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Mordfall Litwinenko: Ermittlungsdokumente entlasten russische Hauptverdächtige

Mit der Skripal-Affäre rückte auch der Tod des russischen Ex-Agenten Alexander Litwinenko wieder ins Rampenlicht. Er wurde im November 2006 in Großbritannien vergiftet. Dokumente entlasten nun die beiden Russen, die London für die Tat verantwortlich macht.
Mordfall Litwinenko: Ermittlungsdokumente entlasten russische HauptverdächtigeQuelle: Reuters © Reuters

Zur Untermauerung seiner Vorwürfe in der Skripal-Affäre hat London immer wieder auf den Fall Litwinenko verwiesen – so auch in der sechsseitigen PowerPoint-Präsentation, mit der Großbritannien seine Partner von der Schuld Russlands zu überzeugen versuchte.

Der ehemalige russische Agent Alexander Litwinenko starb am 23. November 2006 an den Folgen einer Vergiftung. Laut den Ermittlern wurde er drei Wochen zuvor, am 1. November, mit der seltenen radioaktiven Substanz Polonium-210 vergiftet. London macht Russland für das Attentat verantwortlich. Moskau wies den Vorwurf stets zurück.

Nun erklärte die russische Generalstaatsanwaltschaft, dass Spuren von Polonium-210 bereits in London nachgewiesen werden konnten, bevor die beiden russischen Bürger dort waren, die von der britischen Regierung für den Giftanschlag verantwortlich gemacht werden. Die Generalstaatsanwaltschaft beruft sich dabei auf Ermittlungsergebnisse, die das Vereinigte Königreich mit Deutschland teilte, und veröffentlichte die entsprechenden Dokumente im Internet.

Litwinenko war ein enger Mitarbeiter und Vertrauter des im März 2013 verstorbenen russischen Unternehmers Boris Beresowski. Der Oligarch hatte sich Ende 2000 wegen Korruptionsvorwürfen in seiner Heimat nach London abgesetzt, drei Jahre später erhielt er in Großbritannien Asyl und damit Schutz vor weiterer Strafverfolgung.

Litwinenko wiederum hatte im November 2000 in London Asyl beantragt, das ihm ein halbes Jahr später gewährt wurde. Im Vereinigten Königreich heuerte er beim britischen Auslandsgeheimdienst MI6 an. Wenige Wochen vor seinem Tod erhielt Litwinenko die britische Staatsbürgerschaft.

Polonium in London noch vor Eintreffen der Tatverdächtigen nachgewiesen

Tatverdächtig sind laut London die beiden russischen Staatsbürger Dmitri Kowtun und Andrei Lugowoi. Kowtun war über Hamburg nach London gereist, wo er sich mit Lugowoi und Litwinenko traf. Deshalb wurden die deutschen Behörden an der Untersuchung des Falles beteiligt. Die russische Staatsanwaltschaft veröffentlichte am Montag ein Dokument der Staatsanwaltschaft Hamburg vom November 2006, das dem britischen Narrativ widerspricht.

Nikolai Atmoniew, ein Berater des Generalstaatsanwalts, erklärte dazu:

Laut den Schlussfolgerungen unserer deutschen Kollegen, die auf der Grundlage aller von der Hamburger Staatsanwaltschaft – einschließlich der aus Großbritannien – gesammelten Beweise beruht, die auch die von Polonium-210 zurückgelassenen Strahlungsspuren umfassen, war das Polonium bereits in London, bevor Lugowoi und Kowtun am 1. November 2006 dort eintrafen.

Er fügte hinzu, dass nach Angaben der deutschen Staatsanwaltschaft laut britischer Seite "die höchste radioaktive Kontamination im Londoner Büro von Boris Beresowski und im Körper des italienischen Staatsbürgers Mario Scaramella gefunden wurde".

Scaramella, ein Anwalt und Nuklearexperte, traf Litwinenko am Tag seiner Vergiftung und wurde so ebenfalls Polonium-210 ausgesetzt. Zur Frage, wie viel er von dem giftigen Stoff abbekam, gab es widersprüchliche Medienberichte. Einige sprachen von einer winzigen Menge, der Scaramella ausgesetzt gewesen sei, andere hingegen von einer tödlichen Dosis, die er auf wundersame Weise überlebt habe.

Russische Staatsanwaltschaft hält Beresowski für Hauptverdächtigen

Nach Angaben der russischen Staatsanwaltschaft haben sich Litwinenko und Beresowski im Jahr 2006 überworfen. Litwinenko stellte demnach eine Bedrohung für Beresowski dar, weil er Fehler in dessen Asylverfahren sowie die Rolle der britischen Geheimdienste bei seinem Schutz vor der russischen Justiz hätte aufdecken können. Die russische Staatsanwaltschaft glaubt, dass der Exil-Oligarch Litwinenko getötet haben könnte, um seinen Aufenthaltsstatus in Großbritannien zu schützen.

Wir haben Grund zur Annahme, dass Beresowski damals die Person mit dem stärksten Motiv war, Litwinenko zu töten; und die Entdeckung einer radioaktiven Spur in seinem Büro ist ein weiterer Beweis für den Fall gegen ihn", sagte Atmoniew.

Die Erklärung der russischen Staatsanwaltschaft erfolgt inmitten der Kontroverse um die Vergiftung des ehemaligen russischen Doppelagenten Sergei Skripal und seiner Tochter Julia in Salisbury.

Die britischen Behörden werden weiterhin unbegründete Anschuldigungen gegen Russland und seine Bürger im Zusammenhang mit der Ermordung von Litwinenko erheben und versuchen, nicht haltbare Parallelen zwischen diesem Fall und der Vergiftung der Skripals herzustellen", so die Staatsanwaltschaft.

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Wichtiger Zeuge widerruft Aussage

Im Mittelpunkt der Erklärung der Staatanwaltschaft stand der kasachische Geschäftsmann Wladimir Terluk. Als Beresowski in Großbritannien Asyl beantragte, überzeugte Terluk mit seiner Aussage den zuständigen Richter, dass der Oligarch in Großbritannien Schutz brauche. Der Kasache hatte vor Gericht angegeben, dass er beauftragt wurde, Beresowksi zu ermorden. Jahre später behauptete Terluk in einem Fernsehinterview, dass seine Aussage von 2003 falsch gewesen sei – woraufhin Beresowksi eine Verleumdungsklage gegen ihn anstrengte.

Vergangene Woche gab Terluk eine Erklärung ab, die von der russischen Staatsanwaltschaft veröffentlicht wurde. Darin behauptete er, Ende Januar von einem Beamten von Scotland Yard angesprochen worden zu sein (dessen Name in der Erklärung geschwärzt wurde). Dieser habe ihm angeboten, im Austausch für eine Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung in Großbritannien eine öffentliche Erklärung gegen Russland abzugeben.

Terluk sagte, dass er derzeit auf seine Ausweisung warte, nachdem seine vorherige fünfjährige Aufenthaltsgenehmigung abgelaufen ist. Der Vorschlag habe ihn an die Erfahrung von 2003 erinnert, als Litwinenko ihn dazu gezwungen habe, eine Falschaussage zu machen, um Beresowskis Asylverfahren zu unterstützen, so Terluk.

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