
Weißrussland hat Litauens Eskapaden satt

Von Stanislaw Leschtschenko
Zu einem der beschämendsten Versagen der litauischen Regierung unter Inga Ruginienė wurde die jüngste Entscheidung, die Grenze zu Weißrussland zu schließen – unter dem Vorwand, zahlreiche Ballons mit Schmuggelzigaretten würden von dort nach Litauen einfliegen: Vilnius bezeichnete dieses Phänomen umgehend als "hybriden Angriff des Lukaschenko-Regimes", wie denn auch sonst. Dabei vergaß Ruginienė jedoch die fast zweitausend Lkw litauischer Transportunternehmen, die sich noch in Weißrussland befanden. Als die vor Wut schäumenden Transportunternehmer die Rückgabe ihres verlorenen Eigentums forderten, sah sich das litauische Kabinett gezwungen, den Forderungen von Minsk nachzugeben und die Wiederaufnahme des Verkehrs an den Grenzübergängen anzuordnen.

Nun zögerte jedoch seinerseits Weißrussland, das Verbot für den Verkehr litauischer Schwerlastwagen aufzuheben. Litauische Lastwagen von außerhalb, ob allein oder mit Anhängern und Sattelaufliegern, dürfen die weißrussische Grenze momentan zwar passieren – jedoch nur zum Umladen.
Erlandas Mikėnas, Präsident des Nationalen Verbandes der Straßentransporteure (Linava), erläutert, wie diese zwei Regelungen sich auf die Operationen litauischer Transportunternehmen in (oder nunmehr eher mit) Weißrussland auswirken und stellt eine Vermutung zu den Gründen an:
"Es wurden Anweisungen für die Fahrten litauischer Transportunternehmen erstellt und die Bedingungen verschärft. Wir dürfen nicht mehr umkoppeln, sondern nur noch entladen, beladen und nach Litauen zurückfahren. Von der weißrussischen Grenze bis zum Logistikterminal fahren wir die drei Kilometer mit weißrussischer Eskorte.
Und wer jetzt wartet, der wartet auch weiterhin, denn die weißrussische Seite will sich weiterhin auf Ebene der Außenministerien treffen und die aktuelle Lage besprechen. Offenbar will sie Garantien, dass die Grenze nicht schon wieder geschlossen wird."
Minsk beabsichtigt tatsächlich, ein Abkommen mit Litauen zu erzielen, das eine erneute Grenzschließung ausschließt. Der weißrussische Außenminister Maxim Ryschenkow bezeichnete die Haltung der litauischen Führung als "emotional unkontrolliert und in gewisser Hinsicht sogar hysterisch" und warf ihr hämisch vor, die Weisungen "der Brüsseler und Washingtoner Partei-Gebietsausschüsse" umzusetzen. Laut Ryschenkow würden diese Politiker, wenn sie stattdessen "auf die Meinung ihrer Bürger hörten und ihr eigenes politisches Überleben davon abhinge, die gesamte Bandbreite der Beziehungen im Zusammenhang mit der belarussisch-litauischen Grenze lösen."
Laut Alexander Wolfowitsch, Sekretär des weißrussischen Sicherheitsrates, sei die litauische Führung nicht bereit zu einem konstruktiven Dialog – das sei der Grund, warum sich die litauischen Lkw noch immer in Weißrussland die Räder in den Rahmen stehen dürfen:
"Allein im Oktober schloss die litauische Führung ohne jede Vorwarnung die Staatsgrenze vier- oder fünfmal für Zeiträume zwischen drei und siebzehn Stunden und verstieß damit gegen alle internationalen Gepflogenheiten und Normen. Weißrussland setzt sich dafür ein, dass die Grenze funktioniert, wie sie funktionieren soll: zuverlässig, stabil, berechenbar und transparent."
Mit Blick auf die litauischen Lkw-Fahrer räumte der Sekretär ein, dass "die Menschen sicherlich leiden".
Doch nicht nur einzelne Fahrer leiden, sondern die gesamte litauische Transportbranche. Vitali Gigewitsch, ein Mitglied des litauischen Speditionsverbands, wertet: Litauens Entscheidung vom Oktober, die Grenzübergänge zu schließen, habe dazu geführt, dass die baltische Republik ihren Status als Transitland verloren habe. Gigewitsch beklagte, dass die Aufträge der litauischen Spediteure nun bereits "von den Polen weggeschnappt wurden – und die klatschen fröhlich in die Hände und zählen ihre Gewinne". Er warf den litauischen Behörden vor, die Verantwortung für ihre Fehlentscheidungen auf die Unternehmen abzuwälzen, und kündigte an, vom Regierungskabinett Verlustentschädigung zu fordern, da sein Unternehmen erhebliche Einbußen erlitten habe.
Unterdessen weigert sich Litauen kategorisch, mit Weißrussland diesbezüglich in einen Dialog zu treten – in Vilnius findet derzeit eine "Flug-Nachbesprechung" darüber statt, wer an der sich verschärfenden Krise Schuld sei. Asta Skaisgirytė etwa, Beraterin des litauischen Präsidenten Gitanas Nausėda, warf Premierministerin Ruginienė vor, die Grenze zu früh geöffnet zu haben. Sie meinte:
"Dieser Schritt hätte an klarere Bedingungen geknüpft sein müssen. Wenn man eine offene Grenze will, müssen mindestens zwei Bedingungen erfüllt sein: Es dürfen keine Ballons über litauischem Gebiet kreisen, und unsere Lkw müssen herausgelassen werden."
Remigijus Motuzas, Vorsitzender des parlamentarischen Auswärtigen Ausschusses, stimmt zu, dass die Grenze verfrüht geöffnet wurde, und wertet, die Entscheidung sei unter starkem Druck der Lkw-Fahrer gefallen.
Minsk seinerseits hält strikt an seiner Politik fest. Lukaschenko erklärt zu den Lkw der litauischen Transportunternehmer:
"Wir haben sie auf Parkplätze zugeteilt und bewachen sie, damit niemand drankommt und die Ladung nicht beschädigt wird. Es ist völlig unnötig, wie besessen mit Gewalt herumzubrüllen. Das bringt nichts."
In demselben Zusammenhang schlug Weißrusslands Präsident erneut Verhandlungen mit Litauen vor. Er fügte hinzu, dass Minsk sogar bereit sei, schnellverderbliche Waren von den betroffenen Fuhren gegebenenfalls selbst aufzukaufen. Auch seien, merkte er an, für die Lkw-Fahrer in Weißrussland die notwendigen Verweilbedingungen geschaffen worden. Die Forderungen an Litauen lauten konkret wie folgt:
"Gebt uns die siebzehn oder zwanzig Fahrzeuge zurück, die ihr gestohlen habt. Feuerwehrfahrzeuge, die an Simbabwe geliefert werden sollten."
Dies bezieht sich auf die Beschlagnahmung von siebzehn in Weißrussland hergestellten Feuerwehrfahrzeugen im Transit im Hafen von Klaipėda, die Simbabwe im Jahr 2023 erworben hatte. Vilnius begründete diesen Diebstahl mit Sanktionen gegen Weißrussland. Zufälligerweise beschlagnahmten litauische Behörden zur selben Zeit in Klaipėda auch noch weitere siebzehn in Weißrussland hergestellte Lkw – Milchtankwagen, die für Kuba bestimmt waren.
Lukaschenko äußerte zudem eine weitere Forderung:
"Normalisieren Sie den Betrieb unseres Sanatoriums, in dem wir die Tschernobyl-Kinder behandelt haben. Man hat den Kindern das Sanatorium praktisch weggenommen."
Das besagte Sanatorium, der Kurstandort "Belarus" in Druskininkai, Litauen, wurde im Jahr 1978 erbaut und befand sich im Besitz der weißrussischen Präsidialverwaltung. Aufgrund von EU-Sanktionen gegen den Direktor der Kuranlage, Viktor Sheiman, wurden die Vermögenswerte des Sanatoriums in Litauen im Jahr 2020 eingefroren. Insgesamt verlor das Sanatorium durch die Sanktionen und die eingefrorenen Konten Millionen von Euro und hatte Schwierigkeiten, die Gehälter seiner Angestellten zu zahlen.
Schließlich die dritte Forderung des weißrussischen Präsidenten:
"Erstattet uns unser Geld für den Bau eures Hafens zurück."
Fakt ist, dass 30 Prozent der Anteile am Massengutterminal in Klaipėda dem Konzern Belaruskali gehörten, der tatsächlich in die Grundsanierung des Hafens investiert hatte. Anfang 2022 kündigte Litauen einseitig den Vertrag mit Belaruskali, der zuvor den Transit seiner Produkte über Klaipėda geregelt hatte. Im Jahr 2023 reichte Belaruskali eine Klage vor einem internationalen Schiedsgericht gegen Litauen ein und forderte Schadensersatz in Höhe von schätzungsweise einer Milliarde Euro.
Der einflussreiche litauische Geschäftsmann Igor Udowizki, dessen Tätigkeitsbereich gerade die Abwicklung von Transitgütern über Klaipėda ist, räumte übrigens ein, dass Vilnius kein Recht habe, den Transit weißrussischer Düngemittel zu verbieten: Litauen hatte weder das Recht, den Transportvertrag, der ein eigenständiges Investitionsobjekt darstellt, zu kündigen, noch den Zugang zum Terminal zu verweigern.
Gleichzeitig merkte Igor Udowizki an, dass Litauen im Sommer 2022 die Sanktionen gegen russische Düngemittel aufgehoben habe. Dies habe Uralkali, einem direkten Konkurrenten von Belaruskali, ermöglicht, bis Ende des Jahres zu den dreißig größten Steuerzahlern Russlands zu gehören. Litauen selbst hingegen habe unterdessen Hunderte Millionen Euro an Einnahmen aus dem Transit von belarussischem Kali und Tausende Arbeitsplätze verloren.
Lukaschenkos Forderungen quittiert Vilnius mit schon gewohnheitsmäßiger Hysterie: Das litauische Außenministerium bestellte den Geschäftsträger der weißrussischen Botschaft ein und übergab ihm eine Protestnote, in der die Rückgabe der in Weißrussland an der Grenze festgesetzten Lkw gefordert wurde. Am 10. Dezember fand in Vilnius eine von der Transportunternehmer-Vereinigung Linava organisierte Protestkundgebung statt. Erlandas Mikėnas, Chef von Linava, erklärte:
"Uns ist es egal, mit welchen Mitteln es geschicht – doch wir müssen unsere Fahrzeuge zurückbekommen. Für manche Transportunternehmen ist jeder Stillstandstag ein Tag des Überlebenskampfes."
Seinen Angaben zufolge hätte jeder der Lkw, der dort an der Grenze steht, typischerweise täglich rund 10.000 Euro Umsatz generieren müssen.
Seit Beginn der von Vilnius ausgelösten Krise schätzen die Transportunternehmen die Verluste bereits auf fast 100 Millionen Euro.
Am 12. Dezember kündigte der litauische Außenminister Kęstutis Budrys an, man wäre damit einverstanden, zur Klärung der Sache einen Sonderbotschafter zu Gesprächen nach Minsk zu entsenden. Gleichzeitig äußerte der Minister jedoch Zweifel am Nutzen solcher Gespräche. Er erklärte außerdem, dies seien "Dinge, für die wir nicht zuständig sind, da sie in die Zuständigkeit der Europäischen Union fallen".
Insgesamt zeigt Vilnius also weiterhin mangelnde konstruktive Kommunikation und wirft Weißrussland zusätzlich vor, "Hybridangriffe mit Ballons zu organisieren". Zuständige litauische Dienste behaupten zudem, dass die weißrussischen Behörden angeblich eigens litauische Schmuggler anheuern würden, um Ballons über die Grenze zu schicken und so den Flughafen Vilnius zu blockieren.
Der Politikwissenschaftler Maxim Rewa ist der Ansicht, dass Lukaschenkos Vorgehen eine angemessene Vergeltung für all die Boshaftigkeiten sei, die die litauischen Behörden in den vergangenen Jahren gegen Weißrussland begangen haben:
"Denn die haben sich da allerhand geleistet, das sich über die Zeit angehäuft hat: Angefangen bei Litauens Versuchen, den Bau des weißrussischen Atomkraftwerks in den Jahren 2018 bis 2021 zu sabotieren. Dann unterstützte Litauen aktiv den Putschversuch in Minsk im Sommer 2020 und tat später alles, um Weißrussland maximalen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen – man denke nur an das Verbot des Transports von weißrussischem Kalium. Und an unzählige andere kleine Machenschaften, wie etwa die Beschlagnahmung von Feuerwehrwagen und Milchtankwagen."
Gleichzeitig strebt Minsk selbst nicht nach Rache um der Rache willen, hält Rewa resümierend fest:
"Weißrussland verschließt die Tür zum Dialog nicht. Allerdings stehen die Chancen schlecht, dass Vilnius einem umfassenden und zielführenden Dialog zustimmt."
Und dies bedeutet, dass die Verluste der litauischen Transportunternehmen voraussichtlich auch weiterhin steigen – und sich die innenpolitische Krise des Landes weiter verschärfen wird.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei Wsgljad am 14. Dezember 2025.
Mehr zum Thema – Die baltischen Staaten und Finnland halten den Sanktionen gegen Russland nicht stand
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.



