Europa

Skripal-Affäre: Britischer Geheimdienst enthüllt das gefürchtete "Türklinken-Programm" Russlands

Der britische Geheimdienstchef informierte den NATO-Generalsekretär und EU-Regierungen im Zusammenhang mit der Skripal-Affäre über Moskaus angebliches neues Forschungsprogramm - mit Nowitschok an Türklinken und Techniken zur verzögerten Tötung von Menschen.
Skripal-Affäre: Britischer Geheimdienst enthüllt das gefürchtete "Türklinken-Programm" RusslandsQuelle: Reuters © Luke MacGregor

Am 13. April übergab der Nationale Sicherheitsberater Großbritanniens, Sir Mark Sedwill, im Zusammenhang mit der Skripal-Affäre einen Brief an den NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und an die europäischen Staats- und Regierungschefs. Darin wird der vermeintliche "Angriff auf Salisbury" - so die wortwörtliche Bezeichnung - im Detail dargestellt. In diesem Brief sind bis dahin unter Verschluss gehaltene Geheimdienstinformationen enthalten, die es in sich haben.

"Es ist äußerst selten, dass das Vereinigte Königreich solche Informationen öffentlich macht", so der britische Guardian.

"Türklinken-Programm" schon seit mindestens fünf Jahren in Arbeit?

Demnach soll Russland seit mindestens fünf Jahren an einem speziellen militärischen Forschungsprogramm arbeiten. Man habe getestet, wie chemische Kampfstoffe am besten verabreicht werden könnten.

"Dieses Programm hat in der Folge auch Möglichkeiten erforscht, wie verschiedene Nervengas-Arten am besten eingesetzt werden können, einschließlich ihres Anbringens an Türklinken", so Sir Mark Sedwill in seinem Schreiben. Er überwacht die Arbeit aller britischen Spionagedienste.

Der Originaltext wurde vom Guardian vollständig veröffentlicht.

Im Rahmen der Testreihe habe Russland kleine Mengen von Nowitschok hergestellt und gelagert. Sedwill deutet an, das Gift sei für den Einsatz im Wege von innovativen Vorgehensweisen, also etwa dem Anbringen an Türklinken, reserviert.

Bekannt ist, dass Russland in den letzten Jahren bahnbrechende Fortschritte in der Entwicklung neuer Waffensysteme erzielte. Doch bisher war von einer "Türklinkenwaffe" noch nichts an die Öffentlichkeit gedrungen.

Technisch anspruchsvoll und in der Ausführung ausgesucht umständlich

Betrachtet man die schlichte Türklinke am Haus der Skripals, begreift man die Schwierigkeiten, die es machen muss, dieses spezielle Nervengift ausgerechnet dort über Stunden hinweg anzubringen. Es fällt auch nicht leicht, zu erkennen, warum beide Skripals beim Rausgehen gemeinsam den Türgriff anfassen hätten sollen. Zumindest war für den oder die Täter das Risiko sehr groß, dass am Ende nur einer von beiden die Tür öffnen und wieder schließen würde.

Weitere grundsätzliche Fragen stehen im Raum. Wenn die Täter es speziell auf Sergej Skripal abgesehen hatte, warum schlugen sie nicht dann zu, als dieser alleine war? Skripal lebt seit über sieben Jahren in England. Warum musste man den Besuch der Tochter abwarten?

Doch wenn die Täter es auf die Tochter abgesehen hatten - warum schlugen sie dann nicht in Moskau zu, wo sie eigentlich lebte? Sie hätten sich die Umstände erspart, die damit verbunden sein mussten, das Gift durch mehrere Kontrollen nach England zu schmuggeln.

Doch die britischen Geheimdienste haben auf alles eine Antwort. Inzwischen wird berichtet, ein Passagier im gleichen Flugzeug wie Julia Skripal sei nur für einige Stunden eingereist und dann wieder zurück nach Russland geflogen – womöglich geflohen, wie es heißt. Das habe man nach dem Überprüfen der Passagierliste herausgefunden - übrigens erst sieben Wochen nach der Tat. Warum aber sollte sich ein Täter so auffällig verhalten?

Dieser russische Fluggast habe allerdings nicht selbst Hand angelegt, sondern das Gift einem Komplizen übergeben, der dieses am darauffolgenden Sonntag am Türgriff des Skripal-Hauses anbrachte. Es handle sich um einen 54-jährigen russischen Spion. Man habe sogar seinen Code-Namen enttarnt. Er soll "Gordon" heißen. Andernorts spricht man auch von einem Team von gar sechs Mördern. Sie seien aber nun wieder über alle Berge – "back to Russia" – und würden dort natürlich geschützt. Diese neue Geschichte tauchte jedenfalls am 22. April in zahlreichen britischen Pressemeldungen auf.

Außerdem habe man herausgefunden, dass die Skripals am Tag der Tat um 12.30 Uhr nach Hause zurückgekehrt seien. Bisher glaubte man, dass sie den ganzen Tag über unterwegs gewesen wären. Erst dann hätten sie sich mit dem Gift an der Türklinke infiziert, denn der Täter handelte nach dieser Fassung bei bestem Tageslicht, selbst unter dem Risiko, von den Nachbarn gesehen zu werden. Ob er dabei auch einen Schutzanzug trug, wird nicht berichtet. Ursprünglich hieß es, der Tatzeitpunkt wäre 9.15 Uhr morgens gewesen und der Täter habe nachts gehandelt.

Poröse Beschaffenheit des britischen Geheimdienstes lässt stetig Informationen an die Presse dringen

Bereits am 7. April hatten britische Zeitungen einen erneuten Hit gelandet: Laut Angaben aus den stets anonymen "Sicherheitskreisen" habe Russland speziell für diesen Anschlag einen besonderen Typ von Nowitschok geschaffen, der erst nach vier Stunden Wirkung zeigt. Das hätte den Vorteil, dass die Mörder mehr Zeit zur Flucht hätten. Und außerdem würde es dazu führen, dass Ärzte erst verzögert eine entsprechende Diagnose stellen und Behandlungsmethode bestimmen könnten. Es handle sich um eine schwächere Variante, eine Art "Boutique-Nowitschok" [wörtlich!], das über die Haut absorbiert werden kann – während es sich normalerweise um ein Nervengas handeln würde, das eingeatmet wird.

In all diesen Berichten wird am häufigsten der Name von Hamish de Bretton-Gordon als Quelle zitiert. Er ist ein früherer Kommandant des britischen Regiments für chemische, biologische und nukleare Waffen. Er hat offenbar Zugang zu umfassenden Geheimdienstinformationen, die er freundlicherweise in schöner Regelmäßigkeit und der Redaktionsplanung angepasst an die Presse durchsickern lässt. Er spielt nicht nur unübersehbar eine zentrale Rolle in der Skripal-Affäre, sondern auch im Zusammenhang mit den mutmaßlichen Chemiewaffeneinsätzen in Syrien.

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