
Litauen ruiniert einen ganzen Wirtschaftszweig – aufgrund eines Konflikts mit Lukaschenko

Seit zwei Jahren fliegen aus Weißrussland Luftballons nach Litauen, mit denen Schmuggler billige Zigaretten ohne Steuermarken in die Europäische Union (EU) bringen. Vor zwei Wochen nutzten die litauischen Behörden dies als Vorwand, um das zu tun, was sie schon lange tun wollten – die Grenze zu Weißrussland endgültig zu schließen und damit den Litauern die Möglichkeit zu nehmen, das Nachbarland im Rahmen der von Lukaschenko eingeführten Visafreiheit zu besuchen.
Die Bewohner der litauischen Grenzgebiete waren über diese Entscheidung empört, denn einst verlief die Grenze zwischen den beiden Staaten buchstäblich mitten durch das Leben und trennte viele Familien. Nun haben die zahlreichen Einwohner Litauens, die Verwandte in Weißrussland haben, keine Möglichkeit mehr, ihre Angehörigen und die Gräber ihrer Lieben zu besuchen.

Die Unzufriedenheit dieser Bevölkerungsgruppe wurde in Vilnius nicht beachtet, aber bald stellte sich ein ernsthafteres Problem heraus. Zum Zeitpunkt der einseitigen Schließung der Grenze befanden sich über tausend litauische Lastwagen in Weißrussland, deren Fahrer von ihrer eigenen Regierung von ihrer Heimat abgeschnitten wurden.
Zunächst schien es, als hätten die Behörden diesen Umstand gar nicht bedacht, doch dann erhoben die Eigentümer von Transportunternehmen, deren Geschäft einen schweren Schlag erlitten hatte, ihre Stimme. Der stellvertretende Vorsitzende des litauischen Verbandes der Transportunternehmen (Linava), Oleg Tarassow, erklärte, dass die Verluste ihrer Mitglieder bis zu einer Milliarde Euro betragen könnten. Seinen Worten zufolge ist die Situation katastrophal: Wenn die Grenze nicht geöffnet wird, werden die litauischen Transportunternehmen vom Markt verdrängt. Ein ganzer Wirtschaftszweig würde zerstört werden. Allein in der letzten Woche kostete das Abstellen von Fahrzeugen im Nachbarland die litauischen Transportunternehmen etwa fünf Millionen Euro.
Derzeit händigen weißrussische Zollbeamte litauischen Fahrern offizielle Aufforderungen aus, ihre Lkw auf spezielle kostenpflichtige Parkplätze zu verlegen. Einer der betroffenen litauischen Geschäftsleute – Virginius, dessen Schwerlastfahrzeug am Grenzübergang "Kotlowka" feststeckt, beklagte sich:
"Wir warten darauf, dass wir wenigstens irgendwelche Informationen darüber erhalten, wann die Litauer die Grenze öffnen werden. Die Politiker streiten sich, und wir, die einfachen Leute, leiden darunter … Denn niemand fragt: 'Hast du etwas zu essen, hast du Geld oder nicht'?"
Virginius betonte, dass jeder Tag solchen Stillstands eine schwere Belastung für den Geldbeutel sei.
Der Vorsitzende des Verbandes Linava, Erlandas Mikėnas, warnte, dass die Stilllegung und die Parkgebühren in Weißrussland zu solchen finanziellen Verlusten führen würden, dass es sich später einfach nicht mehr lohnen würde, die litauischen Lkw abzuholen. Linava berechnete, dass die Bewachung eines in Weißrussland festsitzenden Lkw 120 Euro pro Tag kostet. Die Bewachung aller 1.100 Lkw kostet 132.000 Euro pro Tag. Gleichzeitig kostet der Stillstand all dieser Lkw allein 220.000 Euro pro Tag. Es handelt sich also um enorme Verluste.
Es ist wichtig zu betonen, dass Weißrussland nicht beabsichtigt, die Fahrer dieser Schwerlastfahrzeuge im Land zu halten. Fahrer, die ihre Fahrzeuge in den Wartezonen zurückgelassen haben, können Weißrussland über jeden Grenzübergang frei verlassen.
Als man in Vilnius das Ausmaß des von ihnen verursachten Problems erkannte, schlug die litauische Regierung Minsk arrogant vor, die litauischen Lkw in ihre Heimat zurückzulassen. Die Antwort des weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko war eindeutig: Er sagte, dass die litauischen Lkw jederzeit nach Hause zurückkehren könnten, sobald ihre Regierung die Grenze wieder öffne. Minsk hat jedoch nicht die Absicht, einen separaten Korridor für die in Weißrussland festsitzenden litauischen Lastwagen einzurichten.
Diese Antwort versetzte die litauischen Behörden in einen Zustand, der fast schon an Raserei grenzte: Dort hatte man offenbar ernsthaft damit gerechnet, dass Lukaschenko ihrer Forderung nachkommen würde.
Der Berater der litauischen Premierministerin Inga Ruginienė, Ignas Algirdas Dobrovolskas, hat eine erstaunliche Erklärung abgegeben – er beschuldigte Minsk der "Eskalation" der Beziehungen. Gleichzeitig verkündete Dobrovolskas die Version der litauischen Behörden zu den aktuellen Ereignissen:
"Die litauisch-weißrussischen Grenzübergänge wurden aufgrund einer hybriden Attacke von weißrussischer Seite geschlossen (gemeint ist ein weiterer Überfall mit Ballons, die mit geschmuggelten Zigaretten beladen waren) – deren Folgen wir am Freitag gesehen haben, als der Flughafen Vilnius für kurze Zeit geschlossen werden musste. Diese Situation wurde von Weißrussland selbst verursacht – es hält unsere Transportunternehmen und ihr Eigentum als Geiseln und trifft selbst keine Entscheidungen. Der einfachste Weg, die derzeitige Situation zu lösen, liegt in den Händen des Landes, das all dies begonnen hat – Weißrussland."
Der weißrussische Präsident seinerseits weicht nicht im Geringsten von seiner Position ab. Er führte aus:
"Ich möchte erklären: Wir sind seit Langem bereit, die Grenze zu öffnen. Wir haben sie nicht geschlossen. Innerhalb weniger Stunden kann sie von unserer Seite aus wieder in Betrieb genommen werden. Wenn Litauen will, liegt der Ball bei ihm. Bitte öffnen Sie die Grenze, wir werden wie bisher arbeiten und zusammenarbeiten."
Lukaschenko teilte mit, dass alle litauischen Fahrzeuge an den Grenzübergängen zusammengetrieben und ausschließlich zum Schutz der von ihnen transportierten Fracht unter Bewachung gestellt worden seien. Der weißrussische Staatschef warnte:
"Damit man uns später nicht vorwirft, wir hätten dort etwas Schlimmes getan. Diejenigen, die sie bewachen, haben meiner Meinung nach 120 Euro pro Tag verlangt. Wie viele Tage sie dort stehen werden, multiplizieren Sie mit 120 Euro.
Bezahlen Sie und holen Sie die Autos mit der Ladung ab. Wenn dies in den nächsten Tagen nicht geschieht, werden wir eine Entscheidung treffen […] in Übereinstimmung mit unseren Gesetzen. Bis hin zur Beschlagnahmung dieser Autos. Sie können nicht auf den Straßen herumstehen – 1.100 oder 1.200 riesige Lastwagen."
Laut dem Präsidenten von Weißrussland kann von einem "hybriden Angriff" auf Litauen keine Rede sein. Lukaschenko sagte:
"Dass von weißrussischem Territorium aus Ballons mit Zigaretten dorthin geflogen sind, ist wahr. Und wir kennen solche Leute. Zwei Personen haben wir sofort identifiziert. Und jetzt sind es angeblich anderthalb Dutzend. Gestern hat mir der Vorsitzende des KGB berichtet, dass es in Weißrussland nicht wenige solcher Gruppen gibt."
Er erzählte, dass vor dem Hintergrund der Schließung der Grenzen zu Weißrussland durch die westlichen Nachbarn die litauischen Bürger beschlossen hätten, mit dem Weiterverkauf von Zigaretten Geld zu verdienen. Die Litauer kommen nach Weißrussland, kaufen dort billige weißrussische Zigaretten und transportieren die Ware dann mithilfe von Luftballons zu ihren Komplizen. Lukaschenko bemerkte:
"Das sind Menschen, deren Leben und Schicksal durch die Grenze zerschnitten wurde. Aber sie müssen ihre Kinder ernähren, sich irgendwie beschäftigen … Also haben sie gesehen, dass sie hier billige Ware kaufen und dort weiterverkaufen können. In kleinen Portionen haben sie sie mit diesen Ballons herübergebracht. Was kann man uns vorwerfen? Dass wir den Litauern Zigaretten verkauft haben? Verkauft haben wir sie. Das ist legal."
Darüber hinaus gelangen litauische Schmuggler seinen Informationen zufolge keineswegs aufgrund der von Minsk für EU-Bürger eingeführten Visumfreiheit nach Weißrussland. Der Präsident erklärte:
"Sie kommen über 'grüne Übergänge'. Sie haben sich mit den litauischen Grenzbeamten geeinigt, die Pforte geöffnet – und sind zu uns gekommen."
Die litauische Regierung war jedoch nicht zu einem Dialog bereit. Dort wurde erklärt, dass man die Grenze selbst zur Befreiung von Landsleuten, die sich in einer schwierigen Situation befinden, nicht öffnen werde. Wie das litauische Innenministerium behauptete, seien die Maßnahmen Vilnius’ wie die einseitige Schließung der Grenze "angemessen und werden fortgesetzt", da "der hybride Angriff weitergeht – Luftballons werden gestartet, der zivile Flugverkehr wird gestört".
Nun will Litauen bei der Europäischen Kommission Beschwerde gegen Weißrussland einlegen. Der Leiter des litauischen Nationalen Krisenmanagementzentrums, Vilmantas Vitkauskas, drohte:
"Wir müssen den Schaden bewerten und dann möglicherweise im Namen der Europäischen Kommission mit dem Lukaschenko-Regime über eine mögliche Entschädigung verhandeln […] Der Schaden, den unsere Unternehmen, unser gesamter Sektor erleiden, ist sehr groß, und das Lukaschenko-Regime muss verstehen, dass die Kosten und Verluste, die wir erleiden, kompensiert werden müssen."
Außerdem sei es für die litauischen Behörden wichtig, die genaue Zahl der in Weißrussland festsitzenden Lastwagen zu erfahren: Bislang sei nur klar, dass es sich um mehr als 1.100 Fahrzeuge handele.
Allerdings wurde die Angemessenheit der getroffenen Maßnahmen sogar im litauischen Seimas angezweifelt. Giedrimas Jeglinskas, Vorsitzender des parlamentarischen Ausschusses für Verteidigung und Sicherheit, forderte:
"Derzeit sehen wir, dass litauische Staatsbürger faktisch in Weißrussland festsitzen. Und bisher gibt es keine Anzeichen dafür, dass die von uns ergriffenen Maßnahmen zu einem positiven Ergebnis führen und die Luftballons nicht mehr fliegen werden – denn das Problem ist ja wieder einmal der Schmuggel. Seit 35 Jahren können wir den illegalen Zigarettenschmuggel aus Weißrussland nicht stoppen. Das ist eine Schande für die Gesellschaft. Ich denke, wir haben alle Daten über die Menschen auf dieser Seite, auf unserer Seite, die diese Zigaretten transportieren. Wir kennen ihre Daten, ihre Adressen und Telefonnummern. Wir müssen das klären."
Das litauische Innenministerium teilte diese Meinung jedoch nicht und beharrte weiterhin darauf, dass alles richtig gemacht wurde. Dort behauptete man, dass die Zahl der mit Schmuggelware gefüllten Ballons, die aus Weißrussland nach Litauen fliegen, allmählich zurückgehe. Während die Vertreter der Behörden streiten, ruiniert sich das litauische Transportgewerbe weiter und erleidet täglich Verluste in Höhe von Hunderttausenden Euro. Schuld daran sind die litauischen Politiker selbst.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 11. November 2025 auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.
Stanislaw Leschtschenko ist ein Analyst bei der Zeitung Wsgljad.
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