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Großbritannien: Gerüchte über konservative Palastrevolte gegen May verdichten sich

In Großbritannien schaffen es die Konservativen nicht, sich aus dem politischen Patt zu lösen. Die Unzufriedenheit ist groß und Stimmen, die nach einer Ablösung Theresa Mays rufen, wollen nicht verstummen. Jacob Rees-Mogg gilt als künftiger Hoffnungsträger.
Großbritannien: Gerüchte über konservative Palastrevolte gegen May verdichten sichQuelle: Reuters

Die jüngsten Kommunalwahlen haben das Patt in Großbritanniens politischer Landschaft zementiert. Die Konservative Partei konnte ihre Positionen weitgehend halten, allerdings hauptsächlich infolge des Zerfalls der EU-kritischen UKIP. Deren populärer langjähriger Vorsitzender Nigel Farage hatte nach dem Erfolg des maßgeblich von ihm betriebenen Brexit-Referendums kurzerhand erklärt, er wolle sich aus der Politik zurückziehen – immerhin habe seine Partei ja ihr großes Ziel erreicht.

Die UKIP bestand zwar auch nach Farages Rückzug noch weiter, seine Nachfolger lieferten sich jedoch lähmende Diadochenkämpfe und auch Skandale, sodass sie rapide an Zuspruch verlor. Da die ideologieintensive Politik der ebenfalls stagnierenden Labour-Partei für die frei gewordene Wählerschaft der rechten Euroskeptiker keine Alternative darstellt, kehrten diejenigen von ihnen, die sich nicht gleich in die Wahlenthaltung flüchteten, eher notgedrungen zu den Konservativen zurück.

Von einer Welle der Begeisterung für Theresa May, ihr Kabinett oder für die Konservative Partei als solche kann jedoch bis in die eigenen Reihen hinein keine Rede sein. Dies und die Tatsache, dass ein erheblicher Teil ihrer Wähler der Regierung eine zaudernde Haltung bezüglich der Umsetzung des Brexits vorwirft, lässt perspektivische Führungsdiskussionen oder Spekulationen über eine Palastrevolte in der Konservativen Partei nicht verstummen. Nicht wenige sehen Theresa May als eine Parteichefin auf Abruf und machen sich Gedanken über eine mögliche Nachfolge.

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Leser von Conservative Home wollen klaren Euroskeptiker an der Spitze

Bereits im Jahr 2017, nach dem holprigen Wahlerfolg der Torys, die seither nur noch dank eines Tolerierungsabkommens mit der rechtskonservativen nordirischen Partei DUP weiterregieren können, wurde in diesem Zusammenhang immer wieder ein Name genannt, nämlich der des Abgeordneten für den Stimmkreis North East Somerset, Jacob Rees-Mogg.

Obwohl Rees-Mogg, dessen distinguiertes Auftreten wenig zum sonst so oft schrillen und polternden Parlamentsalltag zu passen scheint, vehement bestreitet, irgendwelche Ambitionen auf eine Nachfolge Mays zu hegen, mehren sich die Stimmen derer, die eine führende Rolle für den bekennenden Euroskeptiker fordern. Eine im September des Vorjahres durchgeführte Umfrage des im Tory-Umfeld einflussreichen Blogs Conservative Home unter 1.309 repräsentativ ausgesuchten Teilnehmern sah Rees-Mogg mit 23 Prozent an der Spitze aller möglichen Optionen für eine künftige Führung der Konservativen Partei.

Das US-Portal Breitbart News vergleicht bereits jetzt ausgerechnet den als mustergültigen britischen Gentleman auftretenden Rees-Mogg mit dem definitiv nicht seines Sinns für die Etikette wegen gewählten US-Präsidenten Donald Trump. Breitbartschreibt, die beiden Politiker würden das Zeug haben, ein ähnliches aus ihrer Sicht Dreamteam zu bilden wie einst Ronald Reagan und Margaret Thatcher.

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Kommentator James Delingpole erklärt, warum er dies so sieht, wie folgt:

Das ist, weil sie es sagen, wie es ist. Wie auch Thatcher und Reagan haben sie keine Angst davor, dass ihr freimütiges Reden sie in Schwierigkeiten bringen könnte. Sie glauben in der Tat, dass das, was sie zu sagen haben, richtig und wahr ist. Weshalb also sollten sie ihre Vorstellungen hinter einer Mauer der Verschleierung oder irgendeines tugendträchtigen Gesäusel verbergen, wie es die Beta-Politiker allesamt tun?

Small Government als Kern konservativer Politik

In einem jüngst geführten Interview mit dem Portal Sky News erklärt Rees-Mogg, warum er nicht zu jenen Politikern gehören will, die sich heute als die authentischen Vertreter der einen Bevölkerungsgruppe darzustellen versuchen und morgen als jene der anderen:

Mir waren Politiker, die vorgaben, jedermann sein zu können, immer schon suspekt. Wir sind alle Individuen. Und wir haben alle unsere eigenen Sorgen, Hoffnungen, Ängste und Ansichten über die Welt. Und wir können Empathie für andere Menschen haben. Aber wir können nicht die Vorstellungen anderer Menschen verkörpern. Und vor allem kann man nicht die Vorstellungen von zwei, drei, vier oder zehn Millionen Menschen in der Welt verkörpern. Deshalb ist es Deine Aufgabe, Deine Position durch das zu definieren, woran Du glaubst, was Du Denkst, dass Du repräsentierst – und dann herauszufinden, ob das den Menschen gefällt. Und Du musst zusehen, ob Du eine Vorstellung davon hast, was nach Deinem Dafürhalten Menschen helfen kann, ihr Leben zu verbessern und das zu erreichen, was sie in ihrem Leben erreichen wollen. […] Worum geht es in der Politik? Ich denke, im Grunde ist es das Anliegen konservativer Politik, Menschen dabei zu helfen, das Leben führen zu können, das sie leben wollen. Und Hindernisse aus dem Weg zu räumen."

Obwohl als ehemaliger Rothschild-Investmentbanker und Fondsmanager in Hongkong mit globaler beruflicher Erfahrung ausgestattet, setzt Rees-Mogg politisch genau jene Akzente, die neben den Small-Government-Befürwortern aus den Thatcher-Jahren auch traditionelle Sozial-, National- und Paläo-Konservative ansprechen.

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Bereits 2013 forderte der prononcierte Euroskeptiker ein "großes, offenes und umfassendes Angebot" an die UKIP, mit der er Gemeinsamkeiten in "vielen Themenfeldern" sieht, und erklärte, die meisten Konservativen würden lieber deren damaligen Vorsitzenden Nigel Farage als Vizepremier sehen als den Liberaldemokraten Nick Clegg. Im Jahr 2017 war er ein entscheidender Unterhändler des Tolerierungspakts mit der DUP. Noch im Jahr 2014 warf der Brite sogar noch der deutschen AfD vor, in der EU-Politik eine zu laxe Position zu vertreten. Rees-Mogg erklärte damals:

Deutscher Euroskeptizismus ist Milch in den Brandy des britischen Euroskeptizismus."

Inhaltlich starke Parallelen zu Trump

Wirtschaftspolitisch weist Rees-Mogg erkennbare Ähnlichkeiten mit Donald Trump auf, den er bis zur Veröffentlichung des "Busvideos", das vulgäre Äußerungen des späteren Präsidenten über Frauen aus dem Jahr 2005 dokumentierte, offen unterstützt hatte. Er tritt für eine klassisch-liberale Ordnungspolitik im Inneren ein, während er im Bereich des Außenhandels bei Bedarf auch protektionistische Optionen befürwortet. Auch hinsichtlich der Immigration in das Vereinigte Königreich befürwortet der Abgeordnete eine restriktive Linie.

Jacob Rees-Mogg ist Skeptiker der These eines nennenswerten Einflusses menschlicher Aktivitäten auf die Klimaentwicklung und befürwortet nur solche Restriktionen im Bereich der Umweltpolitik, die den technologischen Fortschritt nicht behindern und für Großbritannien keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber Ländern wie Indien oder der Volksrepublik China schaffen.

Entschieden konservative Positionen vertritt der bekennende Katholik Rees-Mogg auch bezüglich des Ideals der traditionellen Familie und in der rigorosen Ablehnung von Schwangerschaftsabbrüchen. Der Politiker erklärte dazu in einem Interview mit Radio 4 auch offen, dass die Vorgaben der Führung seiner Kirche für ihn diesbezüglich auch verbindlicher seien als jene aus dem Büro seines Fraktionsvorsitzenden.

Außenpolitisch ging Jacob Rees-Mogg zumindest in der Syrienpolitik auf Konfrontationskurs gegen die Parteiführung der Konservativen. Vor allem Bestrebungen zur Finanzierung und Bewaffnung der sogenannten Rebellen trat er vehement entgegen und stellte fest, dass die Konsequenzen des Versuchs, Präsident Baschar al-Assad zu stürzen, ein Anstieg des Terrorismus und eine Massenflucht von Menschen gewesen wären. Generell hält Rees-Mogg finanzielle Hilfen an das Ausland für "in fundamentaler Weise verschwenderisch".

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Sanktionsforderung gegen Russland wird zum Bumerang

In der Skripal-Affäre hingegen beugte er sich offenbar dem Druck des Establishments und forderte die Verhängung umfassender finanzieller Sanktionen gegen Russland. Dies jedoch brachte ihn stärker ins Gerede als eine Gefolgschaftsverweigerung denkbarer Weise hätte bewirken können.

Die Opposition wies sogleich auf die Erträge hin, die Rees-Mogg als Partner der Investmentgruppe Somerset Capital Management (SCM) aus deren 60 Millionen Britische Pfund schweren Beteiligung an der seit 2014 von EU-Sanktionen betroffenen russischen Sberbank beziehe. Dem Guardian zufolge ist Rees-Mogg berechtigt, aus seiner Beteiligung über diese Partnerschaft Dividenden zu beziehen und nicht verpflichtet, diese Erträge in der Liste der Nebeneinkünfte von Parlamentariern anzuführen.

Etwas mehr als vier Prozent beträgt der Anteil der Sberbank-Anteile am gesamten Volumen des von SCM selbst aufgelegten Investmentfonds. Der Wert der in London gelisteten Aktien des Bankhauses hatte sich in der Zeit von Mai 2015 bis März 2018 etwa vervierfacht.

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