Europa

CIA-Dokument als Blaupause für die Zerstörung Jugoslawiens

Fast fünfzig Jahre lebten die Völker Jugoslawiens weitgehend friedlich miteinander. Doch dann zerbrach der föderale Staat. Es folgte eine Reihe blutiger Kriege. Die CIA prognostizierte das bereits in einer Geheimanalyse im Jahr 1990.
CIA-Dokument als Blaupause für die Zerstörung JugoslawiensQuelle: Reuters

Yugoslavia Transformed – etwa „Verwandeltes Jugoslawien – so lautet der Titel einer rund 20-seitigen Analyse, die der Auslandsgeheimdienst CIA in Zusammenarbeit mit diversen anderen US-Geheimdiensten im Oktober 1990 verfasste. In diesem Dokument befassen sich die Hohepriester der US-Geheimdienstcommunity mit der Zukunft des Vielvölkerstaates Jugoslawien. Schon zu diesem Zeitpunkt sagten sie den Zerfall Jugoslawiens voraus.

Ihrer Analyse zufolge werde es den Staat aufgrund ethnischer Konflikte und dem Nationalismus in den Teilrepubliken innerhalb von zwei Jahren nicht mehr geben. Zudem prognostizierten sie einen „langfristigen bewaffneten Aufstand“ der Kosovo-Albaner. Den Verfassern der Analyse zufolge sei der slowenische und kroatische Nationalismus positiv zu bewerten – er sei „westlich-orientiert, demokratisch und unternehmerisch“. Dagegen kritisieren sie den serbischen Nationalismus als etatistisch, militaristisch und autokratisch.

Die Alternativen zu einer Zerschlagung Jugoslawiens seien unwahrscheinlich. Die Konfliktparteien würden gegenseitig ihre Kompromissvorschläge blockieren.

Im CIA-Bericht wird die Wahrscheinlichkeit eines bewaffneten Aufstands der Kosovo-Albaner wegen angeblicher serbischer Repressalien als hoch eingestuft. Die Verfasser bezeichnen die Provinz sogar als „Tötungsfelder“ („Killing Fields“) Jugoslawiens – eine Anspielung auf die Massentötungen in Kambodscha der sogenannten Roten Khmer. Ein Aufstand dort könne auf Montenegro und Mazedonien übergreifen. In diesen ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken leben ebenfalls größere albanische Minderheiten.

Die Hellseher der US-Geheimdienste sagten voraus, dass Belgrad serbische Minderheiten in den anderen Teilrepubliken zum Aufstand anstacheln wird. Überhaupt sei der „von serbischen Extremisten angefochtene überhitzte Nationalismus“ das Grundproblem Jugoslawiens.

Der Bericht unterstreicht nochmals, dass schon am Vorabend des jahrelangen Bruderkrieges die US-Geheimdienste darauf abzielten, das Narrativ der „bösen Serben“ zu etablieren. Sie sollten als Täter präsentiert und die übrigen Völker Jugoslawiens als Opfer dargestellt werden, um die westliche Einmischung zu rechtfertigen.

Bosnien-Herzegowina wird als gefährlichstes Pulverfass des Balkanstaates ausgemacht. Dort bestehe das größte Risiko für großflächige ethnische Scharmützel.

Hoffnung für die Südslawen gebe es nur in einer engeren Anbindung an den Westen. Die einzige Möglichkeit für Kroaten und Slowenen den „engen Chauvinismus“ zu überwinden, bestehe darin, intensive kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen mit den „entwickelten industriellen Demokratien des Westens“ aufzubauen.

Zugleich stelle der Terrorismus in Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Mazedonien und im Kosovo eine „ernsthafte Bedrohung“ dar. Terroristische Anschläge könnten, so die Analysten, Gegenmaßnahmen der jugoslawischen Sicherheitskräfte auslösen.

Trotz dieses Horrorszenarios gebe es kaum etwas, was die Vereinigten Staaten oder die Europäer dagegen unternehmen könnten. Die Jugoslawen würden westliche Anstrengungen, die Einheit Jugoslawiens zu wahren, als Angriff auf die Demokratie und das Recht zur Selbstbestimmung bewerten. Die Verfasser betonen, dass albanische Vertreter die Aussagen US-amerikanischer Diplomaten zu Menschenrechtsfragen aufmerksam verfolgen werden.

Diese fast haargenaue Hervorsage der Ereignisse – mehrere Jahre im Voraus – wirft die berechtigte Frage auf, inwiefern es sich nur um eine reine Prognose handelt, oder ob das Dokument eine Blaupause für die Zerschlagung des sozialistischen Jugoslawiens darstellt?

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