EU machtlos? Bulgarien will eigene Pipeline bauen und an Russlands Turkish Stream anbinden
von Ali Özkök
Angebote für die neue elf Kilometer lange Pipeline, die eine Verbindung von der türkischen Grenze zum bulgarischen Transitleitungsnetz herstellen soll, werden bis zum 26. Juli angenommen. Der Vertrag wird jedoch erst nach einer endgültigen Investitionsentscheidung für den Bau des Onshore-Teils der Turkish-Stream-Pipeline in der Türkei und der endgültigen schriftlichen Bestätigung, dass die Pipeline mit dem bulgarischen Gasnetz verbunden sein wird, gültig, erklärte Bulgartransgaz.
Turkish Stream ist Teil der Pläne Russlands, die Ukraine, die derzeit die wichtigste Transitroute für russisches Gas nach Europa ist, zu umgehen. Die Umgehung würde Moskau neben der Erschließung neuer Märkte auch erlauben, der Maidan-Regierung in Kiew, die einen Krieg mit der pro-russischen Bevölkerung in der Ostukraine führt, millionenschwere Finanzmittel aus dem Transit-Geschäft zu entziehen.
Die bulgarische Entscheidung beunruhigt Entscheidungsträger der EU in Brüssel, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Brüssel unterstützt als Gegenprojekt einen Plan zum Bau eines sogenannten Balkan-Gas-Drehkreuzes im bulgarischen Schwarzmeerhafen Varna. Die Union möchte sicherzustellen, dass jede weitere russische Gaslieferung, die in die EU kommt, mit Gas aus mindestens zwei anderen Quellen wie Aserbaidschan oder verflüssigtem Erdgas (LNG), das aus Griechenland geliefert werden soll, konkurrieren würde.
Obwohl Bulgarien eine Machbarkeitsstudie für den Balkan-Gas-Hub durchführt, die von Brüssel finanziert wurde und noch in diesem Jahr fällig ist, bereitet sich Sofia auch darauf vor, neues russisches Gas aufzunehmen, das über die Türkei in die Region kommt. Wie im Falle des South Stream-Projekts 2014 möchte die Balkan-Republik offenbar nicht noch einmal leer ausgehen.
Maros Sefcovic, Vizepräsident der Europäischen Kommission, warnte bereits, dass jede neue Pipeline-Infrastruktur in Bulgarien einer "sehr genauen" Prüfung unterzogen würde, um sicherzustellen, dass sie den EU-Vorschriften entspricht.
Der bulgarische Premierminister Boiko Borissow, der vor kurzem Russland und die Türkei besuchte, verkündete hingegen, der russische Präsident Wladimir Putin sei bereit, russisches Gas über Turkish Stream nach Bulgarien zu schicken, wenn auch ein Weg gefunden werden kann, Energie in das übrige Europa zu transportieren. Außerdem müsse die EU ihren Segen für dieses Unterfangen geben.
Zwei EU-Quellen sagten, wie von Reuters zitiert, Brüssel könne Bulgarien dieses Mal kaum daran hindern, ein neues Transitpipeline-Projekt durchzuführen, solange das Projekt den EU-Energiebinnenmarktvorschriften entspricht.
RT Deutsch sprach mit dem bulgarischen Journalisten Angel Petrov, der in Sofia ansässig ist und geopolitische Entwicklungen auf dem Balkan beobachtet. Petrov kommentierte:
Das geopolitische Spiel zwischen der EU und Russland ist im Moment unweigerlich kompliziert, und es funktioniert ein bisschen nach dem Sprichwort "wie du mir, so ich dir". Es ist eine schüchterne Zusammenarbeit, getarnt als Nullsummenspiel. Die EU mag Turkish Stream grundsätzlich zustimmen, hat Gazprom aber gezwungen, bilaterale Lieferverträge in Osteuropa zu überdenken."
Mit Blick auf die Beweggründe der Europäischen Union, seine Opposition gegen Turkish Stream zu reduzieren, ergänzte der Bulgarien-Experte auf Nachfrage von RT Deutsch:
Es ist ein Versuch, diejenigen zu besänftigen, die bereit sind, mit Russland zusammenzuarbeiten. Aus politischer Sicht ist dies eine neue Phase."
Der ehemalige Berater des russischen Energieministers von 2001 bis 2008, Alexey Turbin, erklärte RT Deutsch über die Aussichten der Ausweitung von Turkish Stream auf den Balkan, dass Moskau nach den gescheiterten Verhandlungen um South Stream hinzugelernt hat:
Bulgarien und Griechenland sind traditionell und historisch mit Russland verbunden. Aber ein Partner muss zuverlässig sein, und das war die Türkei. Es war kein Zufall, dass Russland das South-Stream-Projekt in Turkish Stream umgenannt hat. Aus der historischen Nähe, auch wenn es zu Unstimmigkeiten bei der bulgarischen Regierungen in der Vergangenheit gekommen ist, ist es für uns ein Plus und wir würden sagen, das ebenso Griechenland Teil des Projekts werden sollte."
"Wir glauben, dass die multidimensionale Welt, in der wir leben, von der Vielfalt der Erdgas-Lieferungen unterstrichen werden sollte", bemerkte der russische Wirtschaftsberater mit Blick auf die bislang anti-russische Haltung der EU bei Energiefragen, die Bulgarien in Verlegenheit bringen könnte.
Turkish Stream besteht aus zwei Strängen mit einer jährlichen Transportkapazität von jeweils 15,75 Milliarden Kubikmetern (bcm), die unter dem Schwarzen Meer in die Türkei führen werden. Die erste, bereits fertiggestellte Linie wird für den lokalen Konsum in der Türkei genutzt.
Der zweite Strang soll durch die Türkei nach Südost- und Mitteleuropa führen. Bulgarien hat angekündigt, dass es der Ausgangspunkt für die neue Pipeline nach Europa sein möchte. Die Regierung in Moskau ist noch uneins über die genaue Route von Turkish Stream gen Europa. Zur Auswahl steht neben Bulgarien ebenso eine Kooperation mit Griechenland.
Gazprom wird bis zum Jahresende entscheiden, ob Gas aus der Türkei über Griechenland und Italien oder Bulgarien nach Europa geschickt werden soll, heißt es von Insider-Quellen.
Derzeit liefert Gazprom etwa drei Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr, um den bulgarischen Inlandsbedarf über die Ukraine und Rumänien zu bedienen. Das Balkanland plant, seine Importkapazität von 14 Milliarden Kubikmeter auf 15,7 Milliarden Kubikmeter pro Jahr zu erweitern. Russlands Gazprom deckt rund 34 Prozent des europäischen Gasbedarfs ab.
Angesichts der Ukraine-Krise befürchtet Sofia, dass die Gaslieferungen über die Ukraine gekürzt werden könnten und dass es wegen der Spannungen jährlich etwa 100 Millionen Euro an Transitgebühren verlieren würde.
Neben der am vergangenen Mittwoch gestarteten Ausschreibung von über 29 Millionen US-Dollar für den Bau einer neuen elf Kilometer langen Verbindung zur Türkei hat Bulgarien diesen Monat auch eine neue Gasinfrastruktur an der Grenze fertiggestellt.
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