
Verzweiflungstat: Macron macht Lecornu zum Premier

Frankreich steckt in einer der schwersten Regierungskrisen seit Jahren. Nachdem Premier François Bayrou mit seiner Minderheitsregierung in der Nationalversammlung eine krachende Niederlage erlitten hat, greift Präsident Emmanuel Macron zur Notlösung: Er ernennt Verteidigungsminister Sébastien Lecornu zum Premierminister.
Bayrou hatte am Wochenende die Vertrauensfrage gestellt – und verlor sie mit 364 gegen 194 Stimmen deutlich. Sein strikter Sparkurs, der Kürzungen von 44 Milliarden Euro vorsah und sogar die Abschaffung zweier Feiertage beinhaltete, stieß auf breite Ablehnung. Der 74-Jährige blieb damit nur neun Monate im Amt.

Mit Lecornu setzt Macron auf einen engen Vertrauten, der sich im Verteidigungsministerium als loyaler und pragmatischer Verwalter erwiesen hat. Doch seine Ernennung wirkt nicht wie ein politischer Befreiungsschlag, sondern eher wie eine Verzweiflungstat. Frankreichs Parlament ist blockiert, stabile Mehrheiten sind nicht in Sicht.
Die wirtschaftlichen Probleme verschärfen die Lage zusätzlich. Frankreichs Schuldenstand ist erdrückend, die Kapitalmärkte reagieren zunehmend nervös. Kommentatoren warnen bereits vor einem Szenario, das Erinnerungen an Griechenland während der Eurokrise weckt.
Macron selbst schließt sowohl einen Rücktritt als auch Neuwahlen kategorisch aus. Damit verengt er den Handlungsspielraum weiter – und setzt Lecornu in ein Amt, das unter den gegebenen Umständen kaum zu führen ist. Der neue Premier steht vor der unmöglichen Aufgabe, einerseits die Staatsfinanzen zu konsolidieren, andererseits die politische Handlungsfähigkeit im zersplitterten Parlament wiederherzustellen.
Die Ernennung Lecornus zeigt vor allem eines: Der Präsident sucht nicht nach einem politischen Ausgleich, sondern klammert sich an Vertraute. Ob dieser Kurs Frankreich Stabilität bringt oder das Land tiefer in die Krise treibt, wird sich in den kommenden Monaten entscheiden.

Sébastien Lecornu gilt als einer der zuverlässigsten Vertrauten Emmanuel Macrons. Der 38-Jährige, der nun das Amt des Premierministers übernimmt, ist ein Politiker ohne großes ideologisches Profil, dafür mit einem Ruf als geschickter Organisator.
Geboren 1986 in Vernon in der Normandie, begann Lecornu seine politische Laufbahn früh. Bereits mit Anfang zwanzig arbeitete er im Kabinett von Energieminister Bruno Le Maire. Sein Aufstieg war eng verknüpft mit seiner Fähigkeit, sich an wechselnde politische Konstellationen anzupassen: vom konservativen Lager über die Zentristen bis zu Macrons Bewegung "La République en Marche".
Im Jahr 2017 wechselte er ins Regierungsteam Macrons. Zunächst war er Staatssekretär für Umwelt, später Minister für die Gebietskörperschaften. In dieser Funktion machte er sich mit pragmatischer Verwaltungsarbeit einen Namen, ohne je im Rampenlicht zu stehen. Im Jahr 2022 übernahm er das Verteidigungsministerium – ein Schlüsselressort in Zeiten des Ukraine-Krieges und wachsender sicherheitspolitischer Spannungen.
Lecornu präsentierte sich in dieser Rolle als nüchterner Krisenmanager. Er hielt engen Kontakt zu den französischen Streitkräften und stärkte Frankreichs Position innerhalb der NATO, ohne lautstarke öffentliche Auftritte. Politisch gilt er als Mann der zweiten Reihe: loyal, belastbar, unauffällig. Genau diese Eigenschaften dürften Macron nun bewogen haben, ihn in der Krise zum Premierminister zu machen.
Doch Lecornus Schwächen liegen ebenso offen. Er verfügt über wenig Charisma, kaum eine eigene Hausmacht und keine erkennbare Vision für Frankreich. In der Nationalversammlung fehlen ihm tragfähige Allianzen, in der Bevölkerung ist er nahezu unbekannt. Seine Stärke – unbedingte Loyalität gegenüber dem Präsidenten – könnte sich damit als Schwäche erweisen.
Der neue Premier steht vor einer doppelten Herausforderung: Er muss den erdrückenden Schuldenberg Frankreichs mit einem Sparhaushalt angehen und gleichzeitig das Vertrauen eines zutiefst gespaltenen Parlaments gewinnen. Lecornu ist kein Mann der großen Worte, sondern einer der Verwaltung und Disziplin. Ob diese Qualitäten ausreichen, um Frankreich in stürmischen Zeiten zu führen, ist mehr als ungewiss.
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