
Alle Jahre wieder: Die EU-Kommission äußert sich zum Stand ihrer Erweiterung

Von Pierre Levy
Ursula von der Leyen nutzte die Vorstellung des alljährlichen Berichts zum Stand der Dinge in Sachen EU-Erweiterung, um zu bekräftigen: "Wir sind mehr denn je entschlossen, die Erweiterung der EU zu verwirklichen. Denn eine größere EU bedeutet ein stärkeres Europa mit mehr Einfluss auf der internationalen Bühne." Bereits im vergangenen Jahr hatte sie in lyrischem Ton geäüßert: "Die Erweiterung ist eine Antwort auf den Ruf der Geschichte, sie ist der natürliche Horizont unserer EU" ...

Tatsächlich ist es schon Jahre her – in einigen Fällen mehr als zehn Jahre –, dass Staaten den offiziellen Kandidatenstatus erhalten haben oder sogar "Verhandlungen" mit Brüssel aufgenommen haben. Darunter ist in Wirklichkeit die gründliche Prüfung der jeweiligen nationalen Gesetzgebung und deren einseitige Angleichung an die Gemeinschaftsnormen zu verstehen.
Die Führer der EU sind seit Langem der Ansicht, dass bestimmte Länder "natürlich" in ihren Einflussbereich fallen, was es rechtfertigt, sie an den Block zu "koppeln", was ein höflicherer Ausdruck ist als "annektieren". Darüber hinaus wird insbesondere seit 2022 in Brüssel offen bekräftigt, dass es darum gehe, das "Risiko" zu mindern, dass Russland einen Fuß auf dem Balkan behält.
Doch je entschlossener die Reden werden und je mehr sie behaupten, dass der Beitritt (zumindest für einige) in greifbare Nähe rücke, desto unwahrscheinlicher wird dieser Horizont, da er mit unüberwindbaren Widersprüchen konfrontiert ist.
Ewig in der Warteschleife
Zur Erinnerung: Es handelt sich um etwa zehn Länder. Da ist die Türkei, die theoretisch immer noch Kandidat ist, für die der Prozess jedoch seit Jahren auf Eis liegt, da Brüssel offene und wiederholte Verletzungen der bürgerlichen Freiheiten geltend macht. Die autonome geopolitische Position, die Ankara eingenommen hat, trägt ebenfalls dazu bei, dass eine Integration des Landes unwahrscheinlich ist.
Georgien ist ein Sonderfall. Im vergangenen Jahr erhielt es den Kandidatenstatus. Aber insbesondere seit den Wahlen im Oktober 2024 hat sich alles verändert. Der Regierung wird vorgeworfen, sich Moskau zugewendet zu haben. Das Land wurde daher auf unbestimmte Zeit in die Ecke gestellt.
Die Ukraine – und Moldawien, dessen Kandidatur mit der Kiews gekoppelt wurde – ist ebenfalls ein Sonderfall. Die meisten europäischen Führer bekräftigen öffentlich, dass dieses "Opfer- und Leidensland" aufgenommen werden müsse, aber es gibt keine realistische Perspektive: Das Land befindet sich im Krieg, und seine demografische und wirtschaftliche Größe würde die finanziellen Parameter der EU völlig aus dem Gleichgewicht bringen. Insbesondere die Konkurrenz im Agrarbereich hat bereits einen ersten Vorgeschmack auf den Tsunami gegeben, den eine Mitgliedschaft mit sich brächte.
Kiew wird ostentativ dafür gelobt, Reformen zur Stärkung der "Rechtsstaatlichkeit" eingeleitet zu haben. Aber Pech gehabt: Genau in dem Moment, als der Bericht veröffentlicht wurde, kam es zu einem riesigen Skandal um staatliche Korruption (Verteidigung, Energie), der direkt Personen aus dem engsten Umfeld von Präsident Wladimir Selenskij betraf.
Auch wenn nur Ungarn offiziell gegen den Beitritt der Ukraine ist, so teilen doch in Wirklichkeit viele Mitgliedstaaten diskret diese Position.
Unter den Balkanländern ist Bosnien-Herzegowina noch weit vom Beitritt entfernt. Seine Zersplitterung in autonome Einheiten und seine dysfunktionale Regierungsführung unter der Aufsicht eines externen Hohen Vertreters sind mit den europäischen Normen nicht vereinbar.
Der Kosovo, dessen rechtliche Existenz von fünf Mitgliedstaaten nicht anerkannt wird, hat nicht einmal den Status eines Beitrittskandidaten. Mazedonien seinerseits steckt nach wie vor in einem historischen Konflikt mit Bulgarien, der seine Annäherung an die EU blockiert.
Schließlich sorgt auch Serbien für Unmut bei der Kommission, die dem Land ausdrücklich vorwirft, die Politik der Europäischen Union gegenüber Russland nicht zu übernehmen. Tatsächlich versucht der serbische Präsident Aleksandar Vucic, ein prekäres Gleichgewicht in seinen Beziehungen zu Moskau auf der einen und Brüssel auf der anderen Seite herzustellen. Aber bei der EU muss man sich für eine Seite entscheiden ...
Die EU würde noch weniger "regierbar"
Bleiben noch die beiden Lieblinge Brüssels: Albanien (2,4 Millionen Einwohner) und Montenegro (600.000). In der Kommission gibt man vor zu glauben, dass die Ehe mit diesen beiden "Musterschülern" 2028 geschlossen werden könne.
In Wirklichkeit sind es gerade die Mechanismen der Erweiterung selbst, die diese unwahrscheinlich machen. Das erste Hindernis ist die "Regierbarkeit" einer EU mit 30 oder 35 Mitgliedern.
Denn schon jetzt ist die EU mit ihren 27 Mitgliedern mit internen Streitigkeiten und Widersprüchen konfrontiert, die ihre Funktionsfähigkeit immer häufiger lähmen. Die Aufnahme neuer Mitglieder würde das Problem nur noch verschärfen, insbesondere in Bereichen, in denen Einstimmigkeit erforderlich ist: Steuerpolitik und Außenpolitik.
Einige, darunter Berlin, setzen sich seit Langem für die Abschaffung dieser Einstimmigkeitregel ein. Dazu ist aber ... Einstimmigkeit erforderlich, was unerreichbar ist.
Dieses Hindernis der "Regierbarkeit" ist sehr real. Beweis dafür: in einigen Hauptstädten und Thinktanks werden zahlreiche Vorschläge zu seiner Überwindung gemacht. So wird eine schrittweise Integration ins Auge gefasst, bei der die neuen Mitglieder nicht sofort die gleichen Rechte wie die derzeitigen Mitglieder erhalten würden. Ein Status zweiter Klasse, der bis zur Reform der Gemeinschaftsinstitutionen Bestand hätte.
Es ist kaum anzunehmen, dass diese Perspektive von den betroffenen Ländern akzeptiert wird. Ebenso wenig realisierbar wäre die Einführung eines Status als "assoziiertes Mitglied", eine Idee, die im Koalitionsvertrag der aktuellen deutschen Regierungskoalition (CDU/CSU, SPD) erwähnt wird; die aber den Vorwurf eines "Europas der zwei Geschwindigkeiten" nicht entkräftet.
Mehr zum Thema - Meinungsfreiheit in Gefahr: EU-Kommission gründet Wahrheitsministerium
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.


