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Russische Enthüllungen zum MH17-Absturz bringen Kiew in Erklärungsnot

Am Montag gab das russische Verteidigungsministerium seine neusten Erkenntnisse zum Absturz von Flug MH17 bekannt. Demnach wurde die Maschine von einer Rakete abgeschossen, die sich im Arsenal der ukrainischen Streitkräfte befand. Kiew spricht von einer Lüge.
Russische Enthüllungen zum MH17-Absturz bringen Kiew in ErklärungsnotQuelle: Reuters © Reuters

Die neusten Enthüllungen Moskaus zum Absturz von Flug MH17 belasten die ukrainische Regierung und bringen auch das mit der Untersuchung betraute internationale Ermittlerteam JIT (Joint Investigation Team) in Erklärungsnöte. Die Maschine der Malaysia Airlines befand sich auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur, als sie am 17. Juli 2014 über der Ostukraine abstürzte. Alle 298 Menschen an Bord wurden getötet. Westliche Regierungen machen Russland für den Absturz verantwortlich. Moskau weist diese Vorwürfe zurück.

Im Mai hatte das von den Niederlanden geleitete JIT nach dreijähriger Untersuchung in einem überraschenden Schritt bis dato unbekannte Bilder der Überreste der Rakete veröffentlicht, mit der die Boeing-Passagiermaschine abgeschossen worden sein soll.

"Das Flugabwehrsystem vom Typ Buk gehörte zu Beständen der 53. Flugabwehr-Brigade der Russischen Föderation, stationiert in Kursk", sagte der niederländische Chefermittler Wilbur Paulissen. Das russische Militär habe das Raketensystem heimlich über die Grenze gebracht und im umkämpften Donbass in der Ostukraine stationiert. Das JIT verlangte von Moskau unter anderen, den Seriennummern auf den Überresten der Buk-Rakte nachzugehen.

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Dem JIT gehören neben den Niederlanden Ermittler aus Malaysia, Australien, Belgien und der Ukraine an. Russland hatte nur eingeschränkten Zugang zu der Untersuchung. Die malaysischen Experten teilen allerdings nicht die Schlussfolgerung des Chefermittlers. So sagte Malaysias Verkehrsminister Anthony Loke nach der JIT-Stellungnahme im Mai:

Es gibt im Rahmen der Untersuchung des JIT keine schlüssigen Beweise, die auf Russland hinweisen.

Moskau: Laut Seriennummern-Analyse war Rakete im Besitz der Ukraine

Am Montag präsentierte das russische Verteidigungsministerium seine neuesten Erkenntnisse zu dem Vorfall in einer Video-Präsentation. Es hatte - wie im Mai vom JIT "erbeten" - die von den Niederländern angegebenen Seriennummern, die sich auf der Düse und dem Antrieb der Rakete befinden, zurückverfolgt. Demnach stammen sie von einer Rakete, die die Seriennummer 8868720 trage und für das einst in der Sowjetunion entwickelte Buk-Flugabwehrraketensystem produziert wurde. Das habe eine Auswertung von Militär-Dokumenten ergeben, von denen einige für die Präsentation des Ministeriums freigegeben wurden.

Laut den archivierten Produktions-Protokollen des Herstellers in Dolgoprudny bei Moskau wurde die Buk-Rakete im Jahr 1986 produziert. Demzufolge wurde sie dann am 29. Dezember 1986 an die Militäreinheit 20152 in der heutigen Ukraine geliefert. Diese Einheit wurde inzwischen in das 223. Flugabwehr-Regiment der ukrainischen Streitkräfte umbenannt und habe an der Niederschlagung des Aufstands in der Ostukraine teilgenommen, so General Igor Konaschenkow, der die Präsentation leitete.

Die Beweise widerlegten die Anschuldigungen der Ukraine und ihrer westlichen Partner, wonach für den Absturz von Flug MH-17 eine Rakete verantwortlich sein soll, die heimlich aus Russland über die Grenze in die Ostukraine gebracht worden sei. Man werde das entsprechende Beweismaterial an die JIT-Ermittler übergeben, kündigte der General an.

Geteiltes Echo auf russische Enthüllungen

Das JIT nahm die Enthüllungen des russischen Verteidigungsministeriums in einer am Montag veröffentlichten Stellungnahme mit deutlicher Skepsis "zur Kenntnis". Schließlich sei es in der Vergangenheit bereits vorgekommen, dass Informationen des russischen Militärs nicht korrekt gewesen seien. Das JIT werde aber "die heute vorgelegten Materialien sorgfältig prüfen, sobald die Russische Föderation die entsprechenden Dokumente zur Verfügung stellt", kündigten die Ermittler an.

Die Reaktionen aus Kiew fielen kaum überraschender aus. Anstatt den russischen Angaben nachgehen zu wollen und diese zu verifizieren, spricht man dort vornherein von einer Fälschung. Der Chef des Nationalen Rates für Sicherheit und Verteidigung Alexander Turtschinow bezeichnete die Angaben des russischen Verteidigungsministeriums als eine "gescheiterte Lüge" des Kreml und einen Versuch, ein eigenes Verbrechen zu vertuschen. Der ukrainische Verteidigungsminister Stepan Poltorak sprach von einer „absoluten Lüge“. 

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Moskau besitze starke Argumente, sagte hingegen der russische Militärexperte Alexej Leonkow, Geschäftsführer der Zeitschrift „Arsenal des Heimatlandes“, gegenüber RT. Militärgeräte mit Seriennummern zu markieren sei übliche Praxis in den Armeen der ganzen Welt und helfe bei der Aufklärung solcher Vorfälle. Das Verteidigungsministerium habe mit der Veröffentlichung streng geheimer Akten, die normalerweise erst in einigen Jahrzehnten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würden, einen einmaligen Schritt ohne vergleichbaren Präzedenzfall gewagt. Jetzt könnten sich Journalisten ebenso wie die Vertreter des JIT mit ihnen vertraut machen und die russischen Angaben überprüfen.

Leonkow zufolge sei das JIT Opfer eigenen Unwissens über die Besonderheiten der russischen und sowjetischen Militärausrüstung geworden. So hätten die Ermittler die Kennzeichnung des Herstellerwerkes mit der Hecknummer der Rakete verwechselt. Der Experte glaubt, dass Moskau noch weiteres Material in der Hinterhand hat, das seine Unschuld belegen wird.

Auch der niederländische Journalist Max van der Werff, der sich seit Jahren intensiv mit dem Fall beschäftigt, ist davon überzeugt, dass die russische Seite noch weitere Trümpfe in der Auseinandersetzung mit dem JIT im Ärmel hat. Dem Ermittlerteam JIT blieben jetzt nur drei Optionen übrig, so van der Werff. Entweder gestehe es ein, dass eine ukrainische Buk-Rakete für den Absturz verantwortlich war, was der Journalist aber für äußerst unwahrscheinlich hält. Oder das JIT rücke von seiner Position ab, wonach es sich bei der von ihr im Mai präsentierten Rakete um die Tatwaffe handele. Am wahrscheinlichsten sei jedoch die dritte Option: Das Ignorieren der russischen Angaben und die Suche nach irgendeiner "lahmen Ausrede".

"Wir werden eine weitere malaysische Boeing runterholen"

Das russische Verteidigungsministerium präsentierte - neben den Dokumenten zum Verbleib der Buk-Rakete - in der gleichen Präsentation zudem Aufzeichnungen der abgefangenen Kommunikation ukrainischer Bediensteter, die im Jahr 2016 das Risiko diskutierten, durch den gesperrten Luftraum über der Ostukraine zu fliegen. In diesem Zusammenhang habe der Oberst Ruslan Grinchak den Satz fallen lassen: "Wenn das so weitergeht, dann werden wir noch eine andere malaysische Boeing runterholen ("we'll fucking up another Malaysian Boeing") und alles wird wieder gut sein."

Dieser Oberst soll für die Radarkontrolle des ukrainischen Luftraums arbeiten. Seine Einheit habe den Flug von MH-17 verfolgt, so General Konaschenkow. Er führte dazu aus:

Es ist erwähnenswert, dass Grinchak im Juli 2014 der Kommandant der 164. Technischen Funkbrigade Nr. A1451 der ukrainischen Luftwaffe war. Mit anderen Worten, Grinchak wusste genau, was im Luftraum über dem Donbass geschah, weil es sein Job war.

Grinchaks Aussage deute darauf hin, dass er möglicherweise Informationen über die Katastrophe besitzt, die nicht öffentlich bekannt sind, so der General.

Laut Charles Shoebridge sind solche Audioaufnahmen aber nur schwer zu verifizieren. Gegenüber RT sagte der ehemalige britische Militäroffizier, dass eine Überprüfung solcher Audioaufnahmen viel schwieriger sei als beispielsweise die Verifikation von solchen Radarüberwachungsaufzeichnungen, "die von Dritten bestätigt werden können - zum Beispiel anhand der Aufzeichnungen der Flugverkehrskontrolle". Im Grunde müsse man sich bei solchen Audiomitschnitten auf die Aussage des Geheimdienstes verlassen, der diese angefertigt hat. Die Seriennummern stellten dagegen einen "viel wichtigeren Beweis" dar, so Shoebridge. 

Die Ukraine habe es allerdings versäumt, den niederländischen Ermittlern Radaraufzeichnungen von ihren Stationen zu liefern, kritisierte General Konaschenkow. Er schlug vor, dass Kiew die Archivdokumente der ukrainischen Einheit, die 1986 in den Besitz der Buk-Rakete gelangt war, den Ermittlern zur Verfügung stellt. Es gebe Regeln, wonach solche Dokumente aufbewahrt werden müssten, betonte Konaschenkow für den Fall, dass Kiew behauptet, diese nicht zu besitzen. Weiter sagte er:

Die Ukraine hat keine Informationen über die Positionen ihrer Buk-Einheiten am Tag des Absturzes bekanntgegeben. Sie hat weder auf Fragen zur erhöhten Aktivität ihrer Kupol-Radarstationen geantwortet noch die Aufzeichnungen der Gespräche ihrer Fluglotsen veröffentlicht. Dies beweist eindeutig, dass die Ukraine ihre Position als JIT-Mitglied missbraucht, um die Untersuchung zu manipulieren. Warum das internationale Ermittlungsteam das toleriert, ist eine andere Frage.

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