Radikalenerlass auf britisch: Wie der MI5 die Auswahl der BBC-Mitarbeiter mitbestimmte
Nun ist es mit Paul Reynolds ausgerechnet ein BBC-Journalist, der nach seiner journalistischen Karriere als BBC-Korrespondent zwischen den Jahren 1978 bis 2011 das heiße Eisen der politisch motivierten Einstellungspraxis anpackte. Reynolds ist demnach der erste Journalist, der Einblick in alle Überprüfungsakten der BBC erhielt und dabei auf die lange Geschichte der Kooperation zwischen dem Medienunternehmen und dem britischen Nachrichtendienst stieß.
Seinen Recherchen zufolge währt die Praxis der politischen Überprüfung von BBC-Angestellten in Kooperation mit dem MI5 nunmehr etliche Jahrzehnte zurück - und ebenso lange wurde demnach dieser Umstand nicht nur von Dementis, sondern von "Lügen" begleitet.
So habe sich bereits 1933 ein BBC-Manager namens Col. Alan Dawnay zu Gesprächen mit dem damaligen Leiter des MI5, Sir Vernon Kell, getroffen, um das Vorgehen der BBC "bei kommunistischen Aktivitäten" durch informelle Vereinbarungen zu besprechen. Zwei Jahre später wurde die Absprachen dann formalisiert. Alle neuen BBC-Mitarbeiter mit Ausnahme von "Putzfrauen" sollten demnach einer Prüfung durch den Nachrichtendienst unterzogen werden, um etwa "bösartigen Ingenieuren" und "Veschwörern" frühzeitig das Handwerk zu legen, bevor diese das Nachrichtennetzwerk der BBC sabotieren oder diskreditieren könnten. Oberstes Ziel: die Verhinderung einer linken britischen Regierung.
Von nun an gehörte die Gesinnungsprüfung bei Einstellungen der BBC zur Routine – die Geheimhaltung der anrüchigen Kooperation zwischen der BBC und dem MI5 war Ehrensache. Über die Existenz des MI5 erfuhr die britische Öffentlichkeit ohnehin erst im Zuge des Sicherheitsdienstgesetzes von 1989.
Das Einstellungsprozedere selbst kam unverfänglich daher. Für die Besetzung einer Position innerhalb der BBC wurde jeweils ein Hauptkandidat auserkoren. Zwei Kandidaten wurden als "auch geeignete" Alternativen benannt. Fiel der Hauptkandidat dann durch die Sicherheitsprüfung, gab es immer noch zwei weitere Anwärter für den BBC-Posten, die unter dem Vorwand, noch weitere Referenzen einholen zu müssen, ebenfalls überprüft wurden. Ein System, bei dem kaum ein Kandidat oder Vorgesetzter Verdacht schöpfen würde.
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Ein Interview mit BBC-Generaldirektor Sir Hugh Greene aus dem Jahr 1968 zeigt beispielhaft, wie die BBC das sehr spezielle Einstellungsverfahren verschleierte. So erklärte Green gegenüber einem Reporter der Sunday Times:
Wir haben 23.000 Mitarbeiter, und in dieser Gemeinschaft haben wir Menschen aller Art, auch Stiefmütterchen [Ein Begriff für Homosexuelle] und Kommunisten. Aber das geht mich nichts an. Wir führen keine Inquisition gegen Leute durch, die sich der BBC anschließen.
Während es den Tatsachen entspricht, dass Homosexuelle Mitarbeiter der BBC werden konnten, gehörte die Ablehnung kommunistischer Bewerber durchaus in den Aufgabenbereich des BBC-Generaldirektors Greene.
Ein Memo von 1984 gibt derweil einen Überblick über die Organisationen auf der BBC-Verbotsliste. Auf dem linken politischen Spektrum fanden sich zum einen die Kommunistische Partei Großbritanniens, die Socialist Workers Party, die Workers Revolutionary Party und die sogenannte Militant Tendency. Doch auch politische Bewegungen des rechten politischen Spektrums galten als nicht genehm, so etwa die National Front und die British National Party.
Ein Antragsteller musste nicht Mitglied dieser Organisationen sein, um bei der Einstellung durchzufallen – einer der Organisationen "nahezustehen", reichte bereits aus.
Ergaben die "Referenzen" eines Bewerbers Anhaltspunkte für eine nicht genehme politische Gesinnung, erfolgte eine Unterteilung der Kandidaten anhand einer MI5-"Empfehlungsliste". In der ersten Kategorie "A" heißt es:
Der Sicherheitsdienst rät, dass der Kandidat nicht in einer Stelle angestellt werden sollte, die eine direkte Möglichkeit bietet, das Sendematerial für einen subversiven Zweck zu beeinflussen.
Für Kandidaten der Kategorie "B" riet der Nachrichtendienst von einer Beschäftigung ab:
(…) Es sei denn, es wird entschieden, dass andere Erwägungen Vorrang haben.
Kategorie "C" erklärte, dass die Informationen gegen einen Kandidaten eine Beschäftigung nicht "unbedingt ausschließen" sollten, aber die BBC "kann es vorziehen, andere Vorkehrungen zu treffen", wenn die Stelle "außergewöhnliche Gelegenheit" für subversive Aktivitäten böte.
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Das BBC-Verfahren bestand im Prinzip darin, nie jemanden in der Kategorie "A" einzustellen, obwohl einige es demnach dennoch schafften. Theoretisch war nur die BBC für die Einstellung verantwortlich. Bei Kandidat-A-Einstellungen lag die Entscheidungshoheit jedoch in der Praxis beim MI5.
Doch was geschah, wenn ein Kandidat erst nach Einstellung "subversiver" Aktivitäten verdächtigt wurde oder sich der Angestellte für eine andere Position im Unternehmen bewarb? Auch für diesen Fall hatte man vorgesorgt. Anhand eines Weihnachtsbaum-Diagramms in der Personalakte wurden die Entwicklungen der fragwürdigen Angestellten verfolgt. Anhand einer "staff transfer list" wurden zudem diejenigen Bewerber einer Überprüfung unterzogen, die sich anschickten, befördert zu werden. Fielen die Bewertungen negativ aus, fand sich dann folgender Vermerk in der Personalakte:
Nicht zu befördern oder zu versetzen (oder unbefristet einzustellen) ohne Bezugnahme auf Generaldirektor.
Die BBC war so darauf bedacht, die Geheimhaltung der Kooperation zwischen sich und dem MI5 aufrechtzuerhalten, dass sie heimlich die entsprechenden Vermerke aus der Mitarbeiterakte entfernte, wenn dieser seinen Fall vor ein Arbeitsgericht brachte, da dieses Akteneinsicht hätte fordern können.
Die Bürokratisierung der geheimdienstlich organsierten Einstellungspraxis wurde schließlich im Jahr 1984 aufgegeben. Die Entscheidungsträger sahen sich bestätigt, als das Diagramm-Verfahren durch einen Artikel im Observer allzu große Aufmerksamkeit erfuhr. Am Tag nach der Veröffentlichung des Artikels hängte jemand einige Weihnachtsdekorationen an den Türgriff von Raum 105 im Broadcasting House - von dort aus wurde das System betrieben.
Zu der Frage, ob die BBC nach wie vor auf die kooperative Überprüfung ihrer Mitarbeiter setzt, mag das Medienunternehmen derweil keine Stellung beziehen:
Wir kommentieren Angelegenheiten der Sicherheit nicht", erklärte eine BBC-Sprecherin.
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