"Es bleiben zwei Tage": Agonie bei Russlands Gegnern in Moldawien
Von Michail Katkow
Streit über die Zukunft
Die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen in Moldawien soll am 3. November stattfinden. Experten meinen, dass ein Ablehnungswert von 60 Prozent und ein Fehlen von ernstzunehmenden Verbündeten im Inland die amtierende Präsidentin Maia Sandu an einer Wiederwahl hindern werden. In einem Versuch, das Blatt zu wenden, entschied sie sich, an Debatten mit ihrem Kontrahenten Alexandr Stoianoglo teilzunehmen.
In der ersten Runde erhielt Sandu 42,49 Prozent der Wählerstimmen, Stoianoglo 25,95 Prozent. Um ihren Vorsprung zu vergrößern, warf Sandu ihrem Wettbewerber Arbeit für Moskau, Begünstigung der Korruption und Verbindungen zu in Ungnade gefallenen Oligarchen vor. Dabei sprach sie ausschließlich auf Rumänisch, im Versuch zu betonen, dass ihr Opponent die Sprache schlecht kenne. Am Ende ihres Auftritts behauptete sie: "Der Präsident ist ein Diener des Volkes. Diebe können keine Wahlen gewinnen, außer sie kaufen Stimmen. Moldau erlebt einen großangelegten Angriff auf die Demokratie, doch nur Herr Stoianoglo sieht das nicht."
Stoianoglo erklärte seinerseits, dass Sandu zwar möglicherweise vor vier Jahren etwas Nützliches für Moldawien tun wollte, es ihr aber nicht gelang. Deswegen müsse sie ihren Platz an ihn abtreten. Er versprach, eine technokratische Regierung zu bilden, die das Land aus der tiefen Wirtschaftskrise herausholen würde. Dabei versicherte er, konstruktive Beziehungen zu allen Nachbarn, einschließlich Russlands, der Ukraine und der EU-Staaten zu bilden. "Ich bin ein Anhänger der Eurointegration", betonte der Präsidentschaftskandidat.
"Ruhe und Ausgewogenheit eines Mannes des Gesetzes gegen Aggression und Populismus einer Präsidentin, die nach vier für das Land verheerenden Jahren keinen einzigen Fehler und keinen einzigen Fall von Machtmissbrauch gestehen will", bewertete Moldawiens ehemaliger Präsident Igor Dodon die Ergebnisse der Debatten. Das gegenüber Sandu loyale Nachrichtenportal NewsMaker führte außerdem eine Umfrage durch, die ergab, dass große Teile der Zuschauer Stoianoglo für den Sieger der Debatten hielten: 46,71 Prozent gegenüber 35,52 Prozent. Dabei hinterließen die Anhänger der amtierenden Präsidentin ihre Kommentare hauptsächlich in rumänischer Sprache.
Moldawischer Traum
Indessen kündigten Vlad Batrîncea und Grigore Novac, Abgeordnete der Partei der Sozialisten, an, sich an die Generalstaatsanwaltschaft mit der Forderung zu wenden, gegen Sandus Team wegen Volksverhetzung zu ermitteln. Als Beispiele führten sie Angriffe auf Anhänger von Stoianoglo in Chișinău und anderen moldawischen Regionen an. "All diese Fälle sind eine logische Konsequenz der Propaganda, die Frau Maia Sandu betreibt. Wir sprachen mehrmals davon, dass die Regierung zivilisiert agieren und zur Ruhe aufrufen sollte. Es sollten Diskussionen über Ideen zur Entwicklung der Republik sein. Wir sehen, dass Sandus Stab keine anderen Mittel hat, die Wählerschaft zu mobilisieren, außer Hysterie und Spaltung der Gesellschaft zu betreiben", sagen die Abgeordneten.
Darüber hinaus begann Sandu eine Kampagne, um Stoianoglo auf ethnischer Grundlage wegen seiner gagausischen Abstammung zu diskreditieren. Ihre Agitatoren behaupten, dass Gagausen allesamt Verräter seien. "Es entsteht der Eindruck, dass niemand damit ein Problem hat. Wir haben eine Zivilgesellschaft, die ihre Position auch zum Ausdruck bringen sollte. Wir haben Regierungsinstitute, die mit diesem Prozess auf die eine oder andere Weise zusammenhängen. Denn was heute auf staatlicher Ebene getan wurde, wird zu Zwistigkeiten auf Alltagsebene führen, dass Gagausen in Medizin- oder Bildungseinrichtungen diskriminiert werden", kommentierte Stoianoglo die Aktionen seiner Widersacherin. Er warnte, dass nach Gagausen sämtliche russischsprachigen Moldawier, etwa 30 Prozent der Landesbevölkerung, ins Visier genommen werden.
Indessen verkündete Renato Usatîi, Vorsitzender der Partei "Unsere Partei", der in der ersten Runde 13,79 Prozent der Wählerstimmen erhielt, dass er weder Sandu noch Stoianoglo unterstützen werde. Die amtierende Präsidentin interessiere sich nicht für nationale Probleme, unterdrücke aber jegliche Kritik, sagte er. Stoianoglo hingegen unterstütze er nicht, weil dieser wiederum von Sozialisten unterstützt werde. "Diese Partei versucht seit 2014, Unsere Partei zu zerstören", so Usatîi.
Usatîis Anhänger können zu einer entscheidenden Kraft in der zweiten Runde werden. Für Stoianoglo werden voraussichtlich auch jene stimmen, die in der ersten Runde Gagausiens ehemalige Regierungschefin Irina Vlah mit 5,38 Prozent der Stimmen und Vasile Tarlev mit 3,19 Prozent der Stimmen wählten. Sandu hat keine offensichtlichen Verbündeten.
Freilich ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen massenhaften Stimmenkaufs. Die amtierende Präsidentin ist daran unmittelbar interessiert, denn sie behauptet, dass ihr schlechtes Abschneiden in der ersten Runde durch Russlands Einmischung verursacht sei. Eine Liste von Personen, die angeblich ihre Stimme verkauften, wurde veröffentlicht. Der Staatsanwalt Ion Munteanu sagte, dass Rechtspflegebehörden sie auf Echtheit überprüfen werden.
Dabei verkündete mindestens eine der gelisteten Personen, Olivia Prodan, öffentlich, dass sie mit Wahlbetrug nichts zu tun habe. Die junge Frau versichert, dass sie eine eigenständige Untersuchung durchgeführt habe und zum Schluss gekommen sei, dass die Liste auf Grundlage von Geldüberweisungen aus Russland zusammengestellt wurde. Insbesondere arbeitete Prodan bei einem internationalen Unternehmen, das ihr wöchentlich 200 bis 300 Euro überwies. "Wenn es so weitergeht, bleibt Moldawien ohne Jugend", schlussfolgerte sie.
Das schwache Glied
Natalja Charitonowa, Doktorin der Politikwissenschaften und Professorin der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Öffentlichen Dienst, vermutet, dass Sandus Erfolgschancen bei der Stichwahl trotz aller Bemühungen gering bleiben. "Sie hätte in der ersten Runde gewinnen müssen. Sobald sie daran scheiterte, wandten sich selbst Parteigenossen von ihr ab. Jetzt ist Sandu eine lahme Ente. Möglicherweise hätten überzeugendere Ergebnisse des Referendums über den EU-Beitritt sie vor einem solchen Schicksal bewahrt, doch auch dort klappte nichts. Zudem haben alle anderen politischen Leitfiguren entweder zur Stimmabgabe für Stoianoglo aufgerufen oder sich geweigert, die verbliebenen Präsidentschaftskandidaten zu unterstützen", sagt Charitonowa.
Dabei merkt sie an, dass die Staatschefin in ihrer Agonie beschloss, die nationale Karte zu spielen und die Wähler auf die gagausische Abstammung ihres Konkurrenten aufmerksam zu machen. Doch Moldawier würden sie so sehr hassen, dass dies kaum wirken werde. Was die Behauptungen für Wahlfälschungen in der ersten Runde angeht, so habe Sandu binnen einer Woche keine Beweise dafür gefunden und wird sie kaum in der Zukunft finden.
Wladimir Scharichin, stellvertretender Leiter des Instituts für GUS-Staaten, ist ebenfalls zuversichtlich, dass es der amtierenden Präsidentin nicht gelingen werde, die Unterstützung einer Mehrheit der Wähler zu sichern. Allerdings könnte sie nach seiner Meinung die Wahlen durch eine Fälschung gewinnen.
"Wahrscheinlich wird der Abstand zwischen den Kandidaten wenige Prozent betragen. Das wird Sandu die Möglichkeit geben, den Trick zu wiederholen, den sie bereits beim Referendum über die EU-Integration ausprobierte, als der nötige Vorsprung in den letzten wenigen Stunden der Stimmenzählung nachgezeichnet wurde", erklärt er.
Der Experte schließt nicht aus, dass massenhafte Protestaktionen als Reaktion auf die Wahlfälschung stattfinden. Doch diese seien für Sandu nicht so gefährlich wie eine ehrliche Wahl. Vor allem sei die Opposition zu zersplittert, um über die Straße an die Macht zu kommen.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 31. Oktober bei RIA Nowosti.
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