Skripal-Affäre: London verwickelt sich zunehmend in Widersprüche – Berlin hält dennoch die Treue
Im Fall des Giftanschlags auf den ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter Julia verwickelt sich London immer stärker in Widersprüche. So ertönte von Anbeginn der Skripal-Affäre der Vorwurf aus London, Moskau kooperiere nicht. Dabei war es die britische Regierung, die sich weigerte, die gängige Verfahrensweise innerhalb der für solche Vorfälle zuständigen Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) einzuhalten. Moskau drängte hingegen auf diese Einhaltung und wollte auch an der Untersuchung beteiligt werden. London wies das zurück.
Bei der Sondersitzung des OPCW-Exekutivrats am Mittwoch in Den Haag wurde der gemeinsame Vorschlag von Russland, China und dem Iran abgelehnt, Russland eine Beteiligung an einer OPCW-Untersuchung zu ermöglichen. Russlands Vertreter bei der Organisation, Alexander Schulgin, kritisierte in diesem Zusammenhang, die Ermittlungen Großbritanniens und der OPCW-Experten seien nicht transparent.
Von den 41 OPCW-Mitgliedern stimmten 15 gegen und 6 für die Resolution, 17 Länder enthielten sich und 3 waren abwesend. Russland bedauerte anschließend, dass die Resolution aufgrund der Blockadehaltung der EU- und NATO-Staaten nicht angenommen wurde und sprach in diesem Zusammenhang von einer "strengen transatlantischen Disziplin".
Mehr zum Thema - Russische Analysten: Westen steuert die Welt mit Skripal-Fall auf Kuba-Krise 2.0 zu
London bezeichnete den Vorschlag zu einer gemeinsamen Ermittlung hingegen als "pervers". Dabei handele es sich um ein "Ablenkungsmanöver" und um weitere "Desinformationen", so die britische OPCE-Delegation in einem Tweet.
Russia’s proposal for a joint, UK/Russian investigation into the Salisbury incident is perverse. It is a diversionary tactic, and yet more disinformation designed to evade the questions the Russian authorities must answer.
— UK Delegation OPCW (@UK_OPCW) 4. April 2018
Großbritannien erneuerte in Den Haag seine Anschuldigungen gegen Russland. Es sei höchstwahrscheinlich, dass der russische Staat für den Anschlag verantwortlich sei, erklärte der britische Vertreter bei der Sondersitzung. Großbritannien habe das eingesetzte Nervengift als den Stoff identifiziert, der von Russland schon früher produziert worden sei.
Der britische Außenminister Boris Johnson, der behauptet hatte, Russlands Präsident Wladimir Putin habe den Anschlag höchstpersönlich angeordnet, triumphierte anschließend:
Die internationale Gemeinschaft hat diese Taktik wieder einmal durchschaut und Russlands Versuche, den ordnungsgemäßen internationalen Prozess zum Entgleisen zu bringen, entschieden zunichtegemacht.
Foreign Secretary @BorisJohnson responds to the defeat of Russia's proposals at the @OPCW:"The international community has yet again seen through these tactics and robustly defeated Russia’s attempts today to derail the proper international process."https://t.co/nZCEQqdQa3pic.twitter.com/2NBw0C7URQ
— Foreign Office 🇬🇧 (@foreignoffice) 4. April 2018
Ankläger erleiden Schiffbruch – und machen ungeniert weiter
Tatsächlich hat jedoch der Leiter des britischen Chemiewaffenlabors in Porton Down am Dienstag erklärt, dass die Herkunft des bei dem Anschlag verwendeten Nervengiftes nicht identifiziert werden konnte.
Daraufhin wurden Rücktrittsforderungen gegenüber Johnson laut, weil er die Öffentlichkeit belogen hatte. Der Minister hatte ein einem Interview erklärt, dass Porton Down ihm "absolut eindeutig" versichert habe, dass der Kampfstoff aus Russland stamme und es daran "keine Zweifel" gebe. Nebenbei räumte er ein, dass die Briten selbst Nowitschok in ihrem Bestand haben.
Labour-Chef Jeremy Corbyn wirft Johnson nun vor, dass er entweder nicht all sein Wissen preisgebe oder übertreibe. Labour-Politikerin Diane Abbott sprach von einer Irreführung der Öffentlichkeit. Johnson erwiderte, dass Oppositionschef Corbyn genauso wie Russland versuche, Großbritannien zu diskreditieren.
Bundesregierung als williger Gehilfe
Nachdem Johnson der Falschaussage überführt wurde, behauptete die britische Regierung, nie behauptet zu haben, dass das bei dem Anschlag eingesetzte Nervengift aus Russland stamme – und löschte einen Tweet, in dem sie genau das behauptet hatte, nur um dann mit ihren Behauptungen weiterzumachen.
So absurd die Darstellungen Londons auch sind, sie halten die Bundesregierung nicht davon ab, sich weiterhin ohne Wenn und Aber an die Seite der Briten zu stellen. Außenminister Heiko Maas sagte am Donnerstag während seines Besuches in Jordanien, dass die von Großbritannien vorgelegten Informationen so "eindeutig" auf eine russische Verantwortung für den Giftanschlag hinwiesen, "dass wir keine andere plausible Erklärung haben".
Mehr zum Thema - Trotz fehlender Beweise: Neuer Außenminister Maas fordert Aufklärung von Russland wegen Skripal
Bei den von den Briten vorgelegten Informationen dürfte es sich lediglich um die aus sechs Folien bestehende PowerPoint-Präsentation handeln, die vergangene Woche geleakt wurden. Diese enthalten zwar viele Anschuldigungen, aber nicht mal im Ansatz Belege für eine russische Verantwortung – noch dazu sind sie nachweislich voller Falschinformationen.
Der Sprecher des Außenamtes musste bei der Bundespressekonferenz am Mittwoch einen wahren Eiertanz aufführen, als er danach gefragt wurde, wie denn die Bundesregierung dazu komme, auf einer solchen Grundlage Moskau zu verurteilen und russische Diplomaten auszuweisen. Eine Maßnahme, die Maas als "verhältnismäßig" und "notwendig" bezeichnete.
Um nicht eingestehen zu müssen, dass Berlin allein anhand des lächerlich erscheinenden britischen "Beweisdokuments" Maßnahmen gegen Moskau einleitete, führte der Außenamtssprecher einen ominösen "Quellenschutz" an.
Im Dunkeln ist gut Munkeln
Was auf die Russland entlastenden Aussagen aus Porton Down folgte, war so absehbar wie das sprichwörtliche Amen in der Kirche. Wie schon der Außenamtssprecher andeutete, werden nun Geheimdiensterkenntnisse bemüht, die selbstverständlich aus Gründen des Quellenschutzes und der Geheimhaltung nicht öffentlich diskutiert und überprüft werden können. Der Öffentlichkeit bleibt dann nur die Wahl, den Behauptungen aus London Glauben zu schenken oder auch nicht.
Folgerichtig berichteten dann am Donnerstag britische Medien unter Berufung auf Geheimdienstquellen, dass Experten das russische Labor identifiziert hätten, in dem angeblich das eingesetzte Nowitschok hergestellt wurde. "Die Experten sind sich zwar nicht zu 100 Prozent, aber doch recht sicher", schrieb die Times.
Nicht umsonst sagte der Chef des russischen Auslandsgeheimdienst SWR, Sergej Naryschkin, es handele sich beim Fall Skripal um eine "groteske Provokation, grob fabriziert von den britischen und amerikanischen Geheimdiensten."
Mehr zum Thema - Fall Skripal: Bisher keine haltbare Theorie über Tathergang im englischen Salisbury
Russland hat nun eine Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen einberufen, die laut dem russischen UN-Botschafter Wassili Nebensja noch am Donnerstag in New York stattfinden soll.
Dort wird sich dann zeigen, ob Russland tatsächlich so isoliert dasteht, wie London behauptet. So hatte ein Sprecher des Außenministeriums erklärt, die Aussagen aus Porton Down seien zu vernachlässigen, da "die internationale Gemeinschaft zustimmt, dass es keine andere plausible Erklärung" gebe als eine Täterschaft Russlands.
Wie wenig Überzeugungskraft die britischen Behauptungen auf die von ihr vielbeschworenen internationale Staatengemeinschaft tatsächlich haben, zeigt sich daran, dass bisher nur rund 25 westliche Staaten sowie die NATO russische Diplomaten ausgewiesen haben. Selbst neun EU-Staaten hatten der britischen Regierung die Gefolgschaft verweigert, die zunehmend ihre Glaubwürdigkeit verliert.
(rt deutsch/dpa)
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.