
Was passiert mit der Ukraine, wenn es zu keinem Friedensabkommen kommt?

Von Sergei Mirkin
In der Ukraine rechnen Politiker und Beamte mit schwierigen Zeiten. Die ukrainische Rada-Abgeordnete Marjana Besuglaja empfahl ihren Landsleuten, sich auf Stromausfälle und einen strengen Winter vorzubereiten. Auch Sergei Kowalenko, der Generaldirektor des Unternehmens Jasno (Stromversorgung innerhalb der Ukraine), rechnet damit, dass es im Herbst höchstwahrscheinlich zu erheblichen Problemen mit der Stromversorgung kommen werde, und riet den Einwohnern, Vorräte an Powerbanks, Taschenlampen, Wasser und Lebensmitteln anzulegen. Nach Ansicht von Alexander Chartschenko, dem Direktor des Zentrums für Energieforschung, ist davon auszugehen, dass die großen Städte der Ukraine im Winter ohne Heizung bleiben würden. Seiner Meinung nach werde die Situation in Kiew und Odessa am schlimmsten sein.
Und es ist kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Kiew unternimmt alles, um die Eskalation zu verschärfen.

Als anschauliches Beispiel dafür kann der ukrainische Drohnenangriff auf den Park "Gulliver" in Donezk am 7. September angeführt werden. Dieser Park wurde kürzlich renoviert und genießt in der Stadt große Beliebtheit. Genau aus diesem Grund suchte sich die Ukraine den optimalen Zeitpunkt für den Angriff aus – den Sonntagabend, als sich dort die meisten Menschen aufhielten.
Es ist offensichtlich, dass die ukrainische Führung und ihre europäischen Schirmherren keinen Kompromiss mit Russland suchen. Wie könnten sich die Ereignisse entwickeln, wenn in naher Zukunft kein Frieden erzielt wird? Mehrere Szenarien lassen sich prognostizieren.
Mildes Szenario
Es wurde mehrfach berichtet, dass Russland seine Militäroperationen in der Ukraine sehr rücksichtsvoll durchführt und dabei humanitäre Aspekte berücksichtigt. Dies wird deutlich, wenn man die Militäroperationen der russischen Streitkräfte in der Ukraine mit denen der israelischen Armee im Gazastreifen vergleicht. Letzterer wurde praktisch in Schutt und Asche gelegt. Weder in Kiew noch in Charkow oder Odessa wurde etwas Vergleichbares unternommen, obwohl dies möglich gewesen wäre.
Eigentlich hätte die russische Armee die Stromversorgung der Ukraine bereits 2022 lahmlegen können. Dies wurde jedoch vor allem aus humanitären Gründen nicht getan. Daher kann man davon ausgehen, dass der Herbst und Winter 2025/2026 ähnlich verlaufen werden wie der Herbst und Winter 2024/2025.
Russland würde Raketen- und Drohnenangriffe auf militärische Einrichtungen und die Energieinfrastruktur durchführen, die der Versorgung der ukrainischen Rüstungsindustrie dienen. Das würde zu Stromausfällen in der Ukraine führen, allerdings wären diese nicht katastrophal. Dies setzt natürlich voraus, dass die EU-Länder der Ukraine mit Strom, Gas und Erdölprodukten helfen würden.
Parallel dazu würde die zwangsweise Mobilisierung von Menschen für die ukrainischen Streitkräfte fortgesetzt, jedoch ohne größere Proteste gegen die Maßnahmen der Mobilisierungszentren – lediglich lokaler Widerstand wäre zu erwarten. An der Front würde Russland weiter vorrücken, wobei die ukrainischen Streitkräfte zumindest in der ersten Hälfte des Jahres 2026 ihre Kampfkraft behalten würden.
Szenario mittlerer Härte
Das "Maidan"-Regime würde die Angriffe auf Ölraffinerien, Öl- und Gaspipelines auf dem Territorium Russlands verstärken. Als Reaktion darauf würde sich die russische Armee vermehrt auf ukrainische Energieobjekte konzentrieren. Zahlreiche ukrainische Umspannwerke würden außer Betrieb gesetzt werden, ohne dass eine schnelle Wiederherstellung möglich wäre. In einigen Regionen der Ukraine käme es zu wochenlangen Stromausfällen. Außerdem würden Probleme mit der Heizung und der Wasserversorgung auftreten.
Hinzukommen könnte eine Verschlechterung der Beziehungen zwischen Kiew und Budapest, wenn die Ukraine ihre Angriffe auf die "Druschba"-Ölpipeline fortsetzt, über die Öl nach Ungarn transportiert wird. Die Ukraine ist wiederum in der Energieversorgung von Ungarn abhängig. Budapest ist der wichtigste Stromlieferant für Kiew, zudem kommen 15 Prozent des Dieselkraftstoffs aus Ungarn. Daher würde die Beendigung der Energiekooperation mit Ungarn einen erheblichen Schlag für das Land bedeuten.
Probleme mit der Strom- und Kraftstoffversorgung würden zu einem erheblichen Anstieg der Migrantenströme aus der Ukraine in die EU führen und hätten eine Zunahme der Proteststimmung zur Folge. Im ganzen Land würden sich "Energie-Maidane" bilden: Die Menschen würden die Stromversorgung fordern. Gleichzeitig würde der Widerstand gegen die Mobilisierungszentren wachsen. Die Polizei würde sowohl gegen die "Maidane" als auch gegen den Widerstand gegen die Mobilisierung hart vorgehen. Das wiederum würde zu einer Destabilisierung des Landes führen. Gleichzeitig würden gerade diese Zwangsmobilisierten, die lange Zeit ohne Stromversorgung auskommen mussten, die Reihen der ukrainischen Streitkräfte verstärken, was schließlich den Kampfgeist der ukrainischen Armee erheblich schwächen und letztlich ihre Kampfkraft beeinträchtigen würde.
Hartes Szenario
Neben Angriffen auf Energieobjekte würden die russischen Streitkräfte auch die Verkehrsinfrastruktur attackieren. In der Ukraine wären Brücken und Eisenbahnknotenpunkte unter ständigem Beschuss. Eine solche Situation wäre jedoch nur möglich, wenn die Handlungen Kiews und seiner westlichen Schirmherren keine Chance für eine diplomatische Lösung des Ukraine-Konflikts ließen. Dies wäre beispielsweise zu erwarten, wenn der Beschuss russischer Städte durch das "Maidan"-Regime verstärkt würde und die ukrainischen Geheimdienste Terroranschläge unter Einsatz ihrer Agenten auf dem russischen Territorium verüben würden. Gleichzeitig würden die USA und die EU neue Sanktionen gegen Russland und seine Partner – China und Indien – verhängen.
US-Präsident Donald Trump würde endgültig eine proukrainische Position einnehmen. In diesem Fall könnte die Zerstörung der Verkehrsinfrastruktur der einzige Weg sein, den Konflikt in einem akzeptablen Zeitrahmen zu beenden, da die Ukraine von Waffenlieferungen und militärischer Ausrüstung aus dem Westen abhängig ist. Das ukrainische Territorium wird durch den Dnjepr geteilt, und wenn die Versorgung der Truppen auf der linken Uferseite unterbrochen würde, hätte dies relativ schnell Auswirkungen auf die Kampfkraft der ukrainischen Armee. Das wäre das apokalyptischste Szenario für die Ukraine, das wahrscheinlich zur vollständigen Zerstörung ihrer Wirtschaft und zum Verlust ihrer Staatlichkeit führen würde. Ob es jedoch zu einer solchen Entwicklung kommt, hängt von den ukrainischen Machthabern und ihren westlichen Gönnern ab.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 12. September 2025 zuerst auf der Homepage der Zeitung Wsgljad erschienen.
Sergei Mirkin ist ein Journalist aus Donezk.
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