Europa

Italien will Ende der Russland-Sanktionen und droht EU mit Veto – NATO zeigt sich besorgt

Von den europäischen Medien weitgehend ignoriert, haben die Äußerungen von Italiens Innenminister Matteo Salvini von letzter Woche über die Russland-Sanktionen NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bereits alarmiert. Doch wie wahrscheinlich ist ein italienisches Veto?
Italien will Ende der Russland-Sanktionen und droht EU mit Veto – NATO zeigt sich besorgtQuelle: Reuters

von Daniele Pozzati

Die NATO mischt sich ein, während die EU schweigt. Wie souverän die neue italienische Regierung eigentlich ist, hat sich in weniger als zehn Tagen gezeigt. Am 23. Juni findet der nächste EU-Gipfel statt. Dieser entscheidet, ob die erstmals 2014 verhängten Sanktionen gegen Russland um ein weiteres halbes Jahr verlängert werden. Die Aufhebung ebendieser Sanktionen steht jedoch im Programm der italienischen Regierungskoalition. Dies will NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg nun offenbar verhindern. Die Souveränität Italiens erscheint ihm in diesem Zusammenhang offenbar als sekundär.

Premier Giuseppe Conte hatte bereits am 5. Juni in seiner ersten Rede vor dem Parlament gesagt, dass die neue Regierung Italiens vorhabe, eine Revision der Russland-Sanktionen zu verlangen. Gleich am folgenden Tag, dem 6. Juni, legte Stoltenberg los mit seinem Diktat an die neue italienische Regierung:

Mit Russland müssen wir einen politischen Dialog beibehalten", sagte Stoltenberg, "aber die Sanktionen sind notwendig."

Dialog durch Sanktionen. So, so. Anscheinend liegt auch für die NATO die Logik im Auge des Betrachters.

Salvini: NATO soll im Mittelmeer helfen statt nicht existierender Gefahr im Osten zu begegnen

Am 7. Juni fand ein großer Empfang in der Villa Abamelek statt, der römischen Residenz des russischen Botschafters in Italien. Etwa 1.000 VIPs waren zu Gast, unter anderem der neue italienische Außenminister, Enzo Moavero Milanesi, und der Vize-Premier, Innenminister und Lega-Nord-Parteichef Matteo Salvini. Angaben der italienischen Zeitung Il Giornale zufolge sprachen Salvini und der russische Botschafter 15 Minuten lang hinter verschlossenen Türen miteinander. Anschließend sprach Salvini mit der Journalistin Alessandra Benignetti und sagte:

Wir haben eine klare Position hinsichtlich der Sanktionen. Wir schließen ein italienisches Veto nicht aus.

Salvini erwarte von der NATO allerdings auch Schutz und Hilfe mit Blick auf Probleme, die aus dem Süden kommen: Masseneinwanderung, die Instabilität Nordafrikas, die Sicherheit des Mittelmeers. Darum solle sich die NATO kümmern, und nicht um eine nicht existierende Gefahr aus dem Osten, sprich: Russland.

Am 8. Juni äußerte sich der andere Vize-Premier und Minister für Arbeit und wirtschaftliche Entwicklung, Luigi Di Maio. Befragt vom italienischen Radiosender Anch'io fing Di Maio diplomatisch an: "Über ein Veto wird der Premier Conte entscheiden." Er klingt erstmals kompromissbereit: "Ich habe immer gesagt, dass unser Land in der NATO bleiben muss." Musik für Stoltenbergs Ohren.

Di Maio fügte jedoch hinzu:

Die Sanktionen gegen Russland schädigen unsere Bauern. Die Landwirtschaft hat Milliarden-Verluste erlitten. Die Sektoren Design und Handwerk sind ebenfalls betroffen. Wir hatten sehr viel in diesen [russischen] Markt exportiert, und jetzt ist dieses Export aufgrund der russischen Gegensanktionen blockiert.

Den Mut zum Nein entdecken

"Wir sind pro Italien, nicht pro Russland", betonte Di Maio und klang schon bald nicht mehr so kompromissbereit: "Unsere Regierung wird in die internationalen Foren gehen, um mit ihren eigenen Verbündeten einige Probleme zu diskutieren, mit denen unsere Regierung nicht einverstanden ist."

Di Maio macht deutlich:

Die italienische 'Yes Sir'-Ära muss enden und eine neue Ära anfangen, in der wir einige 'Nein' auszusprechen beginnen.

Am Ende scheinen sich Salvini und Di Maio in diesem wichtigen Thema einig zu sein. Wird es reichen, um der Opposition innerhalb der NATO Paroli zu bieten?

"Ein alleiniges Veto Italiens ist unwahrscheinlich", meint Geopolitik-Experte Dr. Daniele Scalea, "weil unser Land bereits in Zusammenhang mit anderen Themen unter Druck steht, wie bei der Einwanderung."

Die italienische Regierung habe jedoch eine klare Position gegen die Russland-Sanktionen, stellt Dr. Scalea fest,

eine Position, die von der Vorgängerregierung vererbt wurde, mit dem Unterschied, dass diese an der anti-putinistischen Rhetorik festhielt. Eine Rhetorik, der Salvini feindselig gegenübersteht und gegen die Di Maio anscheinend immun ist. Es ist daher zu erwarten, dass diese Position mit mehr Nachdruck und Entschlossenheit umgesetzt wird.

Österreichische Ratspräsidentschaft als Chance

Mittlerweile war Stoltenberg am Montag, dem 11.6., in Rom für ein erstes Gespräch mit dem neuen italienischen Premier Conte. Es ging um die Vorbereitung des nächsten NATO-Gipfels, der vom 11.-12. Juli in Brüssel stattfinden wird. Und natürlich auch um die italienische Opposition gegenüber den Russland-Sanktionen. 

Abends während der darauffolgenden Pressekonferenz erwähnte Conte nicht einmal das Wort "Sanktionen" in Bezug auf Russland. Er sprach von "restriktiven Maßnahmen, die sich ergeben haben, die aber kein Ziel werden dürfen, sondern ein Mittel bleiben";

und auch als Mittel dürfen diese Maßnahmen die russische Zivilgesellschaft keineswegs demütigen und den Austauschen zwischen unseren Zivilgesellschaften verhindern.

Unabhängig von dem Drängen der NATO, die Sanktionen beizubehalten, könnte die kommende Österreichische EU-Ratspräsidentschaft, welche vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2018 andauern wird, der ideale Hintergrund sein für eine Revision bzw. Aufhebung der Russland-Sanktionen. Denn die Regierung in Österreich hat ihre eigene Entspannungspolitik gegenüber der Russischen Föderation bereits in die Gänge gebracht.

Nicht durch Zufall hat der russische Präsident Wladimir Putin für seine erste Auslandsreise nach der Wiederwahl Wien ausgesucht. Putin sieht nun Österreich und dessen neue Regierung als Brückenbauer.  

Sollte Italien auch nicht gleich beim kommenden EU-Gipfel sein Veto gegen die Verlängerung der Russland-Sanktionen einlegen, meint Dr. Scalea, dass

diese Regierung, die gerade ihre ersten Schritte unternimmt, sicherlich in den kommenden Monaten Verbündete suchen wird, um eine Blockade aufzubauen, die das Ende der Sanktionen unterstützen könnte.

RT Deutsch bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.