Barnier-Regierung fällt: Politische Krise in Frankreich
Von Pierre Lévy
Am 4. Dezember stürzte die von Michel Barnier geführte französische Regierung – genau drei Monate nach ihrer Bildung. Das Ereignis löste natürlich, in Frankreich, aber auch im Ausland, einen immensen Medien- und Politikrummel aus. Es kam jedoch nicht völlig unerwartet.
Im Juni hatte Emmanuel Macron nämlich beschlossen, die Nationalversammlung aufzulösen. Der Präsident hoffte, dass die Wähler ihm eine stabilere parlamentarische Mehrheit geben würden als die im Jahr 2022 gewählte, die es ihm nicht ermöglichte, seine Politik durchzusetzen. Doch das Gegenteil ist eingetreten.
Die im Juli gewählten Abgeordneten teilten sich in drei fast gleich große Blöcke auf: die Linke; die Sympathisanten des Präsidenten aus der Mitte und dem rechten Lager; und das Rassemblement National (RN, die größte Fraktion). Keiner dieser drei Blöcke war bereit, mit einem der beiden anderen zusammenzuarbeiten. Das Ergebnis war somit von vornherein festgeschrieben.
Die damalige Vorsitzende des RN, Marine Le Pen, beschloss, ihre Stimmen mit denen der Linken zu vereinen. Der Misstrauensantrag, den die Linke einbrachte, wurde daher mit großer Mehrheit angenommen (331 Stimmen, die absolute Mehrheit lag bei 289). Le Pen entschied sich dafür, das erste wichtige Gesetz zu blockieren, für das die Regierung die Verantwortung übernommen hatte: das Gesetz zur Finanzierung der Sozialversicherung.
Man kann diese Entscheidung hinterfragen: Wäre es aus ihrer eigenen Sicht nicht profitabler gewesen, die Zugeständnisse, die Michel Barnier ihr gemacht hatte, zu plakatieren und – in einer komfortablen Position – das Schicksal der Regierung noch einige Monate in ihren Händen zu halten? Andererseits ist fraglich, ob die Koalition der vier linken Parteien mit dem Namen "Neue Volksfront" das derzeitige Tohuwabohu überstehen wird.
Derzeit setzt man sich – unter heftigen Beschimpfungen – damit auseinander, wie man aus der institutionellen Sackgasse herausfinden kann, da das Parlament bis Juni nicht wieder aufgelöst werden kann. Das Land hat für 2025 noch keinen Haushalt verabschiedet und muss kurzfristig den Haushalt von 2024 unverändert fortschreiben. Zudem ist der soziale Zorn über die Politik, die seit der Wiederwahl von Macron im Élysée-Palast verfolgt wird, deutlich spürbar. Zufälligerweise kam das Misstrauensvotum der Regierung einige Stunden vor dem Tag, an dem die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auf die Straße gingen.
Aber wenn es legitim ist, die möglichen Folgen und Auswege aus der politischen Krise in Frankreich zu ermitteln, kann es hilfreich sein, die Ursachen einer solchen Situation und ihren europäischen Kontext zu analysieren. Natürlich muss daran erinnert werden, dass jedes Land der EU seine eigene Geschichte und politische Kultur hat. Dies sollte jedoch nicht davon abhalten, auf einige Analogien hinzuweisen.
So befindet sich Deutschland mit dem Auseinanderbrechen der Ampelkoalition ebenfalls in einer großen Krise. Im Februar 2025 werden vorgezogene Neuwahlen stattfinden – ein Fall, der zwar nicht neu ist, aber doch sehr selten vorkommt.
Vor allem aber sind viele EU-freundliche Kommentatoren besorgt darüber, dass die beiden größten Länder der Europäischen Union, von denen man annimmt, dass sie die Union gemeinsam führen, gleichzeitig lahmgelegt werden. Und das zu einer Zeit, in der "der Krieg vor der Tür steht, die Welt brennt, Donald Trump wieder ins Weiße Haus einzieht und Europa wirtschaftlich abgehängt wird", wie sie betonen.
Das ist aber noch nicht alles. Nahezu vergessen wird, dass Belgien seit Juni immer noch keine Regierung hat. Das ist zwar nicht ungewöhnlich in diesem Land, aber es bleibt dennoch ein Faktor der Instabilität.
Man könnte auch die Niederlande erwähnen, wo das Kabinett der "Techniker" bislang von einer Koalition aus vier Parteien unterstützt wird, von denen die größte die von dem in der Öffentlichkeit dämonisierten Geert Wilders angeführte Partij voor de Vrijheid ist. Viele Analysten sagen voraus, dass dieses Gespann vor seinem regulären Ende auseinanderbrechen könnte.
Drei oder vier der sechs Gründerstaaten der (damaligen) EWG erleben also gleichzeitig schwere politische Turbulenzen. Dazu kommt, dass Spanien von einer Regierung geführt wird, deren Überleben am seidenen Faden hängt: Der sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez hat keine parlamentarische Mehrheit und ist den Abgeordneten der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung ausgeliefert, denen gegenüber er immer mehr Zugeständnisse machen musste.
Weiter im Osten erlebte Rumänien gerade ein doppeltes Wahlbeben (Präsidentschafts- und Parlamentswahlen), bei dem ein völlig unbekannter Mann, der sich für einen Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine einsetzt, in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen die Führung übernahm. Und das in einem Land an der "Frontlinie", das für die NATO von besonderer strategischer Bedeutung ist und als Drehscheibe für die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an Kiew fungiert.
Es ist kein Geheimnis, dass in den europäischen Hauptstädten ein Anflug von Panik zu verzeichnen war. Vor diesem Hintergrund erklärte das Verfassungsgericht den Wahlgang schlicht und einfach für ungültig. Als Begründung führte es den Verdacht auf russische Einmischung in die sozialen Netzwerke an. Darüber hinaus gibt es auch in Bukarest keine klare Mehrheit im neuen Parlament.
Bulgarien seinerseits steuert wahrscheinlich auf die achten Parlamentswahlen innerhalb von vier Jahren zu, da auch hier bisher keine Mehrheit zustande kam. Und die Liste der Länder, die sich in einer politischen Krise befinden, ist damit noch nicht zu Ende.
Alle diese Situationen scheinen eines gemeinsam zu haben: das Aufkommen (entweder schon seit einiger Zeit oder erst kürzlich) von Parteien, die als rechtsextrem oder "populistisch" eingestuft werden.
Dies ist offensichtlich auf beiden Seiten des Rheins der Fall, mit dem RN beziehungsweise der AfD. Auch die niederländische PVV von Wilders fällt in diese Kategorie. In Spanien kam Vox als politische Kraft hinzu. Und in mehreren östlichen EU-Ländern, insbesondere in Bulgarien und Rumänien, sind eine oder mehrere Gruppierungen entstanden oder erstarkt, die als "prorussisch" bezeichnet werden, weil sie sich für ein Ende der militärischen Unterstützung für Kiew sowie für ein Kriegsende durch Verhandlungen aussprechen.
Diese Gruppierungen können von Land zu Land sehr heterogen erscheinen. Allen gemeinsam ist jedoch, dass sie sich als "Anti-System"- und "Anti-Eliten"-Parteien bezeichnen. Man kann an der Wahrhaftigkeit oder Aufrichtigkeit dieser zur Schau gestellten Glaubensbekenntnisse zweifeln. Aber das ist nicht die Frage. Entscheidend ist, dass es ihnen gelingt, sehr viele Wähler hinter sich zu vereinen.
Das hat zwei Konsequenzen. Die erste ist arithmetisch: Das Auftreten zusätzlicher Parteien in den zunehmend fragmentierten Parlamenten erschwert die Bildung einfacher und klassischer Mehrheiten. Die zweite Konsequenz ist politischer Natur: Die Dominanz der traditionellen großen Parteien und ihre gut geölten Mechanismen für Machtwechsel werden in Frage gestellt.
Die Koexistenz zweier großer "gemäßigter" Kräfte – eine sogenannte linke Mitte und eine rechte Mitte –, die sich an der Macht abwechseln oder gemeinsam regieren, war die archetypische europäische Konfiguration. Diese wurde vom "deutschen Modell" inspiriert, das in Frankreich von der herrschenden Ideologie lange Zeit als ideal dargestellt wurde, insbesondere wegen ihrer Fähigkeit, Kompromisse zu schließen; Kompromisse, die umso leichter zu finden sind, als die von der einen und der anderen Seite verfolgte Politik ideologisch ähnlich ausgerichtet ist und sich nur durch eine leicht "sozialere" oder liberalere Färbung unterscheidet.
Das Modell wurde jahrzehntelang auch im EU-Parlament praktiziert, wo Rechte und Sozialdemokraten die Posten in einer de facto "großen Koalition" unter sich aufteilten. Diese Konstellation wird nun in Straßburg erschüttert, wo drei Fraktionen, die oft als rechtsextrem eingestuft werden, eine beträchtliche Anzahl von Sitzen auf sich vereinen.
Die politische Sackgasse in Frankreich und die Krisen in immer mehr Ländern zeigen, dass dieses Modell obsolet ist. Sie sind Ausdruck eines wachsenden Überdrusses der Bürger angesichts von Wechseln, die die gleiche Politik über Jahrzehnte hinweg fortsetzen. Gleichzeitig bestätigen sie den wachsenden Widerstand gegen die europäische Integration, deren wichtigstes Ziel darin besteht, den Bürgern die Freiheit zu nehmen, andere als die im "Kreis der Vernunft" umschriebenen Entscheidungen zu treffen.
Unabhängig von den kurzfristigen Entwicklungen der institutionellen Krise in Frankreich könnten sich derartige "Unfälle" in einer Reihe anderer Länder häufen. Für Brüssel ist diese Perspektive nicht gerade beruhigend.
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