Europa

Polen in Aufruhr: Nawrocki-Berater zu Besuch bei der AfD-Bundestagsfraktion

Polnische Politiker und Medien sind empört: Andrzej Nowak, ein Berater des polnischen Staatspräsidenten Karol Nawrocki, wird an diesem Mittwoch einer Einladung der AfD-Fraktion im Bundestag Folge leisten.
Polen in Aufruhr: Nawrocki-Berater zu Besuch bei der AfD-BundestagsfraktionQuelle: www.globallookpress.com

Von Astrid Sigena

Lange Zeit konnte man die Beziehung der AfD zu den entsprechenden polnischen rechtskonservativen Parteien nur als mehr als unterkühlt bezeichnen. In Polen, das entsetzlich unter der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg gelitten hatte, kam es nicht nur in den national bewussten Kreisen nicht gut an, als Alexander Gauland, damals Bundessprecher der AfD, 2017 verkündete:

"Wenn die Franzosen zu Recht stolz auf ihren Kaiser sind, und die Briten auf Nelson und Churchill, haben wir das Recht, stolz zu sein, auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen."

Auch deutsch-polnische Kontroversen wie der immer noch schwelende Streit um die Reparationsfrage verhinderten, dass sich die AfD und ihre Pendants im polnischen Parteiensystem annäherten, obwohl sie angesichts ihrer Gemeinsamkeiten (Betonung traditioneller Werte, EU-Kritik, Ablehnung der Massenmigration) eigentlich dafür prädestiniert gewesen wären. Im rechten Parteienspektrum ist man geschichtsbewusst. Die deutschen Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus und die anschließende Vertreibung der Deutschen aus den mittlerweile polnischen Gebieten standen einer Annäherung im Wege. Und ebenso das Bemühen vieler AfD-Politiker um gute Beziehungen zu Russland. Natürlich trug auch das Streuen (unwahrer) Gerüchte dazu bei, wie zum Beispiel dasjenige, die AfD wolle die deutsch-polnische Grenzziehung revidieren.

Nun allerdings ist der Alternative für Deutschland ein Coup gelungen: Die AfD-Bundestagsfraktion konnte stolz verkünden, dass am 8. Oktober der polnische Historiker und Präsidentenberater Andrzej Nowak einen Vortrag halten wird, mit daran anschließender Diskussionsrunde unter Beteiligung der AfD-Abgeordneten Götz Frömming, Alexander Wolf und Adam Balten. Letzterer stammt gebürtig aus dem schlesischen Sosnowitz, hat also Bezüge zu Polen. Alexander Wolf hingegen stammt aus der als notorisch transatlantisch geltenden Hamburger AfD. Die Einladung erfolgte auf Initiative von Götz Frömming.

Thema der Veranstaltung soll das von der Bundesregierung geplante "Deutsch-Polnische Haus" in Berlin sein, unter Einbeziehung der polnisch-deutschen Beziehungen und Geschichte generell. Das "Deutsch-Polnische Haus" ist ein Langzeitprojekt, das vor allem als Gedenkort für die über fünf Millionen polnischen Bürger dienen soll, die Opfer der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg wurden. Der genaue Standort steht allerdings immer noch nicht fest, die Umsetzung ist umstritten. In Polen ist man darüber verärgert, dass in der Gedenkstätte auch die polnische Beteiligung am Holocaust thematisiert werden soll.

Die AfD hatte sich 2020 bei der diesbezüglichen Bundestagsabstimmung enthalten. Marc Jongen (AfD) verwies in seiner damaligen Rede auf das Fehlen einer Gedenkstätte für die deutschen Opfer des Krieges in der Bundeshauptstadt, wenngleich er das als "hilfreich" für die deutsch-polnischen Beziehungen bewertete Gedenkprojekt nicht rundheraus ablehnen wollte. Jongen beklagte des Weiteren das Schüren antideutscher Ressentiments in den polnischen Medien unter Verweis auf die Nazi-Vergangenheit. Ein derartiges Projekt "könnte die deutsche Schuld- und Büßerhaltung mit der in Polen gepflegten Opfermentalität" auf ungünstige Weise ineinandergreifen lassen. So die Haltung der AfD vor fünf Jahren.

Auch wenn die Einladung und die Annahme derselben schon im Mai dieses Jahres stattgefunden haben sollen (also schon vor der Wahl Nawrockis zum polnischen Präsidenten) ist dies ein enormer Prestigegewinn für die Alternative für Deutschland. Sicher spielt dabei eine Rolle, dass die AfD in ihrem Höhenflug von einem Umfragerekord zum nächsten aufsteigt – mit einer potenziellen deutschen Regierungspartei will man es sich auch in Polen nicht verscherzen, deutsche Vergangenheit hin oder her. So erklärte es auch Nowak selbst gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), indem er unter Verweis auf künftige Wahlerfolge der AfD die Gegenfrage stellte:

"Sollten die Polen nicht mit einer so wichtigen Partei in Deutschland reden?"

Womöglich spielt auch eine gewisse Einflussnahme seitens der Trump-Administration eine Rolle, die es sicher lieber sieht, wenn sich die europäischen Rechtsparteien, also ihre potenziellen Verbündeten, untereinander einig sind. Der Hauptgrund dürfte allerdings in einer geopolitischen Wende der AfD zu suchen sein, deren Führung immer mehr von Russland wegrückt. Deutlich wurde das vor allem bei den Querelen um den (damaligen) außenpolitischen Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Matthias Moosdorf, sowie an Alice Weidels Kritik an einer angeblichen russischen Eskalation mittels Luftraumverletzungen – womit sie ihrem Kollegen Chrupalla offen widersprach (RT DE berichtete). Dies berechtigt offenbar zu Hoffnungen, man könnte die AfD endgültig ins antirussische Lager ziehen.

In diesem Zusammenhang ist auch der Besuch des Präsidentenberaters Andrzej Nowak zu sehen. Nowak erklärte dies gegenüber dem RND auch selbst als Motiv seines Besuchs: Er wolle "die AfD-Politiker davor warnen, in ihrer Haltung gegenüber Russland naiv zu sein." Weidels recht harsche Putin-Kritik wertet er anscheinend als hoffnungsvolles Zeichen und möchte "diese Tendenz verstärken." Denn:

"Jede Partei in Deutschland, die (wie etwa die SPD zu Zeiten von Bundeskanzler Schröder) die 'Putinversteher'-Politik umgesetzt hat, ist gefährlich für Polen und Europa."

Im polnischen polit-medialen Establishment war dennoch die Empörung groß, sobald die Veranstaltung ruchbar wurde. Dem polnischen Außenminister Radosław Sikorski verlieh sein Unmut sogar die Kraft zu einem wahrhaft biblischen Tonfall, denn er sprach auf der Plattform X die Warnung aus:

"Es bedarf außergewöhnlicher Kurzsichtigkeit, um deutsche Revisionisten aus Verbitterung gegenüber der Europäischen Union zu legitimieren. Wahrlich, ich sage Ihnen: Fürchten Sie ein nationalistisches Deutschland mehr als ein proeuropäisches."

Die polnische Regionalpolitikerin Marta Magda sah durch den Besuch sogar die Sicherheit Polens gefährdet: Anstatt polnische Interessen zu verteidigen, legitimiere die PiS Parteien, die eine Bedrohung für die polnische Sicherheit darstellten.

Andere wiederum verteidigten Nowaks Gastvortrag bei der AfD und sahen den Krakauer Professor in der Rolle des geschichtspolitischen Missionars, der die AfD-Abgeordneten über die polnische Perspektive aufklären könne. So der Sejm-Abgeordnete Andrzej Śliwka (PiS), der argumentierte:

"Wenn jemand den Deutschen Geschichte und die polnische Perspektive erklären sollte, dann sollten es herausragende Persönlichkeiten wie Professor Andrzej Nowak sein."

Aber angesichts der Tatsache, dass die drittgrößte Tageszeitung des Landes, die Gazeta Wyborcza, den geplanten Vortrag unter kräftigem Schwingen der Nazi-Keule gegen die AfD skandalisierte, sah sich der Historiker Nowak genötigt zu betonen, dass er als Privatmann, nicht als Berater des Präsidenten nach Berlin fahre, und die AfD gegen den Vorwurf, eine "Neonazi-Partei" zu sein, in Schutz zu nehmen. Dem polnischen Radiosender Wnet.fm gab Nowak sogar ein 20-minütiges Interview, in dem er seine Entscheidung rechtfertigte, unter anderem damit, dass er den Boykott von Parteien ablehne, die von einem großen Teil der Gesellschaft unterstützt würden. Außerdem setze sich die AfD für die Rechte der Polen in Deutschland ein. Schließlich veröffentlichte Nowak eine lange Erklärung auf seinem Facebook-Account, in der er zur Gegenattacke auf Außenminister Sikorski schritt und auf sein eigenes erinnerungspolitisches Engagement verwies.

Auffallend ist der aggressive Ton gegenüber dem AfD-Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla, bei dem Nowak eine "sehr gefährliche Tendenz" sieht, "sich mit Putins Russland zu einigen." Dabei wäre der Sachse, zumindest aus geografischer Sicht, der ideale Ansprechpartner für die Polen. Chrupallas Wahlkreis Görlitz liegt unmittelbar an der deutsch-polnischen Grenze, ist durch die slawischen Sorben geprägt, und Chrupalla selbst ist im unmittelbar an Polen gelegenen Krauschwitz aufgewachsen. Auch sein Nachname lässt polnische Wurzeln vermuten. Tino Chrupalla selbst bezeichnet sich Medienberichten zufolge allerdings lieber als Schlesier. Ausschlaggebend allerdings dürfte sein, dass Chrupalla als dezidierter Vertreter eines Russland gegenüber aufgeschlossenen, multipolaren Kurses gilt und für Transatlantizismus und Militarisierung wenig übrig hat.

Man darf gespannt sein, was Professor Nowak bei seinem Treffen mit der AfD-Fraktion erreichen wird. Wird es ihm gelingen, den eher russlandfreundlich gesinnten Teil um Tino Chrupalla auszubooten? Oder wird man sich bezüglich Vertreibungsverbrechen und Reparationsforderungen in die Haare kriegen? Ein Minimalerfolg wäre es schon, wenn Andrzej Nowak Alice Weidel die korrekte Aussprache von "Głubczyce" beibringen könnte (die Polen würde es sicherlich freuen). Bisher weigert sich die Co-Vorsitzende der AfD hartnäckig, den polnischen Namen von Leobschütz (dem Ort, aus dem ihre Familie stammt) zu lernen.

Mehr zum Thema - Warum unterstützte AfD-Parteivorsitzende Weidel Russlandhasser im NRW-Wahlkampf?

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.