Europa

Umbau des Schienennetzes: Europa bereitet die Ukraine auf den nächsten Krieg vor

Die EU wird Milliarden Euro in mehrere Verkehrs- und Logistikprojekte in der Ukraine investieren. Mit diesem Geld sollen unter anderem bestehende russische Breitspureisenbahntrassen in einigen Abschnitten auf das engere europäische Format umgestellt werden. Das Ziel dieser scheinbar rein friedlichen Projekte ist keineswegs nur geschäftlicher Natur.

Von Nikolai Storoschenko

Das Thema des Wiederaufbaus der Ukraine durch ihre europäischen Verbündeten wird in der Regel immer in Verbindung mit dem Begriff "Nachkriegszeit" dargestellt. Dennoch gibt es Bereiche, in denen die Arbeiten bereits im Gange sind. Einer davon ist der (Güter-)Eisenbahnverkehr und die Erhöhung der Kapazität der Eisenbahnstrecken zwischen der Ukraine und der EU.

Es geht vor allem um die Verlegung der sogenannten Eurospur – einer Eisenbahnstrecke europäischer Bauart mit einer Spurweite von 1.435 Millimetern (in Russland, den postsowjetischen Ländern sowie in der Mongolei und Finnland ist die Spurweite größer und beträgt 1.520 Millimeter). Es geht auch um die Schaffung von Logistikterminals, die einen Ersatz für die inaktiven Häfen darstellen.

Ersatz für die Schwarzmeerhäfen

Die Idee der Verlegung der Eurospur für die Ukraine ist nicht neu und wird mindestens so lange diskutiert wie die Frage der europäischen Integration. Die ukrainische Regierung beziehungsweise die Ukrsalisnyzja (die ukrainische Eisenbahn) hatte jedoch nie genügend finanzielle Mittel für eine umfassende Erneuerung der Gleisanlagen zur Verfügung.

Außerdem war es auch nicht sehr sinnvoll. Der Hauptfrachtstrom (Kohle, Erz, Getreide, Ölprodukte, Container) wurde über die Schwarzmeerhäfen abgewickelt – etwa 150 Millionen Tonnen pro Jahr. Kleine, dringende/verderbliche Güter wurden mit Lastkraftwagen befördert. Der Anteil der Eisenbahntransporte am Export war jedoch nicht unbedeutend; im Jahr 2021 erreichte der Anteil von Ukrsalisnyzja an den Exportladungen 112 Millionen Tonnen. Allerdings ging es dabei hauptsächlich um die Lieferung von Gütern zu den nächstgelegenen Häfen (größtenteils das rumänische Konstanza), wodurch der Mangel an Hafenkapazitäten in der Ukraine selbst ausgeglichen wurde.

Während der Amtszeit von Petro Poroschenko wurde ein Projekt zur Verbindung von Kiew, Odessa und Lwow mit der Euro-Eisenbahn aktiv diskutiert. Allerdings gedieh es nicht weiter als die Diskussion selbst.

Heute ist die ukrainische Eisenbahn dabei, ihren Umsatz aktiv zu steigern. Und obwohl das Unternehmen noch nicht das Niveau von 2021 (312 Millionen Tonnen) erreicht hat, erholt sich der Gütereisenbahnverkehr. In der ersten Hälfte dieses Jahres wurden 90 Millionen Tonnen Fracht befördert (ein Plus von 28 Prozent im Vergleich zum Zeitraum von Januar bis Juni 2023). Die Hälfte dieses Volumens entfiel auf Exportfracht (45 Millionen Tonnen, ein Plus von 59 Prozent gegenüber dem Zeitraum Januar bis Juni 2023).

Zum Vergleich: Im Jahr 2021 lag der Anteil der Exportfracht an den Ukrsalisnyzja-Transporten bei etwa 36 Prozent. Berücksichtigt man das Ausmaß des Rückgangs im Güterverkehr, so ergibt sich, dass die ukrainische Eisenbahn bereits 20 bis 30 Millionen Tonnen Fracht übernommen hat, die früher auf dem Seeweg befördert wurden. Insgesamt wird diskutiert, bis zur Hälfte des Vorkriegsgüterumschlags der Häfen auf die ukrainische Eisenbahn zu übertragen.

Problematisch sind dabei nicht nur die Umsatzeinbußen in den Häfen. Aufgrund der aktiven Mobilisierung und des Ausreiseverbots für Männer im wehrpflichtigen Alter sind die ukrainischen Transportunternehmen mit einem gravierenden Mangel an Transporterfahrern konfrontiert. Darüber hinaus gibt es in einigen EU-Ländern Bestrebungen, die Arbeitsmöglichkeiten für ukrainische Fahrer auf ihrem Markt einzuschränken. Auch dies könnte die Belastung für die Eisenbahn erhöhen.

Knotenpunkte und Verkehrswege

Derzeit konzentrieren sich die Bemühungen der Ukraine und der EU eher auf die Schaffung von Logistikzentren. Dabei handelt es sich insbesondere um das Logistikzentrum Mostiska an der Grenze zu Polen (bei der Stadt Mostiska) und einen "Trockenhafen" im Gebiet Winniza. Die geplante Kapazität des Mostiska-Terminals – ein Umschlag von bis zu 100.000 TEU pro Jahr (die erste Stufe, die in diesem Jahr eröffnet wird, soll 30.000 TEU umfassen). Darüber hinaus wurde der Umschlagplatz bereits 2023 mit Pumpstationen ausgestattet, die den Umschlag von flüssigen Gütern von Eisenbahnkesselwagen auf Autos und umgekehrt ermöglichen.

Generell geht es darum, Schlüsselregionen der Ukraine mit der EU zu verbinden, indem ein nachhaltiger Export-Import-Korridor geschaffen wird, der in der Lage ist, alle Arten von Gütern umzuschlagen: Container, Schüttgut, flüssige Massengüter und Getreide. Damit wird er ein vollwertiger, wenn auch kleiner Ersatz für die wegfallenden traditionellen Seehäfen.

Ein weiterer ähnlicher Korridor ist in Moldawien geplant. Er wird Rumänien mit Odessa durch den neuen Logistikkomplex "Beresti" verbinden.

Die Beteiligung der EU an diesen Projekten beschränkte sich bisher hauptsächlich auf gezielte Finanzierungen (Lokomotiven, Elektrolokomotiven, Tank- und Getreidetransporter, Lader und so weiter). In Zukunft könnte die EU-Finanzierung jedoch ein qualitativ neues Niveau erreichen.

Bereits im Jahr 2023 veröffentlichte die EU eine Strategie für die Integration der ukrainischen und moldawischen Eisenbahnen in das transeuropäische Verkehrsnetz (TEN-T). Die Beteiligung Moldawiens erklärt sich aus der Tatsache, dass die Ukraine in drei Verkehrsachsen einbezogen werden soll. Zwei davon sind von der Region Lwow aus zugänglich (nach Katowice und weiter nach Süddeutschland sowie nach Warschau und weiter zu den Häfen an der Nord- und Ostsee). Die dritte Route führt in Richtung der Häfen an der nördlichen Adria, das heißt direkt durch Moldawien und Rumänien.

Im Falle der Ukraine umfasst diese Integration mehrere Stufen. Sie soll mit dem Bau einer Euro-Eisenbahn beginnen, die Polen und Lwow verbindet. Diese Strecke wird durch den Logistikknotenpunkt Mostiska verlaufen. Die zweite Etappe umfasst den Bau der Eurobahn Lwow-Kiew. Und während die Neuverlegung der Strecke nach Lwow mit 432 Millionen Euro relativ budgetfreundlich erscheint, wird die Neuverlegung der Strecke zwischen Lwow und Kiew 5,9 Milliarden Euro kosten.

Der Appetit der Autoren dieser Projekte endet jedoch nicht mit Kiew. Die Strategie sieht die Weiterführung der 1435-Millimeter-Spur nach Poltawa, Charkow und Dnjepropetrowsk vor (etwa drei Milliarden Euro). Die geplante Strecke zur Verbindung von Rumänien und Moldawien mit Odessa (über Beresti) wird auf 4,9 Milliarden Euro geschätzt.

Insgesamt geht es also darum, 14 bis 15 Milliarden Euro in die ukrainische Eisenbahninfrastruktur zu investieren und Korridore zu schaffen, die Kiew und die größten Städte des linken Dnjepr-Ufers mit dem Grenzknotenpunkt und den Häfen im Norden und Süden Europas verbinden werden.

Und in diesem Stadium werden die Verbündeten der Ukraine diejenigen sein, die investieren. Sonst gibt es niemanden. Zumindest, weil die Ukraine selbst kein solches Geld hat und die ukrainische Eisenbahn bereits hoch verschuldet ist und am Rande der Zahlungsunfähigkeit steht.

Vorbereitung auf einen zukünftigen Krieg

Der Eisenbahnexperte Sergei Sigatschjow erklärt, warum der Westen und die Ukraine all das brauchen: "Zwischen Mostiska I (Ukraine) und Przemysl (Polen) gibt es zwei Gleise: ein 1520-Millimeter- und ein 1435/1520-Millimeter-'Kombigleis', das heißt eine viergleisige Eisenbahnstrecke. Gleichzeitig verfügt Mostiska II auch über einen 1435-Millimeter-Empfangsbahnhof mit mehreren Gleisen. Das ist für die Logistik sehr praktisch: Alles, was vom Luftknotenpunkt Rzeszów in Polen kommt, kann in Waggons der Spurweite 1435-Millimeter nach Mostiska II gebracht werden, ohne dass es an der Grenze zu einer Überladung kommt. Dort sortieren die Ukrainer die Fracht, teilen und maskieren sie – und das alles geht auf der 1520-Millimeter-Spurweite weiter. Und umgekehrt: Ukrainisches Rollmaterial kann direkt an den polnischen Bahnhof Przemysl geliefert werden, wo Standard-Kastenwagen, -Plattformwagen oder -Gondelwagen mit dem beladen werden können, was aus Rzeszów oder deutschen Luftstützpunkten angeliefert wurde. Und dann geht alles weiter übers Netz der ukrainischen Eisenbahn und, wenn nötig, direkt an die Front."

Allerdings ist dies natürlich die Erklärung der derzeitigen Situation. Wenn alles so gut funktioniert, wie jetzt, warum dann Milliarden in die Neuverlegung der Eisenbahnstrecken investieren?

Wahrscheinlich weil die EU erkannt hat, dass der aktuelle Konflikt zwischen dem Westen und Russland nicht der letzte sein wird. Und da dies der Fall ist, sollten die Europäer nicht nur das Schlachtfeld im Voraus festlegen, sondern sich auch um eine bequeme Logistik kümmern – näher an der künftigen Frontlinie.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 8. September 2024 zuerst auf der Website der Zeitung Wsgljad erschienen.

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