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Russischer Botschafter zur Skripal-Affäre: London vernichtet absichtlich Beweise

Russlands Botschafter in Großbritannien hat für eine britische Zeitung einen Kommentar zur Skripal-Affäre verfasst. Dessen Abdruck wurde ohne Angabe von Gründen abgelehnt. RT Deutsch dokumentiert Alexander Jakowenkos Kommentar im Wortlaut.
Russischer Botschafter zur Skripal-Affäre: London vernichtet absichtlich BeweiseQuelle: Reuters © Reuters

von Alexander Jakowenko, Botschafter der Russischen Föderation in Großbritannien

Am 4. März 2018 wurde berichtet, dass die beiden russischen Staatsbürger Sergej und Julia Skripal in Salisbury, Wiltshire, mit einer Substanz vergiftet wurden, bei der es sich laut britischer Klassifizierung um die Chemikalie A-234 handelt.

Am 12. März bestellte mich Außenminister Boris Johnson in sein Ministerium und sagte, dass Russland "höchstwahrscheinlich" für den Angriff verantwortlich sei. Er forderte uns auf, bis zum nächsten Tag zu antworten, ob dies eine direkte Handlung des Staates war oder ob Russland die Kontrolle über dieses Nervengas verloren hat.

Der Vorfall hatte internationale Auswirkungen, einschließlich der Ausweisung von 150 russischen Diplomaten aus 28 Ländern, ungeachtet der Tatsache, dass die Anschuldigungen auf Annahmen und nicht auf nachweisbaren Erkenntnissen beruhten. Die westlichen Länder verloren die gleiche Anzahl an Mitarbeitern in Moskau. Unterdessen hat die britische Regierung weder der Öffentlichkeit noch ihren Verbündeten oder Russland Beweise vorgelegt. Die nachfolgenden Ereignisse zeigten, dass es keine Beweise für eine Beteiligung Russlands gab. Am 1. Mai bestätigte der britische Nationale Sicherheitsberater Sir Mark Sedwill, dass kein Verdächtiger identifiziert wurde – eine Aussage, die für sich selbst spricht.

Zwei Monate sind seit der Vergiftung vergangen und mehr als einen Monat ist es her, seit Premierministerin Theresa May Russland dieses Verbrechens beschuldigt hat. Trotz unserer zahlreichen Anfragen haben wir jedoch keinen Zugang zu der Untersuchung erhalten. Das britische Außenministerium und die zuständige Polizeibehörde haben auf eine Kontaktaufnahme verzichtet.

Uns wurde der konsularische Zugang zu unseren Bürgern verweigert, was eine Verletzung des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen und der bilateralen Konsularkonvention darstellt. Wir sind noch immer nicht in der Lage, den Aufenthaltsort der Skripals, ihren Gesundheitszustand und ihre Absichten zu überprüfen. In Anbetracht aller Fakten haben wir jetzt noch mehr Gründe, diese Situation als Entführung zweier russischer Staatsangehöriger zu betrachten. Wir werden weiterhin nach der Wahrheit suchen und von der britischen Seite Antworten verlangen.

Wir haben auch den Eindruck, dass die britische Regierung absichtlich Beweise zerstört, alle verbleibenden Materialien der Geheimhaltung unterwirft und eine unabhängige Untersuchung unmöglich macht. Die Haustiere von Sergej Skripal wurden verbrannt, ohne zu prüfen, ob sie einem Nervengas ausgesetzt waren. Dann wurde eine Dekontaminierung des Areals angekündigt, die Berichten zufolge die Zerstörung potenziell kontaminierter Objekte beinhaltet, darunter des Hauses von Sergej Skripal, der Kneipe "Mill" und der Restaurants "Zizzi".

Die Medienberichterstattung über die Salisbury-Vergiftung ist nicht so frei, wie sie sein sollte. Am 8. April wurde berichtet, dass der Nationale Sicherheitsrat "die Kontrolle über die Reaktion der Medien auf den Vorfall übernommen hat". Am 18. April kündigte die Medienaufsicht Ofcom eine Überprüfung des Senders RT wegen dessen Berichterstattung zu dem Fall an. Ist es ein Zufall, dass seit dem Vorfall niemand mehr Fotos von den Skripals gesehen hat und die Medien gar nicht versucht haben, diese zu interviewen? Privatsphäre und Sicherheit im Krankenhaus mögen eine Entschuldigung sein, aber es sieht so aus, als ob die Privatsphäre der Skripals besser geschützt ist als die von Popstars und sogar der königlichen Familie.

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Das Vereinigte Königreich hat sich auch geweigert, mit Russland in der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) zu kooperieren. Statt die Standardverfahren anzuwenden, bei denen Großbritannien Russland direkt oder über den OPCW-Exekutivrat hätte einbeziehen müssen, hat die britische Regierung beschlossen, mit dem Technischen Sekretariat der OPCW im Rahmen einer geheimen Vereinbarung zusammenzuarbeiten.

Am 13. April hat Russland selbst das Verfahren nach Artikel IX des Chemiewaffenübereinkommens eingeleitet, um Antworten auf eine über die OPCW an das Vereinigte Königreich gerichtete Liste von Fragen zu erhalten. Die eingegangenen Antworten sind unbefriedigend, beantworten nicht unsere berechtigten und vernünftigen Fragen und helfen daher nicht, die Wahrheit herauszufinden.

Was den Bericht der OPCW betrifft, so fehlte es diesem eindeutig an Unparteilichkeit, da den von der OPCW benannten Laboratorien nur eine Aufgabe übertragen wurde, nämlich zu prüfen, ob der vom Vereinigten Königreich identifizierte Nervenkampfstoff in den biomedizinischen Proben vorhanden war und die Proben nur an den von der britischen Seite benannten Orten entnommen wurden.

Unterdessen wird Großbritannien von der konservativen Regierung als "Führer" der westlichen Bemühungen dargestellt, "Russland zur Rechenschaft zu ziehen". Es scheint, als ob das britische Kabinett gar kein Interesse an funktionierenden bilateralen Beziehungen hat, die ihrerseits seit dem Salisbury-Vorfall einen neuen Tiefpunkt erreicht haben.

Russland wird wieder mal als "Cyber-Bedrohung" dargestellt, und die britische Öffentlichkeit wird auf einen massiven Cyber-Angriff gegen Russland vorbereitet, der als eine natürliche Vergeltungsmaßnahme dargestellt würde, aber in Wirklichkeit einen unprovozierten Einsatz von Gewalt darstellen würde. Das britische Außenministerium hat das russische Angebot zu Konsultationen über Cybersicherheit ignoriert.

Dennoch erhält unsere Botschaft jeden Tag Briefe aus der britischen Öffentlichkeit, in denen die aktuelle offizielle Politik gegenüber Russland bedauert wird. Die Menschen verstehen nicht, wie es möglich ist, Russland die Schuld zu geben, ohne dass der internationalen Gemeinschaft Beweise oder Belege präsentiert werden. Das widerspricht der britischen Tradition der offenen und fairen Arbeit der Justiz. Viele glauben, dass diese Politik in der antirussischen Stimmung verwurzelt ist, wie sie innerhalb der gegenwärtigen konservativen Regierung vorherrscht.

Die russische Botschaft hat ihren Bericht "Salisbury: A Classified Case" veröffentlicht, der den Ablauf und die Positionen Großbritanniens und Russlands zusammenfasst. Ich fordere die britische Seite auf, diesen gründlich zu betrachten. Die Liste der Fragen an die britische Regierung wächst ständig. Was wir in erster Linie fordern, ist Transparenz.

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