Zehn Jahre Unabhängigkeit des Kosovo - das Armenhaus Europas
Die weltbekannte britische Sängerin Rita Ora, die 1990 in Priština geboren wurde, hat ihren Auftritt angekündigt. Ihre britische Kollegin Dua Lipa, ebenfalls mit kosovarisch-albanischen Wurzeln, will auch kommen und für Stimmung sorgen, wenn die abtrünnige serbische Provinz Kosovo das zehnjährige Jubiläum ihrer Unabhängigkeit feiert. Die Vorbereitungen für die große Party laufen auf Hochtouren, schon jetzt wehen in der Hauptstadt Dutzende Fahnen und Ballons in Nationalfarben. Ein Herz in Blau-Gelb mit Überschrift "From Kosovo with Love" begrüßt die Besucher im Zentrum von Priština. Die Stimmung ist euphorisch, besonders in sozialen Netzwerken und den Medien.
Doch die Bilanz des Jahrzehnts der "selbstausgerufenen Unabhängigkeit", wie es offiziell beim Nachbarn Serbien heißt, fällt ernüchternd aus. Obwohl den jüngsten Staat Europas von 2008 bis heute 116 der 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen diplomatisch anerkannt haben, ist die Republik Kosovo immer noch nicht UNO-Mitglied. Dafür bedarf es einer Zweidrittelmehrheit. Serbien erkennt das Kosovo weiterhin nicht an, aber auch fünf EU-Mitgliedsstaaten verweigern diesen Schritt - Spanien, Griechenland, Rumänien, die Slowakei und Zypern.
Armut, Arbeitslosigkeit und Auswanderung
Einen Aufschwung, den viele kosovarische Politiker prophezeiten, brachte die Souveränität nicht. Nach offiziellen Angaben liegt die Arbeitslosigkeit bei über 35 Prozent, bei Jugendlichen bis 24 Jahren soll dem kosovarischen Statistikamt zufolge jeder Zweite ohne Job sein. Laut den Vereinten Nationen lebt ein Drittel der 1,8 Millionen Einwohner unterhalb der Armutsgrenze. Das monatliche Durchschnittsnettogehalt beträgt rund 360 Euro.
Das Pro-Kopf-Einkommen lag 2015 nach Angaben der Weltbank bei 4.000 US-Dollar, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) insgesamt bei etwa 5,5 Milliarden Euro. Damit bleibt das Kosovo das ärmste Land auf dem Balkan und unter den ärmsten in ganz Europa. Dass die Unabhängigkeit und die Träume von einer besseren Zukunft wenig gebracht haben, sieht man auch an den Zahlen der Ausgewanderten: In den letzten zehn Jahren gingen Schätzungen zufolge 300.000 Kosovaren ins Ausland. Nach Angaben des serbischen Flüchtlingskommissariats haben seit 1999, der Ankunft der internationalen Friedensmission KFOR, rund 200.000 Serben die ehemalige autonome Provinz Jugoslawiens verlassen, die meisten Richtung Serbien.
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Nach Angaben der deutschen Botschaft in Priština ist die kosovarische Wirtschaft zu großen Teilen von Transferleistungen der kosovarischen Diaspora, vor allem aus Deutschland und der Schweiz, abhängig. Die Industrie erwirtschaftet lediglich zehn Prozent des BIPs.
Neben der Armut ist Korruption ein weiteres großes Problem des jungen Staates. Auf der Liste der Organisation zur Bekämpfung der Korruption "Transparency International" nimmt Kosovo Platz 95 von 176 ein.
"Das Kosovo ist weiterhin das schwarze Loch Europas"
Mithilfe der EU-Rechtsstaatlichkeitsmission EULEX sollen bestehende Defizite im Rechtssystem abgebaut werden, vor allem bei Eigentumsfragen. Viele geflüchtete Serben kämpfen immer noch um ihren Besitz.
"Serben sind immer noch rechtlos. Das Kosovo ist weiterhin das schwarze Loch Europas", sagt Nenad Popović, Minister ohne Geschäftbereich, zuständig für Innovationen und Technologien in der serbischen Regierung.
Es ist ein Ort, der von Drogenbossen, Kriminellen und Organhändlern beherrscht wird.
Wirtschaftlich sei es ohnehin nicht tragbar. Der kosovo-albanische Ökonom Mehmet Gjata sieht dies ähnlich: "Das Kosovo kann kein funktionsfähiger Staat werden, solange es nicht eine Wirtschaft entwickelt hat, die fähig ist, die zwei großen Probleme des Landes - hohe Arbeitslosigkeit und Armut - zu bekämpfen."
Aber die Tatsache, dass wir hier eine enorm reiche Elite haben, zeugt davon, dass die wirtschaftliche Entwicklung keine Priorität der Regierung ist.
Europäische Union pocht auf eine Lösung des Status-Konflikts
Die Europäische Union möchte das Thema Kosovo langsam vom Tisch haben. Davon zeugen auch die verstärkten Appelle an beide Seiten, sowohl an Serbien als auch ans Kosovo, endlich die seit 2013 unter EU-Führung andauernden Verhandlungen abzuschließen. Der serbische Präsident Aleksandar Vučić schlägt trotz der offiziellen Sprachregelung seiner Parteifreunde, das Kosovo niemals aufzugeben, in den letzten Monaten diplomatische Töne an und spricht von "innerem Dialog". Viele Analytiker in Belgrad sehen in seinen Auftitten eine Vorbereitung der Landsleute auf "schwere Entscheidungen". So sagte Vučić erst kürzlich beim Besuch des EU-Kommissars für Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen Johannes Hahn in Belgrad:
Um eine Zukunft in Europa zu sehen, müssen wir einen gewissen Preis aus der Vergangenheit zahlen.
Unverbrüchliche Freundschaft zu den USA
Am 6. Februar hatte die EU-Kommission ihre Vorstellungen von der Erweiterung um sechs Balkanländer präsentiert. Serbien ist zusammen mit Montenegro in den Annäherungsverhandlungen am weitesten fortgeschritten. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für Belgrad auf dem Weg in die EU-Familie ist der Abschluss eines "rechtlich bindenden Vertrages" mit dem benachbarten Kosovo. Auch der kosovarische Präsident Hashim Thaçi äußerte sich kürzlich: "Beide Seiten brauchen einen Vertrag, mit dem die jahrhundertealte Feindschaft beendet werden soll." Was dies konkret bedeutet und welchen Status die abtrünnige serbische Provinz haben wird, ist noch unklar. Eins scheint aber unverbrüchlich festzustehen: die Freundschaft der Kosovaren zu den Amerikanern. Jüngst tourte der kosovarische Premierminister Ramush Haradinaj durch die USA und traf sich mit zahlreichen politischen Unterstützern der Unabhängigkeit:
Unser Volk wird den amerikanischen Freunden immer dankbar sein.
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