
Folgen der EU-Verkehrsblockade: Foltergleiche Zustände an der polnisch-weißrussischen Grenze
Von Alexej Danckwardt
Über die Auswirkungen der menschenverachtenden und in der europäischen Geschichte der letzten zwei Jahrhunderte einmaligen Verkehrsblockade, die EU, Polen und die deutsche Bundesregierung gegen Russland und Weißrussland organisiert haben, berichtet RT DE immer wieder mal in unregelmäßigen Abständen.
Die Reise meiner in Deutschland verbliebenen Eltern (79, 81) zu mir nach Moskau und wieder zurück hat mir die foltergleichen Schikanen, mit denen Berlin, Brüssel und Warschau ihren nazistisch motivierten Hass an einfachen Menschen – Russen, Weißrussen, aber auch deutschen Staatsangehörigen, die aus irgendwelchen Gründen reisen müssen – ausleben und sich in kollektiver Bestrafung üben, erneut vor Augen geführt.
Unmenschliche Schikane und Folter an Senioren

Schon während ihrer Hinreise im April ballten sich mir die Fäuste in ohnmächtiger Wut: Da bekanntlich seit 2022 alle direkten Flugverbindungen aus Deutschland nach Russland auf Betreiben der EU gestrichen wurden und auch über die Gleise zwischen Terespol und Brest keine Züge rollen dürfen, wurde eine Busverbindung ab Warschau nach Minsk gebucht – der Linienbus ist die einzige verbliebene Möglichkeit auf dem Landweg und ohne Privatfahrzeug über die europäische Ostgrenze zu kommen.
Die gute Nachricht, die damit verbunden ist: Das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Visa zwischen Russland und Weißrussland funktioniert jetzt endlich. RT hatte im Oktober letzten Jahres gar beim Außenministerium in Moskau angefragt, warum die bereits im Jahr 2020 unterzeichnete Vereinbarung nicht funktioniert. In seiner Antwort zeigte sich das Ministerium zuversichtlich, dass "die Frage des Grenzübertritts von Drittstaatsangehörigen über die russisch-weißrussische Grenze bis Ende des Jahres endgültig geklärt sein wird" und hat sein Wort gehalten. Es wurde nunmehr von einem Deutschen in der Praxis getestet – man darf tatsächlich mit einem russischen Einreisevisum über Weißrussland nach Russland und auf demselben Wege wieder zurückreisen.
Vermiest wird dies jedoch durch die Zustände an der polnisch-weißrussischen Grenze. Der gebuchte Bus sollte fahrplanmäßig um Mitternacht in Warschau abfahren und gegen 11:00 Uhr Ortszeit in Minsk eintreffen. Doch ich wartete vergeblich am zentralen Busbahnhof der weißrussischen Hauptstadt. Es war kein Bus aus Warschau in Sicht, stattdessen erreichte mich ein besorgter Anruf der Eltern: Seit der Morgendämmerung würden sie auf der polnischen Seite der Grenze in einer langen Schlange von auf Einlass in die Grenzkontrollen wartenden Reisebussen stehen. Über 20 Stück an der Zahl stünden vor ihnen und hätten sich noch keinen Meter vorwärts bewegt.
Schlussendlich kamen die beiden von den Strapazen und den Schikanen an der Grenze deutlich gezeichneten Senioren mit zwölf Stunden Verspätung in Minsk an, kurz nach 23:00 Uhr Ortszeit, und das auch nur, weil der Fahrer eines näher am Grenzübergang wartenden Busses Mitleid mit ihnen hatte und sie umsteigen und damit vorrücken ließ. Wann der ursprünglich gebuchte Bus in Minsk ankam, weiß ich leider nicht.
Auf der Rückreise wurde es noch katastrophaler. Gebucht waren zwei Plätze in einem Linienbus, der um 18:30 Uhr Ortszeit in Brest losfahren und sechs Stunden später, um 23:30 MEZ, in Warschau eintreffen sollte. Bei der Buchung hatte ich bereits einkalkuliert, dass der Fahrplan nicht gehalten wird und der Bus irgendwann am Vormittag in Warschau sein wird. In der Realität wurde alles viel schlimmer.
In der Zufahrt zum Grenzübergang wurde der Horror sichtbar: Mehr als 30 Busse warteten auf Einlass. Das hieß dann stundenlanges Warten, Warten, Warten. Eine Zumutung für jedermann, für betagte Senioren mit Rückenproblemen schlechthin Folter. Den ganzen Abend, die ganze Nacht, den gesamten Vormittag. Um es nicht zu lang werden zu lassen: Im Ergebnis hat der Aufenthalt an der Grenze 24 Stunden gedauert. Erst um 18:30 Uhr am Folgetag, exakt 24 Stunden nach der Abfahrt in Brest, erreichte mich die SMS "Haben polnische Grenzkontrolle geschafft". In Warschau gegen 23:00 Uhr MEZ eingetroffen, hieß es dann noch nachts auf dem Bahnhof auf den ersten Eurocity nach Berlin warten …
Insgesamt hat die Reise von Moskau nach Berlin, die bis 2022 weniger als drei Stunden Flugzeit bedeutet hat, und bis zum Corona-Wahnsinn knapp zwanzig im Zug, umsteigefrei im komfortablen Schlafwagen, über 60 Stunden gedauert. Das Zwanzigfache! Allein der Zeitverlust an der Grenze schlug mit mehr zu Buche als einst die Zugreise, die manche auch noch als "quälend lang" empfunden haben.
Künstlich organisiertes Chaos
Das ist keinesfalls die Ausnahme am auf polnisches Betreiben einzigen verbliebenen polnisch-weißrussischen Grenzübergang. Die Lokalmedien in Brest sind voll von besorgten Wasserstandmeldungen und schaurigen Reiseberichten. Beispielsweise titelte die Onlineplattform BrestCity.com am Dienstag, dem 24. Juni:
"Über 2.000 Pkw warten auf Ausreise, die Warteschlange wird nicht kleiner."
In dem Bericht selbst wird konkretisiert, dass zum Veröffentlichungszeitpunkt 2.070 Pkw und 41 Reise- und Linienbusse auf Ausreise nach Polen warten. Die polnische Seite habe, heißt es, in den letzten 24 Stunden nur 31 Prozent der sonst üblichen Anzahl an Pkw hineingelassen.
Am 7. Juni berichtete dasselbe Medium, dass Ausreisende fast drei Tage am Grenzübergang nach Polen warten:
"Der Grenzübergang Brest ist mit 1.865 Autos und 45 Reisebussen überfüllt – die durchschnittliche Wartezeit beträgt 69 Stunden."
Ein in Warschau ansässiges und von Polen finanziertes "belarussisches Oppositionsmedium" sprach am 23. Juni gar von "bis zu fünf Tagen Wartezeit an der Grenze", ein anderes im April von drei.
Die bei Russlands prowestlichen Liberalen beliebte Onlinezeitung RBK berichtete Anfang Juni gar, dass Polen den Empfang von Pkw und Bussen aus Brest vorübergehend ganz eingestellt hatte:
"Dutzende Busse und Hunderte Autos stauten sich an der Grenze zu Polen in Weißrussland, nachdem die Kontrolldienste des Grenzübergangs 'Terespol' (angrenzend an das weißrussische 'Brest') den Verkehr aus dem Nachbarland nicht mehr zuließen, berichtete das staatliche Grenzkomitee von Weißrussland. Dieser Grenzübergang ist der einzige zwischen Belarus und Polen verbliebene, der von Autos und Bussen benutzt werden kann. Die Agentur stellte fest, dass die Unterbrechungen der Durchfahrt für Autos am 4. Juni begannen, während die polnische Seite am nächsten Morgen die Durchfahrt auch für Busse stoppte. Der Grund für diesen Vorfall wurde nicht erläutert."
Während dies eine Ausnahme (oder eine Probe für Kommendes?) gewesen zu sein scheint, liegen die Gründe für das tägliche Chaos auf der Hand: Der für 1.700 Fahrzeuge pro Tag dimensionierte Grenzübergang Terespol – Brest muss als einziger verbliebener das Aufkommen von vormals vier oder fünf für Busse und Pkw zugelassenen Grenzübergängen aufnehmen und zusätzlich noch diejenigen, die früher geflogen sind oder mit dem Zug die Grenze überquert haben.
Gerade die Kappung sämtlicher Bahnverbindungen, des umweltfreundlichsten aller Verkehrsmittel, ist der größte Skandal der antirussischen EU-Sanktionspolitik. Selbst wenn Russland mit seiner Intervention in der Ukraine im Unrecht wäre und sich nicht in der Selbstverteidigung gegen die imperialistische Expansion von EU und NATO als Vorstufe der Vernichtungs- und Eroberungspläne in Bezug auf Russland befinden würde, wie soll die Unterbrechung von grenzüberschreitenden Personenzügen Einfluss darauf haben?
Besonders profitabel waren Personenzüge nie und wenn man die russischen Eisenbahnen keinen Umsatz generieren lassen will, sollen doch die polnischen Eisenbahnen wenigstens eine Pendel-S-Bahn zwischen Brest und Terespol rollen lassen! Die europäische Normalspur liegt bis Brest, wo in Breitspurzüge nach Minsk und Moskau umgestiegen werden könnte. Es würde das Leid am Grenzübergang entschärfen und notwendige Reisen (nicht jede Reise findet aus Jux und Dollerei statt) berechenbar machen.
Eklatant unverhältnismäßig
Es ist nichts anderes als nazistisch motivierte Boshaftigkeit, die pragmatische Lösungen verhindert. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Compact-Verbotsfall sollte es wieder in Erinnerung gerufen haben: Jedes staatliche Handeln muss verhältnismäßig sein. Deklinieren wir es doch mal für die EU-Verkehrsblockade durch, was jeder Jurastudent spätestens im dritten Semester lernt.
Um verhältnismäßig zu sein, muss jeder staatliche Akt:
- ein zulässiges, legitimes Ziel verfolgen;
- zum Erreichen dieses Ziels geeignet sein, also zumindest in Theorie das gewünschte Ergebnis bringen können;
- erforderlich sein, was bedeutet, dass es kein milderes Mittel gibt, das das angestrebte Ergebnis genauso bringt;
- verhältnismäßig im engeren Sinne sein: Zwischen der Bedeutung des verfolgten Ziels und derjenigen des beeinträchtigten Rechtsguts darf kein eklatantes Missverhältnis klaffen (nicht mit "Kanonen auf Spatzen" schießen; keine Kinder töten, die Kirschen stehlen usw.).
Welches Ziel verfolgt die Verkehrsblockade? Kollektivbestrafung von Russen ist kein zulässiges Ziel. Diejenigen der deutschen Staatsangehörigen, die aus persönlichen Gründen reisen müssen, noch weniger. Nebenbei: Warum wird eigentlich Weißrussland immer im selben Atemzug mit sanktioniert? Es führt keinen Krieg in der Ukraine und Protasewitsch, mit dessen Verhaftung die lange vor dem "russischen Angriffskrieg" eingeführte Luftverkehrsblockade begründet wurde, ist längst wieder auf freiem Fuß, amnestiert und genießt das Leben in Minsk.
Wenn die Verkehrsblockade den besagten "russischen Angriffskrieg" beenden soll, so ist sie für dieses Ziel erkennbar ungeeignet. Denkt jemand in Berlin, Brüssel oder Warschau ernsthaft, Putin wird sich vom Chaos an den Grenzen erpressen lassen? An der Stelle kann man die Prüfung auch beenden, die Schikanen und die Folter an einfachen Russen sind schlichtweg nicht geeignet, die russische Politik zu beeinflussen.
Aber es gibt auch ein milderes Mittel, das auf der Hand liegt, um Frieden in Europa zu erreichen: EU und NATO müssen sich nur aus der Ukraine verziehen, wo sie ohnehin nichts zu suchen haben.
Russen, lernt nachtragend zu sein!
Aktuell bewegt mich eine Frage: Wie bringt man Russen bei, nachtragend zu sein? Das, was jetzt geschieht, darf nicht folgenlos für die Russenhasser bleiben. Ein Übergang zur Tagesordnung irgendwann? Vergebung wie nach 1945 für all die Demütigungen, für die himmelschreiende Diskriminierung, für europäische Vernichtungsphantasien? Leider neigt das russische Volk dazu, zu vergeben und zu vergessen. Ich möchte das nicht.
Wo das russische Volk in der Vergangenheit etwas zu entscheiden hatte, hat es nie auf Demütigung anderer der Demütigung wegen beharrt. Erinnern wir uns: Von 1949 bis 1989 standen sich mitten in Deutschland zwei Blöcke unversöhnlich gegenüber, jederzeit konnte ein vernichtender Atomkrieg ausbrechen. Und dennoch ließen sich mit den Russen immer pragmatische Lösungen aushandeln. Interzonenzüge fuhren stets über die Grenze, Westdeutsche gingen in der DDR und in Ostberlin ein und aus, fuhren mit ihren Autos über alle Straßen und Autobahnen. Der Transitverkehr nach Westberlin wurde kaum behindert – das was da als "Schikane" galt, wäre heute an der polnisch-weißrussischen Grenze oder im Transit nach Kaliningrad eine Wohltat.
Und die "Berliner Blockade"? War keine. Die Grenzen zu Ostberlin und zur DDR standen ja sperrangelweit offen. Jeder Westberliner konnte sich jederzeit in S- und U-Bahn und damals sogar noch in die Straßenbahn setzen und seinen Einkauf gegen alte Währung im Osten tätigen, zum Hungern war niemand verdammt. Es ging nur darum, die Einführung der Deutschland spaltenden D-Mark in Westberlin zu verhindern. Nach kurzer Zeit gab Moskau auch in diesem Punkt nach. Und dennoch wird den heute lebenden Russen das und anderes, längst verjährtes, immer noch nachgetragen.
Die Frage des Vergebens und der Versöhnung stellte mir vor einigen Wochen ein deutscher Journalist in einem Interview. Ich ließ es offen: "Mit Gottes Hilfe geht vieles." Doch seit diesem Wochenende ist diese Frage für mich anders und endgültig beantwortet: Alles mich persönlich Verletzende könnte ich unter bestimmten Umständen verzeihen, aber nicht das. Nicht diese Demütigung und Misshandlung meiner alten und gebrechlichen Eltern.
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