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UN-Beamte im Gebiet Kursk: Die Sache könnte einen Haken haben

UN-Beamte haben Russland um Zugang zum Gebiet Kursk gebeten. Einerseits ist das Ersuchen gerechtfertigt: Es gehe darum, Informationen zu sammeln, zumal Moskau selbst drum bat, die Kriegsverbrechen des Kiewer Regimes zu dokumentieren. Doch wer genau wird hinreisen und was für ein Bericht ist zu erwarten?
UN-Beamte im Gebiet Kursk: Die Sache könnte einen Haken haben© Maxym Marusenko/NurPhoto via Getty Images

Von Geworg Mirsajan

Die Russische Föderation hat die Vereinten Nationen gebeten, die vom Kiewer Regime im Gebiet Kursk begangenen Kriegsverbrechen zu erfassen. Russlands Menschenrechtskommissarin Tatjana Moskalkowa erklärte:

"Ich hoffe, dass unsere Informationen auch in den Bericht des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (OHCHR) über Menschenrechtsverletzungen einfließen werden, der, wie wir erfahren haben, für die Veröffentlichung im September vorbereitet wird."

Und die Vereinten Nationen haben – seltsamerweise – reagiert. Das Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte hat die russischen Behörden gebeten, Zugang zum Gebiet Kursk zu gewähren, um eine angemessene Untersuchung durchführen zu können. Ravina Shamdasani, die Sprecherin der Agentur, teilte mit:

"Wir versuchen, Informationen über die Lage im Gebiet Kursk zu sammeln, aber ohne Zugang ist das sehr schwierig."

Im Wesentlichen geht es um die Entsendung einer vollwertigen Kommission, die sich Zugang zu allen Punkten des Konfliktgebiets verschaffen, mit den Anwohnern sprechen, das Ausmaß der Zerstörungen persönlich begutachten und erfassen – und einen entsprechenden Bericht erstellen muss. Es ist natürlich unwahrscheinlich, dass dieser Bericht in den OHCHR-Bericht vom September aufgenommen wird, einfach, weil die Zeit dafür nicht reicht. Für sich allein genommen könnte er jedoch Russland bei seinen Bemühungen um eine internationale Verurteilung der Kriegsverbrechen des Kiewer Regimes durchaus helfen.

Natürlich handle es sich in diesem Fall nicht um ein internationales Tribunal. Nikita Mendkowitsch, Leiter des Eurasischen Analytischen Clubs, erklärt:

"Ermittlungen zu Verbrechen in bewaffneten Konflikten werden regelmäßig von verschiedenen UN-Strukturen eingeleitet. So hat beispielsweise die UN-Mission in Afghanistan einmal den US-Angriff auf Kundus untersucht. Im Jahr 2023 erklärten die Vereinten Nationen ihre Bereitschaft, den israelischen Angriff auf ein Krankenhaus in Gaza zu untersuchen. Es ist jedoch wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, dass solche Untersuchungen (aus strafrechtlicher Sicht) keine wirklichen Aussichten haben. Das Büro des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte hat weder das Recht noch die Zuständigkeit, jemanden zu verurteilen."

Rein theoretisch gäbe es eine Vielzahl internationaler Gerichte, die auf der Grundlage des OHCHR-Berichts ein Verfahren einleiten oder zumindest den Prozess in Gang setzen könnten. Doch hier komme die objektive Realität ins Spiel. Der Analyst meint:

"Wir alle erinnern uns, wie die Versuche des Internationalen Strafgerichtshofs, sich mit den Verbrechen der USA in Afghanistan zu befassen, endeten. Aufgrund der Drohungen Washingtons, Sanktionen zu verhängen, mussten sie diesen Wunsch schnell dementieren und ihre Ermittlungen zu den von den US-Amerikanern während der Besatzung begangenen Massakern tatsächlich ausbremsen."

Daher hätten in der gegenwärtigen Situation alle UN-Aktionen in der Konfliktzone eher eine informatorische Bedeutung. Mendkowitsch sagt:

"Russland wendet eine Art unabhängiger Beobachter an, um noch einmal die Verbrechen der ukrainischen Streitkräfte zu dokumentieren und so die öffentliche Meinung im Westen zu beeinflussen, um die Unterstützung für die ukrainischen Faschisten und den Druck auf unser Land zu verringern."

Es gibt jedoch eine Reihe von Schwierigkeiten, die einer solchen Verwendung im Wege stehen. Zuallererst ist da die offensichtliche Voreingenommenheit der UN.

Maria Sacharowa, die Pressesprecherin des russischen Außenministeriums, zeigte sich vorsichtig optimistisch und äußerte die Hoffnung, dass die Absicht der UN, eine Kommission ins Gebiet Kursk zu entsenden, "eine Art Weg des Erwachens" sei. Sie merkte jedoch sofort an, dass "wenn dies wirklich der Fall ist, dann bitte ganz am Anfang mit den Menschenrechten beginnen, mit deren Verletzung durch das Kiewer Regime in Bezug auf die Krim, in Bezug auf Donezk, Lugansk und so weiter".

Russische politische Analysten äußern sich ähnlich. Der Politologe Dmitri Jegortschenkow schlägt vor, dass die UN-Beobachter "eine absolut unvorsichtige Reise in den Petrowski-Bezirk von Donezk" unternehmen sollten:

"Um zu sehen, wie es dort um die Menschenrechte bestellt ist. Um zu prüfen, ob sie nicht durch den Beschuss mit 155-Millimeter-NATO-Granaten verletzt werden."

Die UN hat es jedoch nicht eilig, "Reisen" an Orte zu organisieren, an denen seit vielen Jahren und in großem Umfang Kriegsverbrechen durch die ukrainischen Streitkräfte begangen werden. Ganz einfach, weil der Ort, an dem die UN-Beamten ihren Sitz haben, (in diesem Fall in den Vereinigten Staaten und Europa), die Denkweise bestimmt.

Ihr Wunsch, das Gebiet Kursk zu besuchen, lässt sich also durch zwei Faktoren erklären. Erstens, um die Idee des Einfrierens der Situation zu fördern, was für das Kiewer Regime günstig ist, dessen Offensive ins Stocken geraten ist. Die UN-Kommission wird sicherlich von der russischen Führung verlangen, dass sie für Sicherheit in der Kampfzone sorgt.

"Dort wird gekämpft, die Gebiete werden gesäubert, und niemand kann jetzt für die Sicherheit dieser Menschenrechtsverteidiger sorgen",

erklärt Wladimir Dschabarow, erster stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für internationale Angelegenheiten des Föderationsrates Russlands. Die einzige Möglichkeit, dies zu erreichen, bestehe darin, für die Dauer der Arbeit der Kommission einen Waffenstillstand auszurufen. Dies würde es den Truppen des Kiewer Regimes ermöglichen, sich zu verschanzen, ohne befürchten zu müssen, von russischer Artillerie oder Raketen getroffen zu werden.

Das zweite Motiv der UN-Beobachter könnte nachrichtendienstlicher Natur sein. Dmitri Belik, Staatsduma-Abgeordneter aus Sewastopol und Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, betont:

"Die Ankunft europäischer Beamter im Gebiet Kursk bedeutet wahrscheinlich nachrichtendienstliche Aktivitäten und Spionage zugunsten der ukrainischen Streitkräfte; sie kümmern sich wenig um die Ereignisse, die dort stattfinden.

Diese Leute haben unter dem Deckmantel humanitärer Missionen bis 2022 auf dem Gebiet der Donezker Volksrepublik und der Lugansker Volksrepublik Spionage zugunsten der Ukraine betrieben. Ich denke, dass sich an ihrer Einstellung zum Leben nichts geändert hat. Wir brauchen also keine unnötigen Spione."

Diese Bedenken sind wohlbegründet. Die UN-Strukturen üben mitunter Spionagefunktionen im Interesse der Orte aus, an denen sie ihren Sitz haben.

"Wie die Beispiele des Tschetschenien-Krieges zeigen, wurden verschiedene internationale Missionen der UN und einige humanitäre Organisationen dazu benutzt, zugunsten der Rebellen zu spionieren und sie zu unterstützen. Die gleiche Situation gab es einst auch in Syrien",

sagt Nikita Mendkowitsch. Selbst während der militärischen Sonderoperation wurden UN-Beamte bei solchen Aktionen erwischt.

Wladimir Rogow, Vorsitzender der Kommission für Souveränität, patriotische Projekte und Unterstützung von Veteranen der Gesellschaftlichen Kammer der Russischen Föderation, schreibt:

"Ich weiß von mehreren Fällen, in denen Mitglieder der IAEA-Beobachtungsmission im Atomkraftwerk Saporoschje Aufgaben wahrgenommen haben, die nicht typisch für Mitglieder der Mission sind. Sie haben zum Beispiel versucht, den Standort unserer getarnten Kontrollpunkte zu bestimmen."

Natürlich könne Moskau solche Risiken minimieren, meint Mendkowitsch. Er betont:

"Wenn wir mit den Vereinten Nationen über den möglichen Einsatz ihrer Ermittler im Gebiet Kursk verhandeln, ist es notwendig, bestimmte Anforderungen an die Zusammensetzung und die Regeln einer solchen Mission zu stellen, damit Russland sie kontrollieren kann.

Und wir dürfen nicht zulassen, dass Bürgern westlicher Länder ihre Anwesenheit in der Region für die Informationsbeschaffung oder nachrichtendienstliche Unterstützung der ukrainischen Faschisten nutzen."

Allerdings sollte man sich darüber im Klaren sein, dass der Abschlussbericht immer noch im Westen erstellt wird. Und seine Schlussfolgerungen würden möglicherweise nicht das widerspiegeln, was die UN-Beamten vor Ort sehen werden. Einfach aus offensichtlichen politischen Gründen. Wladimir Dschabarow resümiert:

"Dies könnte eine speziell vorbereitete Aktion sein, um die Taten der ukrainischen Streitkräfte zu beschönigen und die russischen Streitkräfte in den Schmutz zu ziehen."

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 15. August 2024 zuerst auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.

Geworg Mirsajan ist außerordentlicher Professor an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation, Politikwissenschaftler und eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Geboren wurde er 1984 in Taschkent. Er machte seinen Abschluss an der Staatlichen Universität des Kubangebiets in Krasnodar und promovierte in Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt USA. Er war von 2005 bis 2016 Forscher am Institut für die Vereinigten Staaten und Kanada an der Russischen Akademie der Wissenschaften.

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