Erster Journalistenmord in Slowakei: Spuren führen zur italienischen 'Ndrangheta
Der als Reporter für das slowakische Nachrichtenportal aktuality.sk tätige Ján Kuciak und seine Lebensgefährtin Martina Kušnírová waren am 25. Februar in ihrem Haus im Dorf Veľká Mača in der Westslowakei tot aufgefunden worden. Nach Polizeiangaben wurden beide durch Schüsse in Kopf und Brust im Stil einer Hinrichtung getötet. Nach aktuellen Erkenntnissen befasste sich Kuciak im Rahmen seiner letzten Reportage mit dem Filz bestehend aus Verbindungen kalabrischer 'Ndrangheta-Clans und höchsten Kreisen der slowakischen Politik.
Neben den Leichen wurden Berichten zufolge scharfe Schusspatronen zurückgelassen. Dies wird als Warnsignal an mögliche weitere Opfer gedeutet.
Im Zuge der Ermittlungen durchsuchte die slowakische Polizei nun die Anwesen italienischer Geschäftsleute in der Ostslowakei. Nach Informationen des Onlineportals der Tageszeitung Sme handelte es sich dabei um Antonino Vadalà und seinen Bruder Bruno sowie möglicherweise auch noch um einen Cousin der beiden. Die windigen Unternehmer waren demnach Teil der letzten Reportage des Enthüllungsjournalisten und sollen mit kalabrischen Mafiosi in Verbindung gestanden haben.
Polizeipräsident Tibor Gaspar wollte in einer Stellungnahme für das Onlineportal die Namen der Festgenommenen nicht direkt nennen, bestätigte aber auf eine Journalistenfrage:
Ja, es geht um Personen, die in der letzten Reportage von Herrn Kuciak erwähnt wurden. Und ja, wir können das als die italienische Spur bezeichnen.
"Wenn das ein Auftragsmord war, können wir nicht sagen, in einem demokratischen Rechtsstaat zu leben. Dann bricht hier die Hölle aus", sagt der Generalprokurator der #Slowakei zum Mord am Journalisten #JanKuciak und verspricht Aufklärung pic.twitter.com/LFJimVUb3m
— Christoph Lehermayr (@Lehermayr) 26. Februar 2018
Nach Angaben Gaspars rechne er mit "insgesamt bis zu zehn Personen", denen in absehbarer Zeit die Festnahme drohe.
Am Mittwoch erklärte auch der slowakische Kulturminister Marek Maďarič im Zusammenhang mit den Ermittlungen seinen Rücktritt. "Jeder normale Mensch im Land", so Maďarič, sei nach dem Doppelmord erschüttert und da sein Ministerium den lokalen Medien am nächsten stehe, sei die Entscheidung nur folgerichtig:
Nach dem, was geschehen ist, kann ich mir nicht vorstellen, ruhigen Gewissens weiter Chef dieses Ministeriums zu bleiben, das auch für die Medien zuständig ist.
Die unvollendeten Recherchen des Journalisten führten demnach den Beweis, das unter anderem Mária Trošková, ihres Zeichens persönliche Assistentin des slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico, Verbindungen zum Italiener Vadalà unterhielten. Trošková soll zudem eine ehemalige Geschäftspartnerin und Lebensgefährtin von Vadalà gewesen sein. Trošková lässt seit Mittwoch ebenso wie ein anderer mit Vadalà in Verbindung gebrachter Fico-Vertrauter die Tätigkeit im Regierungsamt bis zur Aufklärung der Tat ruhen.
Auch der Leiter des slowakischen Sicherheitsrats Viliam Jasaň soll demnach Teil des Netzwerks gewesen sein. Die Recherchen Kuciaks legen zudem nahe, dass der Italiener mittels seines Firmengeflechts Geldwäsche und Subventionsbetrug betrieben habe. Dabei soll es sich um EU-Agrarsubventionen gehandelt haben.
Womöglich kostete die nahende Aufdeckung dieses Netzwerks den slowakischen Journalisten das Leben. Nach Recherchen Kuciaks hatten sich neben Vadalà weitere mutmaßliche Mitglieder der 'Ndrangheta im Osten der Slowakei festgesetzt, um über fingierte Rechnungen EU-Fördergelder in ihre Taschen umzuleiten. Immer wieder wiesen die Recherchen des ermordeten Journalisten auf Verbindungen der dubiosen Geschäftsleute und Verbindungspersonen bis in die Amtsstube des sozialdemokratischen slowakischen Regierungschefs Robert Fico.
Das Europaparlament will nach dem Doppelmord nun ein Untersuchungsteam in die Slowakei entsenden. EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani kündigte am Donnerstag in Brüssel an, dafür einen Beschluss vorzubereiten. Der CSU-Abgeordnete Manfred Weber hatte zuvor als Vorsitzender der christdemokratischen EVP-Fraktion einen entsprechenden Antrag gestellt.
Das Europäische Parlament muss die treibende Kraft sein, um Licht ins Dunkel der Vorfälle in der Slowakei zu bringen", sagte er.
Unterstützung bekam Weber unter anderem von dem Grünen-Abgeordneten Sven Giegold:
Journalisten müssen das Recht haben, frei zu arbeiten, auch wenn sie zu Korruptions- und Steuerfällen recherchieren", kommentierte er im Parlament.
#TheStoryIsNotDead: When a journalist is killed, others will take his place. OCCRP, @investigace_cz, and @irpinvestigates have completed slain Slovak reporter #JanKuciak's final investigation. Read it here: https://t.co/nCH4dJeC63pic.twitter.com/jLZ9vyldP7
— OCCRP (@OCCRP) 28. Februar 2018
Im Falle des 27 Jahre alten Journalist Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová handelt es sich um den ersten Mord an einem Journalisten in der Geschichte des Landes.
Ministerpräsident Fico präsentierte währenddessen bei einer Pressekonferenz die Belohnung für Hinweise auf den oder die Täter. Auf einem Tisch lagen eine Million Euro, bestehend aus Bündeln 50er- und 100er Euro-Noten.
Die unvollendete Reportage Kuciaks ist unter anderem auf der Seite seines ehemaligen Arbeitgebers einsehbar. Das "Organized Crime and Corruption Reporting Project" veröffentlichte nun auch eine englische Version.
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