Kampf für europäische Werte: Spanien macht gegen "russische Desinformationskampagne" mobil
"Welche europäische Demokratien bekämpfen russische Desinformation am besten?" Unter dieser Fragestellung widmete sich die Zeitung El País am Sonntag einem noch nicht veröffentlichten Bericht des tschechischen Think Tanks „European Values“ ("Europäische Werte"), der der größten spanischen Tageszeitung bereits vorliegt. Die Denkfabrik brüstet sich damit, mit ihrem Projekt "Kreml Watch" als einzige Nichtregierungsorganisation in Tschechien "systematisch russischen Einfluss- und Desinformationskampagnen" nachzuspüren.
In ihrem von El País zitierten Bericht werden die EU-Mitgliedsstaaten nach ihrer vermeintlichen Haltung gegenüber "russischer Desinformation" sortiert. An vorderster Abwehrfront stehen demnach die baltischen Staaten, Schweden und Großbritannien. "Alarmiert über die Bedrohung einer russischen Einmischung" zeigten sich unter anderem Deutschland, Frankreich und Polen. Länder wie Belgien, Irland und Bulgarien verhielten sich dagegen in dieser Frage eher neutral, während Ungarn, Österreich, Slowenien und Italien "die Bedrohung durch russische Fake News" leugneten. Als regelrechte "Kreml-Kollaborateure" identifiziert der Think Tank Griechenland und Zypern.
Abwehrfont gegen Russland: Spanien reiht sich ein
Im Fokus des Zeitungsberichts steht der Umgang Spaniens mit der vermeintlichen russischen Bedrohung. "Spanien hat eine bemerkenswerte Veränderung auf legislativer, exekutiver und juristischer Ebene erfahren und sich – zusammen mit Frankreich, Deutschland und Polen – in der Gruppe der Länder positioniert, die sich am stärksten gegen die aus Russland kommenden Kampagnen wehren, mit denen die Demokratien destabilisiert werden sollen", so El País. Hintergrund ist die angebliche Einmischung Russlands in die Katalonien-Krise.
Die Analyse nach dem katalanischen Referendum zeigte, wie Bots dabei eine Rolle spielten, und ich denke, dass die spanische Regierung deshalb erkannt hat, dass sie sich den Bemühungen anschließen musste, die seit einiger Zeit in Europa unternommen werden", zitiert die Zeitung Veronika Vichová, Mitverfasserin des Berichts der tschechischen Denkfabrik.
Das Blatt zitiert auch einen namentlich nicht genannten Mitarbeiter des Strategischen Kommunikationsteams Ost des Europäischen Auswärtigen Dienstes, das sich dem Ziel verschrieben hat, "Russlands laufenden Desinformationskampagnen entgegenzuwirken" und die Webseite "EU vs Disinfo" betreibt. Laut diesem sei ein Wandel in der Haltung der spanischen Repräsentanten in den EU-Institutionen wahrnehmbar:
Es gibt keinen Zweifel, dass sich Spanien nach der katalanischen Krise verändert hat. Spanien gehört zu den Ländern, die in den letzten Monaten die relevanten europäischen Institutionen am meisten unterstützt haben, so dass unsere Einheit mehr Mittel erhält, um diese Art der Bedrohung durch Desinformation, die hauptsächlich aus Russland kommt, zu bekämpfen.
Erst letzten Monat gründete die spanische Verteidigungsministerin María Dolores de Cospedal eine Einsatzgruppe des Parlaments zur Bekämpfung von "Fake News", an der sich alle Parteien bis auf die linke Podemos beteiligen.
Katalonien-Krise und russische Eimischung: Plausibilität statt Belege
Dass die Denkfabrik ihren Bericht ausgerechnet El País vorab zukommen ließ, ist wohl kein Zufall. Denn die spanische Zeitung war es, die den Vorwurf einer russischen Einmischung in die Katalonien-Krise in die Welt setzte. In dem entsprechenden Artikel vom September 2017 heißt es:
Nach verdeckten Kampagnen zugunsten des Brexit und der Chefin der französischen Rechtspartei Front National Marine Le Pen sowie für die extreme Rechte in Deutschland, nutzt der Kreml die katalanische Krise, um die Spaltungen innerhalb Europas zu vertiefen und seinen internationalen Einfluss zu festigen.
Bei der Darstellung der Zeitung handelt es sich jedoch um bloße Behauptungen. So gibt es weder einen Beweis für die Einmischung Moskaus in den Brexit noch für solche in Bezug auf die französischen Präsidentschaftswahlen oder die deutschen Bundestagswahlen.
Auch die von El País angeführten Belege für eine Einmischung in die Katalonien-Krise halten keiner Überprüfung stand. Im Wesentlichen "belegte" die Zeitung die russische Einmischung mit dem Verweis auf die Berichterstattung des spanischsprachigen RT-Ablegers, die nicht wie von ihr gewünscht ausfiel. Madrid schloss sich dennoch dem Vorwurf an, russische Hacker und Bots hätten die Katalonien-Krise ausgelöst, und legte dafür ebenso wenig irgendeinen Beweis vor. Wollte die spanische Regierung damit lediglich von der eigenen Mitverantwortung für das Entstehen der politischen Krise ablenken?
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Glaubt man dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, lautet die Antwort nein. Denn laut einem Spiegel-Online-Artikel vom Montag gehen die deutschen Sicherheitsbehörden davon aus, dass "russische Trolle" den Streit um ein unabhängiges Katalonien anheizen.
So sagte Maaßen laut dem Nachrichtenmagazin bei einem internationalen Geheimdiensttreffen in Berlin, er habe diese Informationen nicht aus erster Hand. Sie klängen aber "sehr plausibel". "Nach Informationen des Bundesnachrichtendienstes geht es um Unterstützung im Bereich von Desinformation und Propaganda und nicht um finanzielle Zuwendungen", so Spiegel-Online.
Der Geheimdienstchef macht sich den Sprachgebrauch der Bundesregierung zu eigen, die selbst gerne eine "Plausibilität" bemüht, um Moskau auch ohne jedwede Belege verurteilen zu können. Jüngste Beispiele sind der mutmaßliche Giftgaseinsatz im syrischen Duma und die Skripal-Affäre.
Lob der NATO für Kampf gegen nützliche Idioten und Kreml-Trojaner
Letztere liegt, wie kaum anders zu erwarten, auch im Fokus der Denkfabrik, die sich in ihrem Namen den europäischen Werten verschrieben hat. Sie veröffentlichte am Montag den Artikel "Die Suche des tschechischen Präsidenten nach Nowitschok in der Tschechischen Republik".
Während darin im Einklang mit der Linie der britischen Regierung fälschlicherweise impliziert wird, nur Russland könne im Besitz des Nervenkampfstoffes Nowitschok sein beziehungsweise diesen herstellen, wird Tschechiens Präsident Miloš Zeman als "trojanisches Pferd" des Kreml bezeichnet, weil er vergangene Woche eingestanden hatte, dass noch bis vor kurzem in seinem Land an Kampfstoffen aus der Nowitschok-Klasse geforscht wurde. Zudem kreidet die Denkfabrik Zeman an, dass er London aufforderte, Beweise für die gegen Moskau erhobenen Vorwürfe vorzulegen.
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Immerhin wurde der Präsident nicht als "nützlicher Idiot des Kreml" bezeichnet. Als solche titulierte der Think Tank vor gut einem halben Jahr all jene westliche Prominente, Journalisten, Kommentatoren, Akademiker und Politiker, die in den letzten Jahren an den Programmen von RT mitgewirkt haben – und sei es lediglich als Interviewpartner oder Talkshow-Gäste. In einer Übersicht, die über 2.300 Namen umfasst, wurden all jene vermeintlichen Idioten penibel aufgelistet. Inwieweit diese Denunziationskampagne, die einem Angriff auf die Pressefreiheit gleichkommt, mit den beschworenen "europäischen Werten" zu vereinbaren ist, sei dahingestellt.
Der finanziellen Unterstützung der Denkfabrik durch Institutionen wie der EU-Kommission und dem EU-Parlament sowie der britischen und US-Amerikanischen Botschaft in Tschechien wird dies sicherlich keinen Abbruch tun. Ebenso dürften auch die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung und die Open Society Foundation des umtriebigen Milliardärs und Russlandgegners George Soros der Initiative weiterhin jährlich sechsstellige Beträge zukommen lassen, wie aus den Jahresberichten der Denkfabrik hervorgeht.
Jüngst richtete sie gemeinsam mit der Konrad-Adenauer-Stiftung und dem Wilfried Martens Centre for European Studies die "Stratcom Summit 2018" in Prag aus. In der Beschreibung zur Konferenz des Vorjahres heißt es:
In den letzten Jahren stehen die NATO und die Bürger ihrer Mitgliedsstaaten unter Beschuss durch systematische Desinformationskampagnen, die von aggressiven Regimen – vor allem der Russischen Föderation und dem Islamischen Staat – geführt werden. Hauptziel dieses Gipfels ist es, relevante Persönlichkeiten aus der Staatsverwaltung und der Zivilgesellschaft zusammenzubringen und effektive Praktiken und Strategien zur Verteidigung demokratischer Staaten und Gesellschaften zu diskutieren.
Auf der diesjährigen Konferenz war auch General Petr Pavel anwesend, Vorsitzender des NATO-Militärausschusses. Er ließ sich mit den Aktivisten von "European Values" nicht nur für ein gemeinsames Foto ablichten, sondern sprach diesen laut deren eigener Darstellung "die Anerkennung der NATO für unsere Arbeit bei der Aufdeckung subversiver russischer Aktivitäten" aus. "Wir freuen uns über diese Anerkennung durch eine starke alliierte Institution", heißt es auf der Webseite des Think Tanks.
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