Europa

Erich Vad zu Ukraine-Krieg: Politik und Medien haben jahrelang Wunschkonzert aufgeführt

In das Wehklagen der Europäer darüber, dass sie bei Verhandlungen zwischen Washington und Moskau womöglich kein Wort mitzureden haben, will Brigadegeneral a.D. Erich Vad nicht mit einstimmen. Schließlich habe man in Europa kein realistisches Ziel und kein strategisches Konzept entwickelt, wie man aus dem Krieg mit Verhandlungen herauskommmt, so der Ex-Merkel-Berater.
Erich Vad zu Ukraine-Krieg: Politik und Medien haben jahrelang Wunschkonzert aufgeführtQuelle: Gettyimages.ru © Omar Havana/Getty Images

Den Sicherheits- und Militärexperten Erich Vad stimmen die neuen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt entgegen den in Politik und Medien vorherrschenden Auffassungen hoffnungsfroh. 

Mit dem Telefonat von Donald Trump und Wladimir Putin fühlten sich Brüssel, Berlin und Kiew zwar übergangen, doch in der Realität hätten sie wenig zu melden. 

"Am Ende wird es eine Entscheidung des russischen und des amerikanischen Präsidenten sein. Denn in der Ukraine wird ein Stellvertreterkrieg auf dem Rücken der Ukraine gekämpft", so der Brigadegeneral a.D., der unter Angela Merkel von 2006 bis 2013 Gruppenleiter im Bundeskanzleramt, Sekretär des Bundessicherheitsrats und Militärpolitischer Berater der damaligen Bundeskanzlerin war.

"Die beiden Großmächte Russland und USA machen es unter sich aus", konstatiert Vad im Interview mit der Berliner Zeitung.

Auf der seit Freitag tagenden Münchener Sicherheitskonferenz gehe es vor allem darum, was die Europäer zu den US-Vorschlägen zu sagen haben, und nicht um die Präsentation eines Friedensplans durch die Trump-Regierung.
Dann aber werden die Amerikaner "ihr eigenes Ding machen", so der Militärexperte.

Europäer hatten nie realistische Ziele oder strategisches Konzept

Wenn sich europäische Vertreter übergangen fühlten von Trump und nun fürchteten, bei Verhandlungen mit Russland am Katzentisch zu sitzen, so seien sie selbst schuld, befindet Vad. Denn anders als Berlin und Brüssel suche die US-Regierung nach einer politischen Lösung in der Ukraine. "Das haben die Europäer definitiv verpasst, indem sie nur Waffen an die Ukraine lieferten, ohne realistische politische Ziele und ohne ein strategisches Konzept, wie man aus dem Krieg mit Verhandlungen herauskommt", führt der ehemalige Brigadegeneral aus. 

"Während in Deutschland immer gebetsmühlenartig wiederholt worden ist, man dürfe mit Putin und Russland nicht reden, haben andere das immer getan." Es sei auch ein Zeichen, dass US-Vize J.D. Vance bei seiner Europareise erst mal nach Paris fahre und mit Macron rede.

"Daran sieht man, welchen Stellenwert die Amerikaner Deutschland beimessen. Die Bundesregierung hofft wahrscheinlich, dass bei der Münchner Sicherheitskonferenz ein Ergebnis für die Ukraine präsentiert und diskutiert wird. Aber das können die Europäer vergessen", so das vernichtende Urteil des ehemaligen Merkel-Beraters über Deutschlands Einfluss auf das Geschehen im Ukraine-Konflikt.

"In Deutschland müssen wir das endlich verstehen. Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij spielt keine Rolle. Auch wenn die Bundesregierung mantraartig erklärt, man dürfe nicht über die Köpfe der Ukrainer hinweg entscheiden – die politische Realität ist eine andere." Trump habe ja schon Wahlen in der Ukraine ins Spiel gebracht, denen sich Selenskij stellen müsse, und damit seine politische Legitimität infrage gestellt. Wenn es zu Wahlen kommt, glaubt Vad nicht, dass Selenskij daraus als Wahlsieger hervorgehen wird.

USA betrachten Europäer als Vasallen

Washington betrachte die EU-Länder als Klientelstaaten der USA, weshalb der Gedanke, auf Augenhöhe zu diskutieren, im Weißen Haus nicht existent sei, führt Vad aus.

Die Konfrontation mit Russland "löffeln wir Europäer genauso aus wie die anderen Kriege, die Amerika geführt hat. Denken Sie an den Irak oder Afghanistan, an Syrien, an Libyen und an die Ukraine." Das seien "verlorene Kriege" mit hohem finanziellen Aufwand, weitflächiger Zerstörung und  Auslöser für heftige Migrationswellen nach Europa gewesen."Wenn ich nach dem Sinn und nach dem Nutzen frage, dann erschließt sich mir das nicht", so Vad.

Sich selbst in die Tasche gelogen

Die hiesige Politik und große Teile der Medien hätten  in den letzten Jahren "in der guten Absicht, der Ukraine zu helfen und Selenskij politische und mediale Rückendeckung zu geben, ein regelrechtes Wunschkonzert veranstaltet – oft weit weg von der militärischen Realität", moniert Vad. Trotz punktueller Erfolge der Ukrainer und "ihrer Tapferkeit und ihres Stehvermögens" sei es ein blutiger Abnutzungskrieg, der von Kiew "nie zu gewinnen war vor dem Hintergrund der militärischen Kräfteverhältnisse, der Eskalationsmöglichkeiten Russlands und der logistischen Faktoren."

Dies sei absehbar gewesen und man hätte den Tod von "Hunderttausenden Soldaten und Zivilisten" verhindern können. "Die ukrainische Armee wird nicht mehr lange durchhalten können. Erst recht nicht, wenn die US-Hilfsleistungen wegfallen", prognostiziert der Militärexperte.

Vad gehe davon aus, dass der Konflikt zunächst eingefroren und es in naher Zukunft einen Waffenstillstand geben werde. Und es sehe danach aus, dass ein dauerhafter Frieden mit Russland möglich sei, weil Washington inzwischen die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine ausschließe.

Für Vad sind die jüngsten Ereignisse vielversprechend, da Russland und die USA miteinander unter realistischen Annahmen verhandeln wollen. Es hätte aber "frühere, bessere und friedlichere Alternativen gegeben, die uns den Tod Hunderttausender Menschen und die Zerstörung der Ukraine erspart hätten", so das Fazit des Generals.

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