Wahlen in Bosnien-Herzegowina: Gelähmter Staat kämpft mit Armut und Abwanderung
Drei Völker, zwei Entitäten mit jeweils eigenem Präsidenten und Parlamenten, zudem zehn ebenfalls sehr autonome Kantone in der einen, muslimisch-katholischen, Landeshälfte, dazu noch das Staatspräsidium für den Gesamtstaat, das aus jeweils einem Vertreter der drei Völker bestehen muss: Das politische System Bosnien-Herzegowinas ist eines der komplexesten in der Welt. Die drei Völker – Bosniaken, Serben und Kroaten – sind zudem seit dem Bürgerkrieg (1992-1995) mit über 100.000 Toten und mehr als zwei Millionen Flüchtlingen durch den stark ausgeprägten Nationalismus immer noch tief gespalten.
Nationalistische Parteien und keine Erwartungen vonseiten der Bürger
Die gewählten Politiker der letzten Jahrzehnte kamen ebenfalls aus dem nationalistischen Spektrum. Nun wird in dem kleinen Westbalkanstaat (3,5 Millionen Einwohner) am kommenden Sonntag gewählt. Es finden Parlaments- und Präsidentenwahlen statt. Die meisten Kandidaten sind seit dem Ende des Krieges auf der Politbühne aktiv. Die Sätze, die in den Straßenumfragen zahlreicher Medien bei der Frage nach Erwartungen am häufigsten fallen, sind:
Ich erwarte keine großen Veränderungen. Es werden die gleichen nationalistischen Parteien gewählt. Die nationalistische Rhetorik ist so stark wie seit Jahren nicht. Die meisten Politiker arbeiten eh für sich und denken nur kurz vor den Wahlen an das Volk.
Die politischen Eliten sind vielmehr daran interessiert, den Status quo zu erhalten. In den Augen vieler gilt Bosnien-Herzegowina deshalb durch diesen jahrzehntelangen Dauerstreit der drei Völker als gescheitert. Im Land leben nach offiziellen Angaben 50 Prozent Bosniaken, 31 Prozent Serben und 15 Prozent Kroaten. Der Rest der Bevölkerung gehört einer der 17 offiziell anerkannten Minderheiten wie den Roma an. In einer Landeshälfte – der Föderation Bosnien und Herzegowina – leben 2,2 Millionen Einwohner, davon 70 Prozent Bosniaken, 22 Prozent Kroaten und drei Prozent Serben. In der anderen Entität, der Republika Srpska, sind von den 1,2 Millionen Einwohnern 82 Prozent Serben, 14 Prozent Bosniaken und zwei Prozent Kroaten.
Bosnien-Herzegowina ist eines der korruptesten Staaten auf dem Balkan
In den letzten mehr als 20 Jahren waren vor allem Vertreter der EU und der USA in dem Westbalkanstaat aktiv gewesen. Westliche Diplomaten mischten sich oft in die Politik des Landes ein. In den letzten Jahren ist aber auch der Einfluss Russlands und der Türkei sehr stark geworden. Schätzungen zufolge sollen seit dem Ende des Krieges rund fünf Milliarden Dollar in das Land geflossen sein.
Der Aufbau begann 1995 euphorisch, heute ist aber von der anfänglichen Begeisterung wenig übrig. Bosnien-Herzegowina ist einer der korruptesten Staaten auf dem Balkan, die Arbeitslosenquote betrug im vergangenen Jahr 21 Prozent, bei Menschen unter 25 Jahren sogar über 43 Prozent. Das monatliche Durchschnittseinkommen liegt derzeit bei rund 300 Euro.
Bosnien-Herzegowina könnte deshalb noch mal ein Brennpunkt auf dem Westbalkan werden. Denn Fortschritte auf dem Weg Richtung EU, den das Land offiziell anstrebt, sind nicht erkennbar. Bei der Frage nach dem NATO-Beitritt liegen die Völker weit auseinander. Während bei den Kroaten und Bosniaken den letzten Umfragen zufolge rund 70 Prozent dafür wären, sind es bei den Serben lediglich rund 13 Prozent. Die drei Seiten arbeiten in wichtigen Fragen mehr oder weniger gegeneinander.
Seit Jahren antworten die frustrierten Bürger auf ihre Weise auf diese politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Misere: Nur die Hälfte der Wahlberechtigten nahm in den letzten Jahren an den Wahlen teil und gab ihre Stimme ab. Stattdessen verlassen jährlich Zehntausende ihre Heimat – vor allem in Richtung Deutschland, Österreich und die Niederlande. Allein 2017 verlor das Land durch die Abwanderung zwei Prozent seiner Arbeitskraft.
Mehr zum Thema - Interview: Alexander Neu über Lösung im Kosovo-Konflikt: "Berlins Argument ist verlogen"
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.