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Realitätsverweigerung: Wie Medien nach dem Selbstmord-Angriff bei Kursk eine Offensive herbeizaubern

Die Anlandungsversuche der Kiewer Truppen im Kursker Gebiet wurden von russischen Spezialeinheiten souverän abgewehrt. Doch die Berichterstattung in Deutschland zeigt, wofür die ukrainischen Soldaten sinnlos sterben mussten: für einen eintägigen medialen Effekt.
Realitätsverweigerung: Wie Medien nach dem Selbstmord-Angriff bei Kursk eine Offensive herbeizaubern© Telegram Arhangel Speznaza, Screenshot

Von Wladislaw Sankin 

Am 5. Januar schickten die Kiewer Truppen eine gepanzerte Kolonne in Richtung Bolschoje Soldatskoje im Gebiet Kursk. Viele der Fahrzeuge waren mit Störsendern gegen russische Drohnen ausgestattet und ein Minenräumpanzer fuhr am Kopf der Kolonne. Einigen Fahrzeugen ist es gelungen fast bis zu dem Weiler Berdin vorzustoßen und einige Sturm-Gruppen in einem Aufforstungsstreifen dort anzulanden. 

Doch was geschah mit diesem Vorstoß? Im Endergebnis wurden alle Fahrzeuge vernichtet, oft samt Besatzung. Nach und nach tauchten in den russischen Telegram-Kanälen Beweisvideos auf, die zerstörerische Drohnenanflüge gegen diese Fahrzeuge zeigten – auch gegen diejenigen mit Störsendern. Waren diesmal etwa kabelgesteuerte Drohnen im Einsatz, die für Störsignale nicht anfällig sind? Auch das ist inzwischen sehr gut möglich.  

Die ukrainischen Soldaten, die bei Berdin verblieben, wurden eingekesselt und mit Kamikaze-Drohnen und Artilleriefeuer ausgeräuchert. Einige konnten sich noch ergeben – RT DE berichtete –, die anderen starben im Nahkampf. Am Dienstag veröffentlichte der Telegram-Kanal Colonelcassad ein Video, das von dem russischen Räumungskommando am Rande von Berdin aufgenommen wurde: Kämpfer einer russischen Spezialeinheit inspizieren die Leichen mehrerer ukrainischer Soldaten, die auf dem Boden verstreut liegen, und finden bei einigen Tattoos, die auf ihre Gefängnis-Vergangenheit hindeuten. In Ermangelung mobilisierter Soldaten setzt die Ukraine nun verstärkt auf Gefängnisinsassen. 

Am Dienstag bilanzierte der Militärkorrespondent Alexander Sladkow die Resultate der zweitägigen Kämpfe mit folgender Anmerkung: 

"Zum x-ten Mal höre ich das so, entweder in Repliken auf Telegram oder in privaten Nachrichten von meinen Kommandantenfreunden:

'Wir töten die Ukrainer in Rudeln, sie werden zur Schlachtbank geschickt, sie gehen gehorsam und sterben in Kolonnen!'

Dies wiederholt sich von Offensive zu Offensive der ukrainischen Streitkräfte. Das ist ein Trend."

Als Beweis stellte er ein einminütiges Video mit der Ansprache des Kommandeurs ein, der die Spezialeinheit "Aida" befehligte, welche bei Berdin operierte. Er fragte, warum die ukrainische Führung diese Menschen in dem Waldstück habe anlanden lassen – damit "wir sie den ganzen Tag töten"? Dies sei sinnlos. "Ich hätte mir an eurer Stelle darüber Gedanken gemacht", wandte er sich an die ukrainischen Soldaten. 

Alexander Sladkow hält den Angriff im Kursker Gebiet für eine westliche Operation. "Alle ukrainischen Hauptquartiere werden von ausländischen Generälen geführt. Sie bestimmen die Strategie der ukrainischen Streitkräfte. Und sie haben den Angriff auf die Region Kursk organisiert", schreibt er.

Damit war die "Offensive" nicht einmal für die ukrainische Öffentlichkeit bestimmt, sondern für die westliche, denn Selenskij hat sie bislang nicht kommentiert. Insgesamt halten sich ukrainische Führung und die Medien in der Berichterstattung über angebliche Vorstöße im Kursker Gebiet eher zurück. Ein Blick in die deutschen Medien zeigt, wo sich der Hauptrezipient dieser Nachrichten befindet: im Westen. 

So titelte am Dienstag Der Tagesspiegel: "Russland kann nicht ewig in der Offensive bleiben: Wie erfolgreich ist der neue ukrainische Vorstoß in Kursk?" Der Artikel ist lang (hinter Bezahlschranke) und kann in Gänze als Paradebeispiel für gravierende Realitätsverweigerung zitiert werden. Das Gewünschte wird als das Tatsächliche hingestellt und mit schwammigen Überlegungen eines australischen Experten ummantelt. 

Warum muss der Tagesspiegel längere Gespräche über die strategischen Ziele der Ukraine bei einer "neuen Kursk-Offensive" mit einem Australier führen, wenn die Lage an der Front im russischen Telegram nur wenige Klicks entfernt ist? Angesichts der großen Anzahl russischsprachiger Mitarbeiter in den deutschen Redaktionen ist es äußerst unkompliziert an die russischen Sichtweisen zu gelangen. Mit dem Hinweis auf "Nebel des Krieges" und verzerrende Kriegspropaganda beim "Feind" machen es sich viele westliche Propagandisten einfach zu leicht.   

Der Tagesspiegel ist kein Einzelfall. Auch andere Medien berichteten ähnlich. "Die Ukraine startet überraschende Offensive: In Kursk bahnt sich ein Showdown an", titelt etwa t-online. Erneut sei es der ukrainischen Armee offenbar gelungen, die Kremltruppen in der russischen Region Kursk zu überrumpeln. Und die Welt schreibt triumphierend: "Stich mitten in Putins Herz! Man geht davon aus, dass es eine neue Strategie ist!"

Zwei Stunden nach dem ersten Artikel am Dienstag legt der Tagesspiegel mit einer weiteren Lektüre nach. "Videobilder von großen Kolonnen ukrainischer Panzerfahrzeuge in der Region Kursk erinnern an den August 2024", steht da gleich zu Anfang. Mit diesem Satz trifft die Zeitung den Nagel auf den Kopf: Der einzige Sinn und Zweck der Todesfahrt in Richtung Berdin war ein kurzzeitiger medialer Effekt. Was mit der zum Abschuss freigegebenen Technik und dem Personal passierte, zeigen die Medien nicht. 

Der von t-online zitierte (Noch-)US-Außenminister Antony Blinken gibt die Antwort auf das Rätsel: 

"Ihre (die der Ukrainer, Anm. d. Red.) Position in Kursk ist wichtig, denn sie ist sicherlich ein Faktor bei den Verhandlungen, die im kommenden Jahr zustande kommen könnten", sagte Blinken am Montag am Rande seines Besuchs in Südkorea.

Die scheidende US-Regierung unter Präsident Joe Biden wolle sicherstellen, dass Kiew im Falle von Verhandlungen "die bestmöglichen Karten hat", fügte er hinzu. 

Also hat der Militärkorrespondent Alexander Sladkow recht. Die Kursk-Karte wird von der Partei des Krieges in den USA ausgespielt. Die ganze Operation wurde von ihr kontrolliert: von der militärischen Planung bis hin zur medialen Verwertung. Das Trump-Team hat seinerseits diese Intrige als diplomatische Mine erkannt und den Besuch des Sondergesandten Keith Kellogg in Kiew gestoppt. Was nicht automatisch bedeutet, dass Trump zum "Friedens-Lager" im Westen gehört. Aber zumindest hat er bislang deutlich andere Positionen in Bezug auf den Ukraine-Konflikt geäußert, was vielen friedensorientierten Kräften in Europa ein bisschen Hoffnung macht.

Hier das letzte Update zu Kursk, Stand Dienstagnachmittag: Die russischen Streitkräfte haben im Kursker Gebiet die Orte Russkoje Porechnoje und Leonidowo befreit, bei Malaja Loknja sind sie vorgerückt und kämpfen um Tscherkasskoje Porechnoje. Nach einem "Stich in Putins Herz" sieht die operative Lage an diesem Frontabschnitt also überhaupt nicht aus.   

Mehr zum Thema - Euphorie war gestern: BBC warnt vor Zusammenbruch der ukrainischen Front

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