefangen genommen wurden, die behaupten, Angehörige der russischen Streitkräfte zu sein, die im Rotationsprinzip in der Ukraine kämpfen. Wir haben zwar Männer mit Erkennungszeichen der Russischen Föderation gesehen, aber solche Sachen können Sie überall kaufen, auch von den Uniformen Deutschlands, Spaniens und anderer Länder, also warum nicht russische.", sagte Hug dem US-Medium.
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Im Gespräch mit dem ukrainischen Sender zwei Wochen später wurde er präziser und sagte, seine Mission hätte in den nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierbaren Gebieten "mit Personen geredet, die von ihrer Zugehörigkeit zu russischen Militäreinheiten gesprochen haben, darunter auch zur 16. Luftlandebrigade."
Diese Behauptung stammt aus einem Bericht einer Beobachtermission im August dieses Jahres. Das russische Verteidigungsministerium hatte in einer Stellungnahme am 4. August darauf hingewiesen, dass es in den russischen Streikräften keine derartige Brigade gäbe:
Bei den Luftlandetruppen gibt es keine Brigade mit dieser Bezeichnung“, sagte ein Sprecher der Behörde gegenüber Journalisten.
Zu den russischen Luftlandetruppen gehörten, laut seinen Angaben, die 31., die 56., die 11. und die 82. Luftsturmbrigaden. Die russischen Behörden zweifelten auch früher bereits am Wahrheitsgehalt der OSZE-Angaben über die Anwesenheit russischer Militärangehöriger in der Konfliktzone. Bei den Vorwürfen gehe es "jedes Mal um nichts Konkretes" sagte der Kreml-Pressesprecher Dmitri Peskow in seinem Kommentar am 4. August.
Die Behauptung, Russland führe in der Ostukraine einen Krieg gegen die Ukraine, ist zum festen Bestandteil der Propaganda im Westen geworden. Dennoch: die Faktenbasis dafür bleibt nach wie vor dünn. Deswegen sind die Versuche nur allzu verständlich, Aussagen der OSZE-Vertreter in die eine oder andere Richtung zu deuten. Auch DW wollte es in einem Interview vom 31.Oktober wissen: Es sei für viele die wichtigste Frage, ob das russische Militär im Donbass aktiv ist oder nicht.
Alexander Hug sagte, nachdem er die oben genannten Erkenntnisse aufgezählt hatte, dass dies allerdings nur einzelne "Fakten", aber noch keine Beweise seien. Die Teilnehmer an dem Konflikt, die unsere Berichte erhalten, könnten aufgrund dieser Berichte reagieren, das heißt, sie können die Situation verbessern oder - was leider öfter der Fall sei - auch ignorieren. Aus diesen einzelnen Fakten könnten aber auch umfassende Beweise entstehen, schlussfolgerte Hug.
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Alexander Hug war seit 2014 bis zum 31. Oktober 2018 Stellvertretender Leiter der OSZE-Sonderbeobachtermission in der Ostukraine. Vor seiner Ernennung war er Sektionschef beim Hochkommissar für Nationale Minderheiten bei der OSZE und diente als Offizier in der Schweizerischen Armee.
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