Europa

UNO fordert Schutz der Menschenrechte gegenüber Konzernen: Berlin und EU blocken

Die Vereinten Nationen und zahlreiche NGOs haben sich seit Jahren um besseren Schutz der Menschenrechte gegenüber Konzernen bemüht. Ausgerechnet die Bundesregierung, die für einen Sitz im Sicherheitsrat kandidiert, bevorzugt unverbindliche "Leitprinzipien", wie sie gegenüber RT Deutsch bestätigt.
UNO fordert Schutz der Menschenrechte gegenüber Konzernen: Berlin und EU blockenQuelle: www.globallookpress.com

Wie die taz am Dienstag berichtete, blockiert Deutschland das Vorhaben der Vereinten Nationen, Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechten zu verpflichten. Zusammen mit den EU-Partnern bemühe sich die Bundesregierung um einen Abbruch der Verhandlungen im UN-Menschenrechtsrat. 

Über 100 UN-Mitgliedsstaaten beteiligen sich an der Verhandlung der im Jahr 2014 eingesetzten „Arbeitsgruppe zur Erarbeitung rechtlich verbindlicher Menschenrechtsregeln für transnationale Konzerne und andere Wirtschaftsunternehmen“, die auf eine von Ecuador und Südafrika eingebrachte Initiative zurückgeht. Beispiele dafür, dass es kaum Verantwortlichkeit von internationalen Konzernen gegenüber von ihnen Geschädigten gibt, lassen sich zahlreich finden.

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Mehrere Studien dokumentieren Fälle, in denen auch deutschen Unternehmen eine direkte oder indirekte Beteiligung an schweren Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen wird, darunter Verseuchung von Wasser, Landvertreibungen oder die rücksichtslose Ausbeutung von Beschäftigten in der Textilproduktion. Einer Studie der Universität Maastricht aus dem Jahr 2015 zufolge stand Deutschland an fünfter Stelle im internationalen Vergleich von Menschenrechtsbeschwerden gegen im Land ansässige Unternehmen.

Auf Anfrage von RT Deutsch beschreibt die Leiterin des Referats Politik bei Global Justice Now, einer der Organisationen, die die verbindlichen Regeln voranbringen wollen, die europäische und die deutsche Haltung folgendermaßen:

Die europäischen Regierungen und die EU haben seit langem eine sehr starke und aktive Unterstützung bei Abkommen und Handelsverhandlungen gezeigt, die Investoren schützen und es den Unternehmen ermöglichen, die Unternehmensgewinne zum Nachteil der Menschenrechte, der Umwelt und der Souveränität der Völker, insbesondere im globalen Süden, zu steigern. Regierungen in der EU, wie Deutschland und Großbritannien, nehmen die Position der EU ein, um ihre Uneinigkeit mit dem Vertrag zu verbergen, der die transnationalen Konzerne und andere Unternehmen regulieren würde, seit er 2014 beim UN-Menschenrechtsrat vorgeschlagen wurde. Die EU-Regierungen boykottierten oder nahmen nicht positiv an den Verhandlungen teil. Die letzte Sitzung im Oktober in Genf war in gewisser Weise eine leichte Verbesserung, da sie aktiv an den Diskussionen teilgenommen haben. Wir haben jedoch keine Unterstützung für den Vertrag durch die deutsche Regierung gesehen oder gehört, sondern vielmehr die Befürchtung geäußert, dass er aufgrund des bereits bestehenden Mechanismus nicht benötigt wird. Diese Bedenken sind in der Tat falsch und lenken den bestehenden Mechanismus ab, der nicht den Charakter des verbindlichen Vertrags hat.

Lediglich einige europäische Abgeordnete Fraktion der Linken im Europaparlament (GUE/NGL) hätten ebenfalls verbindliche Regeln gefordert

Menschenrechte: Fundament deutscher Außenpolitik?

Federführend in der deutschen "Blockadehaltung" gegenüber der Menschenrechtsschutz-Initiative  ist das Auswärtige Amt,  unterstützt wird es von den Ressorts Entwicklung, Wirtschaft, Justiz sowie Arbeit und Soziales.

Gleichzeitig sprechen sich diese Ministerien für den Schutz der Menschenrechte aus. So verspricht der Internetauftritt des Auswärtigen Amtes, dass Menschenrechte "nicht verhandelbar" seien und gar das "Fundament deutscher Außenpolitik" bildeten. So lassen sich deutsche Politiker bei kaum einer Gelegenheit im In- und Ausland die Gelegenheit nehmen, die Bedeutung der Menschenrechte zu betonen, deren Einhaltung auch viele Wähler fordern.

Umso verwunderlicher, dass die Bundesregierung zu der UN-Initiative, welche ebendiese Art von Verstößen verhindern möchte, "eine kritische Haltung" vertritt, wie eine Sprecherin der Justiz- und Verbraucherschutzministeriums (BMJV) gegenüber RT Deutsch betont, denn das Ziel der Initiative sei in der Tat

ein rechtsverbindliches internationales Instrument zu schaffen, mit dem die menschenrechtliche Haftbarkeit von transnational tätigen Unternehmen geregelt werden soll.

Auf die Frage nach den Gründen für die deutsche Haltung teilt die Pressesprecherin des BMJV mit, dass durch den Entwurf lokal tätige Unternehmen nicht erfasst würden, "die vor Ort ebenso menschenrechtswidrige Zustände schaffen könnten wie transnationale Unternehmen".

Abgesehen davon, dass im Kontext des Klimaschutzes in solchen Fällen vom "first-mover"-Prinzip gesprochen wird, wodurch andere Unternehmen nachziehen würden, wenn einige mit gutem Beispiel vorangehen, ist es insbesondere das Machtgefälle zwischen global agierenden Wirtschaftskonzernen und Ländern mit schwachen Schutzmechanismen, auf das die Befürworter der UN-Initiative verweisen.

So erklärt die Leiterin der Politikabteilung von Global Justice Now gegenüber RT Deutsch:

Es ist ganz klar, dass transnationale Konzerne in der heutigen Zeit mächtiger sind als Regierungen. Sie könnten die Regeln ändern und Regeln schaffen oder Staaten über ISDS-Mechanismen [Investment-State Dispute Settlement] vor Gericht zerren, wenn ihre Gewinne betroffen sind. Profit und Kapital haben damit Vorrang vor den Menschenrechten und der Umwelt. Eine Alternative zu dieser Realität könnte ein verbindlicher UN-Vertrag über transnationale Konzerne sein.

Bundesregierung pocht auf industriefreundliche, freiwillige Prinzipien

Das BMJV teilt weiterhin mit, gegen die Initiative spreche, sie sei "nicht hinreichend mit den UN-Leitprinzipien Wirtschaft und Menschrechte verknüpft, die Deutschland (wie viele andere EU-Staaten) derzeit im Rahmen eines Nationalen Aktionsplans umsetzt".

Auch der Sprecher des Auswärtigen Amtes verweist RT Deutsch auf Anfrage auf die UN- Leitprinzipien Wirtschaft und Menschrechte als "zentralen Beitrag zum Schutz der Menschenrechte entlang der weltweiten Liefer- und Wertschöpfungsketten. Der Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte 2016-2020 (NAP) der Bundesregierung implementiert die VN-Leitprinzipien auf eine menschenrechtlich ambitionierte und außenwirtschaftlich vernünftige Weise." In dem jeweiligen "Nationalen Aktionsplan"(NAP) wird dargelegt, wie ein Staat die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte umzusetzen gedenkt. 

Der im Jahr 2016 vom Bundeskabinett beschlossene Aktionsplan gesteht ein, dass den G7-Staaten aufgrund ihres "herausragenden Anteils am Globalisierungsprozess eine wichtige Rolle bei der Förderung von Arbeitnehmerrechten, guten Arbeitsbedingungen und des Umweltschutzes in globalen Lieferketten" zukommt.

Jedoch sehen zahlreiche karitative Organisationen wie Miseror und der Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO) und Germanwatch den "Nationalen Aktionsplans (NAP) zur Umsetzung der UNLeitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechten" als zahnlosen Tiger. Mit der Vorbereitung des Aktionsplans, an der sie sich beteiligt hatten, war für sie die Hoffnung verbunden,

dass sich die Bundesregierung vom gescheiterten Leitbild der reinen Freiwilligkeit verabschiedet und deutsche Unternehmen gesetzlich verpflichtet, bei ihren Aktivitäten und Geschäftsbeziehungen im Ausland ihre menschenrechtliche Verantwortung wahrzunehmen. Der Aktionsplan […] bleibt hinter dieser Erwartung weit zurück. Selbst Unternehmen im Eigentum des Bundes werden vorerst nicht verbindlich zur menschenrechtlichen Sorgfalt in ihren Auslandsgeschäften verpflichtet.

Auch der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann kommentierte, der deutsche NAP sei nur ein "bescheidener Beitrag".

Insbesondere bei der unternehmerischen Sorgfaltspflicht in der Achtung der Menschenrechte muss noch Vieles nachgebessert werden. Ein beherzter gesetzlicher Rahmen für die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht wäre besser gewesen.

Die Leiterin des Referats Politik bei Global Justice Now begründete die Forderung nach gesetzlichen Regeln statt unverbindlicher Leitprinzipien folgendermaßen:

Wir haben bereits gesehen, wie unwirksam die bestehenden freiwilligen Mechanismen sind. Am Ende des Tages könnten die Konzerne immer noch tun, was immer sie wollen oder nur das, was sie akzeptieren, und sie selbst überwachen ihre eigenen Aktivitäten. Im Gegensatz dazu wäre der [von der UN derzeit verhandelte] Vertrag verbindlich und würde große Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten nach internationalem Recht zur Rechenschaft ziehen. Sie hat das Potenzial, die Achtung der Menschenrechte drastisch zu verbessern, und sie erstreckt sich auch auf die Lieferketten transnationaler Konzerne, von denen mehr als 450 Millionen Arbeitnehmer betroffen sind.

Die Geschichte wiederholt sich – Primat von Investitionen gegenüber Menschenrechten

Die Sprecherin des BMJV führt als ein weiteres Argument gegen die verbindlichen Regeln der UNO an, dass die Initiatoren bislang "die Zivilgesellschaft (insbesondere die Wirtschaft) nicht hinreichend in den Prozess eingebunden" haben.

Dabei war es eben der Einfluss der Wirtschaft, die frühere Vorschläge für mehr Verbindlichkeit aufgeweicht hat- herausgekommen ist der Global Compact, der die derzeit von der Bundesregierung und der EU bevorzugten UN-Leitprinzipien miterarbeitet hat, in denen sich eine Reihe von Hausaufgaben in Form unverbindlicher Vorgaben für und von Unternehmen finden.

Bereits in den 1970er-Jahren hatten Länder des globalen Südens- mit Unterstützung des kommunistischen Ostens-  bei der UNO darum gekämpft, die heute offiziell vom Westen vertretenen Werte wie Menschenrechtsschutz auch für Wirtschaftsunternehemen verbindlich zu machen.

Leider stimmten bereits damals einflussreiche westliche Staaten gegen Verbindlichkeit, vor allem Exportländer und die Mitglieder der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), die sich nach eigenen Angaben die der "Demokratie und Marktwirtschaft verpflichtet fühlen", scheinbar jedoch allem voran letzterer.

Damit wurde das grundsätzliche Primat von Handels- und Investitionsabkommen gegenüber Menschenrechten erneut und im Namen der EU bestätigt. Die Vereinigten Staaten sind übrigens zu den Verhandlungen des jüngsten UN-Vorstoßes gar nicht erst aufgetaucht. Ecuador erklärte, man sei über diese Schwerpunktsetzung im 21. Jahrhundert "schockiert".

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