
Nach nur noch 46 Visa am Tag: Deutschland will Vergabe für Russen weiter einschränken

Die Bundesregierung wirbt im Zuge der laufenden EU-Planungen für ein neues Paket von Russlandsanktionen auch für eine restriktivere Vergabe von Einreiseerlaubnissen in den Schengenraum. Das teilt die dpa mit Verweis auf ein Positionspapier mit. Demnach werde die vollständige Umsetzung von 2022 veröffentlichten Leitlinien der EU-Kommission gefordert. Mit diesen sollte die Vergabe von Visa an russische Staatsbürger für touristische Reisen oder Shoppingtouren in EU-Staaten eigentlich schon längst stark eingeschränkt werden.
Jüngste Zahlen zeigen, dass dies offensichtlich nicht passiert. So wurden nach EU-Daten im vergangenen Jahr durch Konsulate in Russland rund 542.000 Visa für Kurzzeitaufenthalte in EU-Ländern oder in anderen Schengenstaaten wie der Schweiz erteilt. Das waren zwar deutlich weniger als im Vor-Corona-Jahr 2019, aber rund ein Fünftel mehr als noch 2023.

Der "kritische" Blick richtet sich dabei insbesondere auf südliche EU-Staaten, die vergleichsweise leicht Visa ausstellen. Die italienischen Konsulate in Russland vergaben 2024 beispielsweise mehr als 152.000 Schengen-Visa, was einem Plus von etwa zwölf Prozent gegenüber 2023 entspricht. Französische Konsularbeamte stellten in Russland zuletzt rund 124.000 Visa aus, spanische etwa 111.000 und griechische knapp 60.000.
Das stößt in den in östlichen EU-Staaten auf scharfe Kritik. Die baltischen Staaten, Polen und Finnland wollen sogar, dass den Russen die Einreise in den EU-Raum sogar komplett verboten wird. Dabei was es ausgerechnet Finnland, das im Vor-Corona-Jahr 2019 mit 782.000 der Spitzenreiter unter EU-Staaten bei Visavergabe für Russen war. Polen lässt jetzt schon russische Bürger auch mit einem gültigen EU-Schengen-Visum nicht mehr einreisen.
46 Kurzzeitvisa am Tag
Auch die Statistik in Deutschland tendiert im Vergleich gegen null. Das einzig verbliebene Generalkonsulat in Moskau (die anderen, darunter jene in Kaliningrad und Sankt Petersburg, wurden für Publikum geschlossen) in Russland bewilligten 2024 lediglich rund 17.000 Anträge auf Schengen-Visa für Kurzaufenthalte. Dies waren rund 2.000 weniger als noch im Vorjahr und viel weniger als im Vor-Corona-Jahr 2019, als es noch fast 326.000 gewesen waren.
In den oben genannten EU-Zahlen sind zwar Langzeitvisa und in Drittstaaten vergebene Visa an russische Staatsbürger nicht enthalten. Nach Angaben von Diplomaten sind sie allerdings gute Vergleichsdaten. Die Gesamtzahl der 2024 von Deutschland an russische Staatsbürger vergebenen Schengen-Visa wurde zuletzt mit rund 27.300 angegeben. Hinzu kamen noch etwa 11.300 nationale Visa für Langzeitaufenthalte, die etwa für Studien- oder Arbeitsaufenthalte notwendig sind.
Begründen lässt sich eine restriktivere Visavergabe vor allem mit dem Ziel, die touristische Einreise von Russen zu unterbinden, die sich für die Interessen der russischen Regierung einsetzen oder sogar Kriegspropaganda verbreiten. Formal könnte sie über eine Neuregelung oder eine konsequentere Anwendung der bestehenden Leitlinien der EU-Kommission aus dem Jahr 2022 zustande kommen.
In diesen heißt es etwa: "In Bezug auf russische Staatsangehörige, die als Touristen reisen, ist ein sehr strikter Ansatz gerechtfertigt, da es bei touristischen Reisen im Vergleich zu anderen Reisezwecken (Geschäftsreise, Familienbesuch oder Arzttermin) schwieriger ist, die Begründung der Reise zu beurteilen."
Die Bundesregierung wollte sich zu dem EU-internen Positionspapier bislang nicht äußern. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es, Deutschland habe die Kriterien für die Visavergabe an russische Staatsangehörige bereits zu Beginn "des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine" verschärft. Dies gelte sowohl für nationale Visa als auch im Einklang mit den EU-Leitlinien für Schengen-Visa. Bei Letzteren habe die 2024er-Zahl um mehr als 90 Prozent unter der des Jahres 2019 gelegen.
Sieben Millionen EU-Visa vor Beginn der Ukraine-Krise
Wieder ein Vergleich: Im Jahr 2013, dem letzten Jahr vor Beginn der Ukraine-Krise nach dem Maidan-Putsch, hatten russische Bürger sieben Millionen Schengen-Visa erhalten. 54 Prozent davon waren Mehrfacheinreisevisa gewesen, und der Anteil der Ablehnungen von Visaanträgen hatte nur 1,4 Prozent betragen. Im Jahr 2019 wurden Russen vier Millionen Schengen-Visa ausgestellt, das waren 43 Prozent weniger als 2013. Gleichzeitig gewährten 82 Prozent der ausgestellten Visa die Möglichkeit der mehrfachen Einreise. Das Niveau der Ablehnungen blieb mit 1,5 Prozent unbedeutend.
Bereits seit Mitte Mai 2022 werden Visaerleichterungen für russische Geschäftsleute, Diplomaten und Mitglieder offizieller Delegationen nicht mehr angewandt. Am 12. September 2022 setzte die EU das Abkommen zur erleichterten Visavergabe mit Russland außer Kraft; es war am 1. Juni 2007 in Kraft getreten. Die Bearbeitungszeit von Anträgen russischer Staatsbürger verdreifachte sich damit auf 45 Tage, und die Bearbeitungsgebühr stieg von 35 auf 80 Euro. Sichtvermerke mit langfristiger Gültigkeitsdauer, die zur mehrfachen Einreise berechtigen, sollen nicht mehr ausgestellt werden.
Nach Angaben der Fachpresse sollten seitdem Anträge von Personen ohne triftigen Reisegrund, wie Touristen, nachrangig bearbeitet werden. Konsulate dürften zudem weitere Unterlagen anfordern, um die Antragsteller noch gründlicher auf mögliche Sicherheitsrisiken prüfen zu können. Falls ein Visainhaber ein Risiko darstellte, dürften Mitgliedsstaaten des Schengenraums sogar bereits erteilte Sichtvermerke aufheben.
Weitere Sanktionen geplant
Einen konkreten Vorschlag für das weitere Vorgehen bei der Visavergabe durch EU-Staaten könnte die Europäische Kommission vorlegen. Sie arbeitet derzeit schon in enger Koordination mit den EU-Mitgliedstaaten an einem Plan für ein neues Paket mit EU-Russland-Sanktionen. Deutschland und Frankreich setzen sich in Brüssel unter anderem dafür ein, mit ihm auch den russischen Energieriesen Lukoil und Serviceunternehmen aus der Ölbranche mit Strafmaßnahmen zu belegen.
Zudem sollen nach dem Willen von Berlin und Paris laut der dpa finanzielle und logistische "Schlupflöcher" geschlossen werden, über die Russland bereits bestehende Sanktionen umgeht. Demnach könnten weitere russische Banken, ausländische Finanzinstitute mit Verbindungen zum von der russischen Zentralbank entwickelten Transaktionssystem SPFS sowie Kryptowährungsdienstleister in Zentralasien auf Sanktionslisten landen.
Russland erleichtert die Einreise
Aktuell ist die Einreise aus dem EU-Raum nach Russland fast nur auf Umwegen möglich. Der gängigste und kürzeste Weg war bislang der Landweg nach Kaliningrad über Polen. Ab dann soll man nach Restrussland jedoch einen Flug buchen, der die baltischen Staaten umfliegt. Am häufigsten werden indes die Flugrouten über die Türkei oder Länder im Südkaukasus in Anspruch genommen. Diese sind allerdings mit erheblichen Kosten verbunden. All diese Schwierigkeiten reduzierten die Zahl der Russlandreisenden um viele Male. Russland will dieser Tendenz mit einer erleichterten Visavergabe entgegenwirken und stellt seit Mai 2023 die sogenannten elektronischen Visa aus.
Diese Maßnahme zeigt Wirkung. So belegte Deutschland 2025 den zweiten Platz hinsichtlich der Anzahl der ausgestellten elektronischen Visa für die Einreise nach Russland. Innerhalb von sechseinhalb Monaten erhielten deutsche Staatsbürger 34.500 solcher Genehmigungen, teilte der Direktor der Konsularabteilung des russischen Außenministeriums Alexei Klimow im August mit. Damit hat Russland in diesem Zeitraum mehr Visa für Deutsche ausgestellt als deutsche Behörden an Russen im ganzen Jahr 2024.
Mehr zum Thema – Russland will Aufenthaltsdauer für Ausländer verlängern
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.