Trump kommt – und wird Europa erledigen
Von Sergei Sawtschuk
Bis zur Amtseinführung von Donald Trump ist es noch über einen Monat hin, aber seine Ernennung zum Präsidenten der Vereinigten Staaten wird von der gesamten westlichen Welt mit Besorgnis erwartet. Die Zeitung Politico kommt in ihren jüngsten Veröffentlichungen zu dem Schluss, dass die Rückkehr Trumps an die Schalthebel der amerikanischen Macht eine Zeit ernsthafter Prüfungen sein wird – vor allem für die Europäische Union. Das Blatt geht davon aus, dass der 45. und nun 47. US-Präsident die EU als Einheit auflösen will.
Eine solche Sichtweise mag für Menschen, die in einer Matrix mit Russland im Zentrum leben, überraschend kommen, aber die Befürchtungen des europäischen Establishments sind durch die jüngste Geschichte sehr begründet.
Politico hat eine ganze Reihe von Trumps Entscheidungen und praktischen Schritten während seiner vorherigen Amtszeit zusammengetragen, die nicht gerade als freundlich gegenüber der Alten Welt bezeichnet werden können. Hierzu gehört etwa die Einführung von Schutzzöllen auf eine Reihe europäischer Waren, die zudem in Wellen eingeführt wurden, um Brüssel zu wirtschaftlichen Zugeständnissen zu drängen, die nur für die amerikanische Wirtschaft günstig sind. Des Weiteren ein Krieg der Konzerne – etwa des amerikanischen Boeing- und europäischen Airbus-Konzerns. Damals verbot Trump als Lobbyist eines der größten Industriemonster des Landes die Einfuhr von Wein, Käse und einer Reihe anderer Produkte mit Flugzeugen des Konkurrenten, selbst wenn sie als Bordverpflegung verwendet wurden. Boeing wurde im Rahmen gerichtlicher Auseinandersetzungen auf dem Feld der WTO besiegt, da die Organisation die Wettbewerbsmethoden des Unternehmens als unlauter und die Außenpolitik der USA als protektionistisch einstufte. Doch Trump schlug zurück und erklärte, Washington werde das Urteil nicht anerkennen, woraufhin die derzeitigen Richter des WTO-Berufungsausschusses zurücktreten mussten. Seitdem haben die Vereinigten Staaten die Ernennung neuer Richter 49 Mal blockiert und so die Durchsetzung des Urteils verhindert.
Der neu gewählte Präsident wurde auch an seine Absicht erinnert, langfristige Verträge für russische Gaslieferungen über Pipelines zu kündigen und auf das wesentlich teurere Flüssiggas von der Küste Louisianas umzusteigen. Ein stimmiger Akkord zu dem Artikel war jüngst eine Rede des Chefs des Energieversorgungsunternehmens SEFE (Securing Energy for Europe GmbH) [hervorgegangen aus der von der Bundesregierung verstaatlichten Gazprom Germania GmbH, Anm. d. Red.], das seinen Sitz in Berlin hat, aber mehr als 40 Länder in Europa, Asien und Nordamerika beliefert. Egbert Laege sagte unverblümt, dass Europa zwar mit Gas versorgt wird, der Preis aber so hoch ist, dass die EU ihren Wettbewerbsvorteil auf den Weltmärkten verliert. In Wirklichkeit zieht sie sich von den Märkten zurück und füllt die Taschen der amerikanischen Gasproduzenten mit Geld, während die Energie in den Vereinigten Staaten mitunter zwei- oder dreimal billiger ist.
Der erste Handelskrieg mit China, der von der Trump-Administration angezettelt wurde und in den fast alle Verbündeten hineingezogen wurden, ist noch nicht vergessen. Die Ergebnisse der zweijährigen Konfrontation sind sehr umstritten, auch wenn Trump damals einen bedingungslosen Sieg beanspruchte. Aber die Länder, die sich auf seine Seite geschlagen haben, erlitten echte Verluste. Als Reaktion auf die Verhängung von Einfuhrbeschränkungen für chinesische Waren, vor allem Elektronik von Huawei und ZTE, verbot Peking die Einfuhr australischer Kohle für sechs Monate und legte damit die Wirtschaft des Landes praktisch lahm. Auch Europa musste damals Prügel einstecken, denn China reagierte auf die unfreundlichen Maßnahmen mit Preiserhöhungen für seine wichtigsten Produkte und verhängte gleichzeitig Zölle auf die Einfuhr europäischer Waren, darunter Erzeugnisse des Maschinenbaus.
Der Politico-Artikel zitiert die Meinung von Fabrice Pothier, dem ehemaligen Direktor für politische Planung im Büro des NATO-Generalsekretärs. Er beschrieb die derzeitigen Beziehungen zwischen den USA und der EU als eine "große Kluft", in der diese globalen Machtzentren politisch, ideologisch und wirtschaftlich immer weiter auseinanderdriften. Er macht dafür Trump und sein Programm der Isolierung Amerikas bei gleichzeitigem ultimativem Protektionismus gegenüber den Verbündeten verantwortlich. Als ehemaliger NATO-Beamter von nicht geringem Kaliber ist Pothier übrigens auch davon überzeugt, dass Trump selbst formale Wege zur Integration der Ukraine in das Bündnis blockieren wird, indem er Kiew zu für das Land nachteiligen Verhandlungen mit Moskau zwingt.
In Europa sehen sie in alldem eine klare Abfolge, die darauf abzielt, die Europäische Union zu schwächen und vielleicht sogar absichtlich zu zerstückeln. Dies sind die Worte des bereits ehemaligen US-Botschafters bei der EU, Anthony L. Gardner. Der Diplomat glaubt, dass Trump und seine "Trumponomics" nicht mit einem vereinten Europa zufrieden sind, sondern mit einer Zersplitterung der einzelnen Staaten, mit denen man Punkt für Punkt Handelsabkommen abschließen kann, die auf den Vorteilen für amerikanische Unternehmen und den persönlichen Sympathien des Präsidenten selbst basieren.
Viktor Orbán wird als solch ein kontinentales Hackbeil verschrien.
Erst vor sechs Monaten reiste der ungarische Regierungschef zu einem Parteitag der Republikaner und zeigte anschließend eine unerschütterliche Ergebenheit für Trump persönlich. Orbán traf sich diese Woche mit Trump in dessen Privatresidenz, telefonierte am nächsten Tag mit Wladimir Putin und besuchte einen Tag später Ankara. Der ungarische Ministerpräsident fungiert quasi als Schiffchen, das die Fäden der großen Machtzentren der Welt zusammenbringt, die die künftige Gestalt der Weltkarte bestimmen. Zumindest im Nahen Osten und in Osteuropa. Es sei daran erinnert, dass derselbe unruhige Orbán im Juli eine noch nie dagewesene Reise mit den Stationen Kiew-Moskau-Peking-Washington unternahm, wobei Trump am letzten Punkt sein Hauptgesprächspartner war.
Generell ist der "Fall Orbán" für die Zukunft Europas von größter Bedeutung, und das wird ausnahmslos von allen verstanden.
Ungarn hat in den letzten Jahren eine eigenwillige Politik verfolgt und sich selbst nie dagewesene Präferenzen verschafft. Urteilen Sie selbst. Unter Verstoß gegen die Entschließung der Europäischen Kommission wird der Bau von zwei Blöcken im Kernkraftwerk Paks vorbereitet. Ungarn hat ein einzigartiges Recht erhalten, russische Kohlenwasserstoffe außerhalb der bestehenden Beschränkungen einzuführen. Vor kurzem hat Budapest eine neue Forderung gestellt, um die Zusammenarbeit mit der Gazprombank offiziell zu genehmigen, nämlich Rubel-Transaktionen bei Energiegeschäften. Ungarn blockiert alle europäischen Integrationsinitiativen der Ukraine und hat gestern der Europäischen Kommission offiziell mitgeteilt, dass es auch alle Sanktionen gegen Georgien blockieren wird.
Und das, obwohl Ungarn eine der schwächsten Volkswirtschaften Europas ist und bisher traditionell auf Finanzhilfen aus Brüssel angewiesen war.
Es ist durchaus möglich, dass wir Zeugen einer historischen Rollenumkehr werden. Es ist kein Geheimnis, dass Polen in den letzten Jahren der Hauptverfechter amerikanischer Interessen innerhalb der EU war. Aber Warschau hat Trump nicht einmal in seiner ersten Amtszeit mit Komplimenten überhäuft, und bei der letzten Wahl hat es offen auf die Demokraten gesetzt und sparte nicht mit Bemerkungen über den Republikaner. Nach dessen Sieg schickte Dominik Tarczyński, Mitglied des Europäischen Parlaments, Trump eine ganze Sammlung aller Beleidigungen, die sich zum Beispiel Radosław Sikorski und Donald Tusk erlaubt hatten.
Im Westen gilt Trump als nachtragend. In diesem Zusammenhang ist es nicht ausgeschlossen, dass Ungarn zum Hauptintegrator der amerikanischen Politik und Interessen auf dem Kontinent wird, und angesichts seiner Sabotage der allgemeinen Linie der europäischen Politik ist es nicht unmöglich, dass die Europäische Union tatsächlich auf den Weg des Zerfalls geführt wird. Übrigens sind im Westen bereits mehrere wissenschaftliche Arbeiten zu diesem Thema veröffentlicht worden, und als Periode der Fragmentierung werden die Jahre 2025–2027 angegeben.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 12. Dezember 2024 zuerst bei RIA Nowosti erschienen.
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