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Guardian-Analyse: Kursk-Offensive könnte prekäre Lage der ukrainischen Armee verschärfen

Seit Beginn der Kursk-Offensive sind Erfolgsmeldungen in den Mainstreammedien über die ukrainischen Streitkräfte wieder an der Tagesordnung. Doch bei nüchterner Betrachtung könnte die Offensive Kiew militärisch mehr schaden als nutzen. Darauf macht der Guardian in einer aktuellen Analyse aufmerksam.
Guardian-Analyse: Kursk-Offensive könnte prekäre Lage der ukrainischen Armee verschärfenQuelle: www.globallookpress.com © Kirill Chubotin/Keystone Press Agency

Selbst unter der Ukraine wohlgesonnenen Experten herrschen Zweifel, ob Kiews Kurs-Offensive militärstrategisch Sinn macht. Immerhin erleiden die ukrainischen Streitkräfte bei ihrer Offensive hohe Verluste und es gilt als unwahrscheinlich, dass sie das eingenommene russische Gebiet längere Zeit halten können. Allerdings dürfte die Kursk-Invasion die im Niedergang begriffene Moral der eigenen Truppen wieder gestärkt haben. 

Der wahrscheinlich größte Vorteil für Kiew, der von der waghalsigen Offensive ausgeht, dürfte die damit verbundene Botschaft an die westlichen Unterstützer sein: Seht her, wir sind stark genug, um die Russen auf ihrem eigenen Territorium zurückzuschlagen, und jede weitere Unterstützung ist somit nicht vergebens.

Und diese Botschaft wird von den deutschen beziehungsweise westlichen Massenmedien nur allzu gern aufgegriffen und verbreitet, nachdem in den vergangenen Monaten aus ukrainischer Sicht kaum Erfolge zu vermelden waren.

Doch das mit der Kursk-Invasion einhergehende Bild einer starken beziehungsweise wiedererstarkten ukrainischen Armee könnte trügerisch sein, warnt der Guardian nun in einer Analyse der Kursk-Operation.

"Bisher waren die ukrainischen Streitkräfte in Kursk taktisch erfolgreich", konstatiert die britische Zeitung, um dann einzuwenden, dass es eine Grenze gebe, "wie erfolgreich die Ukraine sein kann".

Kursk-Offensive verschärft Personal- und Materialmangel

Schon vor Beginn der Kursk-Offensive litt die ukrainische Armee unter einem Personalmangel, der es den Truppen im Donbass erschwert, ihre Positionen zu halten. Doch von der Hauptfrontlinie wurden Kräfte für die Operation abgezogen. Gleiches gelte für die noch vorhandenen operationellen Reserven, so die Zeitung. Durch die Eröffnung einer weiteren Front verschärfe sich die Personalnot.

"Es gibt eine Grenze, bis zu der diese Truppe [in der Region Kursk] vorstoßen kann, bevor sie sich zu weit ausdehnt, was bedeutet, dass sie sich bald eingraben muss, wenn die Ukrainer den Boden bis zu Verhandlungen halten wollen", führt der Guardian dazu aus und warnt:

"Sobald die Front nicht mehr dynamisch ist, werden die Russen Verteidigungsanlagen ausheben und dann Artillerie, elektronische Kampfführung und neue Truppen aufmarschieren lassen. Kurzfristig hat die Operation das Gewicht der russischen Bomben aus der Luft vom Donbass weggelenkt, aber das wird nur vorübergehend sein. Russland verfügt über genügend Personal und Ausrüstung, um an beiden Fronten zu kämpfen. Weniger klar ist, ob dies auch für die Ukraine gilt."

Die andere langfristige Herausforderung, die sich aus der Kursk-Operation für die Ukraine ergebe, bestehe in der militärischen Ausrüstung, die dabei verloren geht. Denn die Reserven an Ausrüstung seien begrenzt. "Die Ukraine hätte Einheiten für größere Offensiven im nächsten Jahr aufbauen können, aber diese Operation bedeutet, dass wichtige Fahrzeuge und Personal – die für eine solche Offensive notwendig sind – wahrscheinlich verfrüht eingesetzt werden. Die Operation schränkt daher künftige Optionen ein", so die Zeitung weiter.

Lage der ukrainischen Armee bleibt prekär

Die mit der gegenwärtigen Offensivoperation verbundenen militärischen Risiken nähmen mit der Zeit zu. "Nachdem die Ukraine ihre operative Reserve eingesetzt hat, wird es ihr schwerfallen, Lücken in der Linie zu schließen, und es ist ihr noch nicht gelungen, die Bedrohung durch russische Aufklärungsdrohnen, Gleitbomben, Artillerie, elektronische Kampfführung und operativ-taktische Raketenkomplexe zu beseitigen."

Diese Fähigkeiten würden Russland einen Vormarsch auf Pokrowsk, Toretsk und andere Städte im Donbass ermöglichen, deren Verteidigung "sehr ressourcenintensiv" sein werde.

Im günstigsten Fall könne die Ukraine laut dem Guardian darauf hoffen, dass sich ihre Truppen in der Region Lursk eingraben und Russland sich gezwungen sieht, den Boden zurückzuerobern und dabei "übermäßige Verluste" erleidet.

"Denkbar ist aber auch, dass die Russen durch die Ausdehnung der ukrainischen Ressourcen mehr Möglichkeiten haben, die Schwachstellen in der ukrainischen Verteidigung zu finden und an anderer Stelle vorzustoßen. Sollte sich die letztgenannte Dynamik entfalten, dann ist unklar, ob das [von der Ukraine] eroberte [russische] Gebiet in den Verhandlungen viel Gewicht haben wird, da Wladimir Putin entschlossen sein dürfte, die Verluste auszugleichen, um das Thema aus den Gesprächen herauszuhalten."

"Die unmittelbaren Nachrichten aus Kursk mögen zwar für Optimismus gesorgt haben", so das Fazit des Guardian, "doch sollte dies die Partner der Ukraine nicht davon abhalten, zur Stabilisierung der gesamten Front beizutragen", denn die "allgemeine militärische Lage der Ukraine ist nach wie vor prekär".

Mehr zum Thema - Wochenbericht des russischen Verteidigungsministeriums: Kiew erleidet hohe Verluste an Personal

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