Gesunde Ernährung Fehlanzeige: Für Vier Millionen Kinder in Großbritannien zu teuer
Die Studie, die durch die Organisation "Food Foundation" durchgeführt wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass die stetig abnehmende Kaufkraft von Familien mit ohnehin schon niedrigem Einkommen diese einem wachsenden Risiko von ernährungsbedingten Krankheiten wie Adipositas und Diabetes aussetzt. Zudem vergrößerten sich die gesundheitlichen Ungleichheiten in der gesamten Gesellschaft weiter. Das ärmste Fünftel der Familien müsste nach der Studie mehr als 40 Prozent ihres gesamten Einkommens - nach Kosten für die Unterkunft - für Lebensmittel ausgeben, um den Anforderungen im sogenannten "Leitfaden für gutes Essen" der britischen Regierung gerecht zu werden. Der "Eatwell-Guide" wurde 2016 von der Regierung veröffentlicht und gilt seitdem als Referenz für gesunde Ernährung.
Die Verfasser der Studie fordern die Regierung auf, die Sozialleistungen zu erhöhen und dafür zu sorgen, dass gesunde Lebensmittel für Haushalte mit niedrigem Einkommen breiter verfügbar und erschwinglich gemacht werden, zum Beispiel durch Mutterschafts-Gutscheine und universell freie Schulmahlzeiten. "Die Erhebung zu den Haushaltseinkommen durch die Regierung zeigt, dass es sich Millionen von Familien in Großbritannien nicht leisten können, im Einklang mit der eigenen Ernährungsempfehlung der Regierung zu leben", sagte Anna Taylor, die Exekutivdirektorin der Food Foundation.
"Es ist von entscheidender Bedeutung, dass koordinierte, regierungsübergreifende Bemühungen eine Politik entwickeln, die die Kosten für die empfohlene Ernährung abdeckt und ein Nahrungsmittelsystem schafft, das die Menschen mit niedrigem Einkommen nicht dem Risiko einer ernährungsbedingten Erkrankung aussetzt", so Taylor weiter. Der "Eatwell-Leitfaden" definiert die empfohlenen Anteile der Ernährung in fünf Kategorien: Obst und Gemüse, Kohlenhydrate wie Kartoffeln, Reis und Nudeln, Proteine wie Bohnen, Fisch, Eier und Fleisch, sowie Milchprodukte sowie Öle und Brotaufstriche.
Die Food Foundation erklärte, dass ihre Studie die erste Untersuchung darüber ist, inwieweit es sich britische Haushalte leisten können, die Richtlinien zu befolgen. Auf der Grundlage offizieller Kostenschätzungen berechnete die Organisation, dass eine Familie mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern im Alter von 10 und 15 Jahren rund 103,17 Britische Pfund (ungefähr 115 Euro) pro Woche für das Essen ausgeben müsste.
Die offiziellen Kosten für einen Erwachsenen zur Einhaltung der "Eatwell-Richtlinien" betragen 41,93 Britische Pfund (rund 46 Euro) pro Woche. Ein Haushalt mit zwei Erwachsenen müsste 68,74 Britische Pfund (circa 77 Euro) pro Woche ausgeben, rechnet die Studie vor. Eine Familie mit zwei Erwachsenen und drei Kindern im Alter von zwei, fünf und acht Jahren bräuchte ein wöchentliches Nahrungsbudget von 111,35 Britischen Pfund (ungefähr 124 Euro).
Die Studie geht davon aus, dass 47 Prozent aller Haushalte im Vereinigten Königreich mit Kindern nicht genug für Lebensmittel ausgeben können, um die "Eatwell-Kostenziele" zu erfüllen. Bei alleinerziehenden Familien steigt der Anteil auf 60 Prozent. Lediglich 20 Prozent der Haushalte, in denen der Hauptverdiener arbeitslos ist, geben den empfohlenen Betrag aus, so schätzt die Studie.
Die Kosten für eine gesunde Ernährung sinken überproportional in der ärmeren Bevölkerungshälfte, für die eine gesunde, ausgewogene Ernährung im Durchschnitt fast ein Drittel des verfügbaren Einkommens erfordern würde. Im Vergleich dazu reichen durchschnittlich 12 Prozent des verfügbaren Einkommens für die gesunde Ernährung der wohlhabenderen Hälfte der Haushalte.
Obwohl die Organisation in ihrer Studie auch Haushalte ohne Kochkenntnisse oder Zugang zu frischen Produkten berücksichtigt hat, geht sie davon aus, dass Geldmangel der Hauptfaktor für eine ungesunde Ernährung ist. "Die meisten Menschen wissen, was sie für eine gesunde Ernährung zu tun hätten, aber sie tun es nicht, weil die gesunden Optionen nicht die billigsten sind", sagte ein Pressesprecher von "Food Foundation".
Ein von der Labour-Abgeordneten Emma Lewell-Buck ausgearbeitetes parlamentarisches Gesetz, in dem die Regierung aufgefordert wird, die Ernährungsunsicherheit zu messen, wird im Oktober in die zweite Lesung gehen. In Großbritannien sank von 2002 bis 2016 das Einkommen in armen Haushalten um 7,1 Prozent, während die Lebensmittelpreise um 7,7 Prozent stiegen.
Im vergangenen Jahr ergab eine Umfrage der Food Standards Agency, dass vier Millionen Erwachsene im Vereinigten Königreich angaben, eine niedrige oder sehr niedrige Ernährungssicherheit zu haben, was bedeutet, dass sie sich die gesunde Ernährung nur schwer leisten konnten und infolgedessen entweder auf Mahlzeiten verzichteten oder die Qualität ihrer Ernährung beeinträchtigt war.
Die Great British Class Survey, eine von der BBC veröffentlichte Studie der Wissenschaftler Mike Savage von der London School of Economics und Fiona Devine von der University of Manchester im Jahre 2013 kam zu dem Ergebnis, dass die britische Gesellschaft in sieben Klassen zerfällt. Je nach ökonomischem, kulturellem und sozialem Kapital identifizierten die Wissenschaftler folgende Klassen: Elite, etablierte und technische Mittelklasse, neu-wohlhabende Arbeiter, traditionelle Arbeiterklasse, junge Dienstleistungsarbeiter und Prekariat.
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Die Verfasser der BBC-Studie ordnen fast die Hälfte der Bevölkerung in die drei untersten Klassen ein, allein 15 Prozent zählen sie zum Prekariat. Diese Menschen haben ein durchschnittliches Jahreseinkommen von nur 8.000 Britischen Pfund (ungefähr 8.900 Euro). Nachdem es zu dem Inferno eines Hochausbrandes im sogenannten "Grenfell Tower" mit 72 Toten kam, sprach die Labour-Abgeordnete Emma Dent Coad - sie stammt aus dem Kensington Bezirk, in dem der "Grenfell Tower" steht - im Parlament über die Verhältnisse dort: Fünf Kinder, die sich eine Matratze teilen, Mangelernährung, giftige Schimmelbildung, chronische Krankheiten, all das habe sie zwischen Royal Albert Hall und Naturkundemuseum gesehen.
Viele setzen in ihrer Hoffnungen auf Jeremy Corbyn, der seit 2015 Labour-Parteichef ist. Corbyn will das etablierte Klassensystem verändern. Der Oppositionsführer hat ein linkes Gegenprogramm zur immer noch nachwirkenden neoliberalen Blair-Ära aufgelegt, das vor allem in der Parteibasis gut ankommt. Doch auch bei den Wählern allgemein bekommt sein Programm für Bildung, Gesundheit und Sozialstaat immer größeren Zuspruch. Viele Corbyn-Wähler sind jung und Teil einer ethnischen Minderheit. Sie gehören demnach genau zu den Klassen, die von der britischen Politik der vergangenen Jahrzehnte besonders benachteiligt wurden.
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