Unsicherheit in Brüssel über die Marschrichtung Italiens - Neuwahlen unausweichlich
Fast drei Monate nach der Parlamentswahl war der Versuch der Anti-Establishment-Parteien, eine Regierung zu bilden, am Sonntag überraschend gescheitert. Ihr gemeinsamer Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten, Giuseppe Conte, gab nach nur vier Tagen den Regierungsauftrag an Mattarella zurück. Mattarella hatte sich geweigert, den Euro- und Deutschland-Kritiker Paolo Savona zum Finanzminister der Koalition zu ernennen. Er könne keinen Kandidaten akzeptieren, der einen Euro-Ausstieg Italiens ins Spiel bringe, hatte er gesagt.
In Italien muss der Präsident das Kabinett erst absegnen, bevor dieses sich im Parlament zur Wahl stellen und die Regierungsgeschäfte aufnehmen darf. Sowohl die Lega als auch die Sterne sehen in Mattarellas Entscheidung einen direkten Angriff auf demokratische Grundsätze.
Er repräsentiert die Interessen der anderen Länder, [...] wir sind eine deutsche oder französische Kolonie", sagte Lega-Chef Matteo Salvini.
Sowohl die Lega als auch die Sterne hatten schon erklärt, einer Technokratenregierung im Parlament nicht zuzustimmen. Da beide Parteien die Mehrheit in den Kammern haben, ist davon auszugehen, dass eine Übergangsregierung das Land lediglich zur Neuwahl führt.
Unsicherheit am Devisenmarkt könnte zurückkehren
Der Euro hat am Montagmorgen nach der gescheiterten Regierungsbildung in Italien und den wahrscheinlich anstehenden Neuwahlen zugelegt. Der Kurs der europäischen Gemeinschaftswährung stieg im asiatischen Handel wieder über die Marke von 1,17 Dollar, nachdem er am Freitag noch deutlich unter diese Marke gerutscht war. Zuletzt stand der Euro bei 1,1715 US-Dollar. Am späten Freitagabend hatte der Euro zwischenzeitlich nur noch 1,1646 Dollar gekostet und damit so wenig wie seit November vergangenen Jahres nicht mehr.
Doch angesichts der jetzt weiter anstehenden Hängepartie in Italien könnte die Unsicherheit schnell zurückkommen, sagten Devisenhändler in Asien. Am Devisenmarkt herrscht erst einmal Erleichterung darüber, dass es nicht zu einer Regierung der europakritischen Fünf-Sterne-Bewegung und der rechtspopulistischen Lega kommt.
Eine Neuwahl in der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone scheint angesichts der jüngsten Entwicklungen kaum noch abwendbar. Grund für das Scheitern der Allianz war vor allem der Streit der Bündnispartner mit dem Staatschef über die geplante Ernennung des ausgewiesenen Euro- und Deutschland-Kritikers Paolo Savona zum Finanzminister. Mattarella sagte, er könne keinen Kandidaten akzeptieren, der einen Euro-Ausstieg Italiens ins Spiel bringe. Die Unsicherheit über die Haltung Italiens zum Euro habe italienische und ausländische Investoren in Alarmstimmung versetzt.
Pressestimmen zu den Neuwahlen in Italien
De Tijd: "Neuwahlen in Italien werden Euroskeptiker stärken"
Die Neuwahlen im Herbst werden die euroskeptische Tendenz zweifellos verstärken. Das Land sehnt sich klar erkennbar nach einer nicht-konventionellen Regierung. Und weil der Weg dahin nun versperrt wurde, dürfte das Wahlergebnis im Herbst noch euroskeptischer ausfallen. Zudem wird das Timing wohl auch die Stimmung in Europa vor den Europawahlen im Mai 2019 beeinflussen. Es besteht die Gefahr, dass die jetzt gezeigte prinzipielle Haltung von Staatspräsident Sergio Mattarella das Desaster nicht verhindert, sondern es nur noch größer gemacht hat. Diejenigen, die schon dachten, die Eurokrise sei bezwungen worden, mögen ihre Hausaufgaben noch einmal machen. Der heiße Sommer im Süden Europas hat begonnen.
Zur gescheiterten Regierungsbildung in Italien heißt es am Montag in der Neuen Zürcher Zeitung:
Obwohl das Staatsoberhaupt laut Verfassung das Recht hat, bei der Besetzung von Ministerposten mitzureden, wollten die beiden Parteichefs keinen Millimeter von ihren Plänen abrücken und zwangen Mattarella in die Ecke. Vor allem der Lega-Chef, Matteo Salvini, zeigte keinerlei Kompromissbereitschaft und schoss in den letzten Tagen bereits aus vollen Rohren gegen das Staatsoberhaupt. Er scheint das vorzeitige Ende eines unsicheren Abenteuers mit den Cinque Stelle sehr bewusst in Kauf genommen zu haben, hätte er Savona doch leicht durch eine etwas weniger kontroverse Figur aus den eigenen Reihen ersetzen können, wie von Mattarella gefordert. [...] Nun werfen die Populisten dem Präsidenten in bitteren Tönen vor, die Demokratie und die Freiheit in Italien zu unterminieren, und beschwören einen "Konflikt zwischen Volk und Palazzo" herbei. Ihre Anhänger verbreiten im Internet bereits massenweise giftige Posts gegen Mattarella. Ihm wird sogar mit einem Amtsenthebungsverfahren gedroht. Der Wahlkampf hat begonnen, und er dürfte sehr viel aggressiver werden als der letzte.
Eine Neuwahl ist frühestens im Oktober möglich. Aber auch dann droht eine ähnliche Hängepartie wie nach dem 4. März. Damals waren die Sterne mit 32 Prozent stärkste Kraft geworden. Die Lega hatte 17 Prozent innerhalb einer Mitte-Rechts-Allianz bekommen, die insgesamt auf rund 37 Prozent gekommen war. Beiden fehlte allerdings die eigene Mehrheit.
(rt deutsch/dpa)
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