Europa

Helden zum Nachahmen – Bundeswehr würdigt "tapfere" Wehrmacht-Offiziere als Vorbild

Ein bemerkenswertes Dokument aus dem Hause des Ministers für "Kriegstüchtigkeit", Boris Pistorius, ist im Netz veröffentlicht worden. Wehrmacht-Offiziere mit NSDAP- und SS-Vergangenheit und "weitere Kämpfer aus dem Zweiten Weltkrieg" werden in dem Papier als tugendhafte Vorbilder für die Bundeswehr aufgelistet.
Helden zum Nachahmen – Bundeswehr würdigt "tapfere" Wehrmacht-Offiziere als VorbildQuelle: RT © Oliver Sperl (https://www.instagram.com/berlinartwork/), fotographiert von Wladislaw Sankin

Von Wladislaw Sankin 

Als ich Montag in den russischen Telegram-Kanälen gelesen habe, dass die Bundeswehr die Offiziere der Wehrmacht in die Liste der nachahmungswürdigen, tapferen Krieger für die Pflege der Soldatentradition aufgenommen hat, habe ich diese Information ehrlich gesagt für ein Fake gehalten, so grotesk kam mir diese neue alte "Heldenverehrung" vor. Als ich aber nachts vor dem Schlafengehen noch mal ins Netz ging, um über die Themen für den nächsten Tag zu recherchieren, stieß ich auf einen frischen Artikel auf einem seriösen Nachrichtenportal mit einem Sacharowa-Zitat dazu. Im kurzen Text war das interne Dokument des Verteidigungsministeriums, das diese aktualisierte Art der "Traditionspflege" eindrücklich belegt, verlinkt. Da musste man sich zur späten Stunde buchstäblich die Augen reiben, so zum Staunen war dessen Inhalt. 

Das elfseitige Papier unter dem Titel "Weisung zur Herausgabe der ergänzenden Hinweise zu den Richtlinien zum Traditionsverständnis der Bundeswehr" wurde vom Abteilungsleiter Einsatzbereitschaft und Unterstützung Streitkräfte, Generalleutnant Kai Rohrschneider, am 12. Juli an verschiedene Abteilungen und Ämter innerhalb und außerhalb des Verteidigungsministeriums verschickt. Veröffentlicht wurde das Dokument wenig später von der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz – mit dem Bundesadler oben links ganz amtlich und offiziell. Das Interessanteste an der Weisung war wohl die Anlage "Ergänzende Hinweise zu den Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege" mit der dazugehörigen Liste der Generäle und Offiziere der Wehrmacht. 

Und was haben die hochrangigen Wehrmacht-Angehörigen in der Traditionspflege der Bundeswehr denn genau zu suchen? Das begründet Herr Rohrschneider ganz ausführlich. Ziemlich zügig, schon unter Punkt drei kommt er zur Sache. Mit der durch den "völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine" ausgelösten Zeitenwende sei die Bedeutung von Kriegstüchtigkeit von Streitkräften, die sich maßgeblich aus einem hohen Einsatzwert und hoher Kampfkraft ableitet, auch für die Traditionspflege gestiegen. Einsatzbereitschaft und Willen zum Kampf sollten entsprechend erhöht und gestärkt werden.

Dann ist viel von Wertebindung, militärischer Exzellenz, klassischen soldatischen Tugenden (Charakter) als Ausdruck von Kriegstüchtigkeit die Rede. Eine 40.000 Mann starke geschichtliche Brücke von Bundeswehr zu Wehrmacht wurde geschlagen: 

"Mit Bezug zur Zeitenwende kommt der Gründergeneration der Bundeswehr eine bedeutende Rolle für traditionsstiftende militärische Exzellenz zu. Die rund 40.000 von der Wehrmacht übernommenen ehemaligen Soldaten hatten sich zu großen Teilen im Gefecht bewährt und verfügten somit über Kriegserfahrungen, die beim Aufbau der Bundeswehr unentbehrlich waren."

Weiter wird präzisiert, dass ehren- und nachahmungswürdige Wehrmacht-Soldaten nicht nur dem militärischen Widerstand zuzuordnen seien. Etwaige persönliche Schuld (immerhin erwähnt!) würde durch "sinnstiftende Leistung" beim Aufbau der neuen Streitkräfte, die Integration in die NATO und die Rolle bei Abschreckung im Kalten Krieg (als "Ausdruck von militärischer Exzellenz") ausgeglichen sein.

"Wissenschaftlich begründete" Personenlisten als "Beispiele für militärische Exzellenz bzw. soldatische Tugenden mit Wertebezug" schließen das Dokument ab. Diese haben es wieder in sich: Alles "hochdekorierte" und "in ihrem Fach erfolgreichste" Offiziere und Generäle, unter anderem der Luftwaffe, die bekanntlich eine besondere Rolle im Genozid der sowjetischen Bevölkerung gespielt hat. Millionen von Menschen wurden durch Wehrmacht-Bomben verbrannt und in Stücke gerissen oder ihrer Lebensgrundlagen beraubt und dem Tod durch Hunger und Kälte überlassen.

Auch NSDAP- und SS-Angehörige sind dabei, ihre Verdienstkreuze haben sie nicht für bloße "Soldatentugenden" bekommen, sondern für das Resultat ihrer "kämpferischen Exzellenz", das sich in der Vernichtung abertausender "Untermenschen" an der Ostfront niederschlug. Über all diese Verbrechen verliert Herr Rohrschneider kein Wort – ist ja "Zeitenwende", die unter Punkt zwölf im Dokument zum dritten Mal erwähnt wird. Die Schuld sei ja durch NATO-Engagement vollständig beglichen, hat er doch vorher gesagt. Dieser von den USA erteilte "Freispruch" kommt im NATO-Universum wohl einer Papst-Indulgenz gleich. 

Sacharowa: "Die Welt muss aufwachen"

Zu diesem Skandal fand die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa klare Worte. In einem auf ihrem Telegram-Blog veröffentlichten Beitrag zitierte die Diplomatin den Schriftsteller Heinrich Böll, der in seinen Romanen die Rückkehr der Nazi-Schergen zu Machtpositionen in der frühen Bundesrepublik beobachtete, so etwa aus dem Munde einer Protagonistin in "Billard um halbzehn"

"Regimentsnummern weiß ich, Feldpostnummern, Dienstgrade: Oberleutnant, Major, Oberstleutnant Fähmel, und als letzten Schlag wieder Ziffern, ein Datum, gefallen 12. 1. 42. Ich sah es mit eigenen Augen, wie er die Leute auf der Straße niederschlug, weil sie die Fahnen nicht grüßten; er erhob seine Hände und schlug sie, hätte auch mich geschlagen, wenn ich nicht rasch in die Krämerzeile eingebogen wäre; wie kam er in unser Haus?"

"Ehemalige Nazis sind wieder einmal zu Deutschlands 'Helden' geworden", stellte Sacharowa fest. Auf Befehl der Bundeswehr seien sie wieder reingekommen, schlichen sich durch Täuschung in die Ukraine und mit Tricksereien nach Moldawien und kehrten "mit Gewalt nach Russland" zurück. Die Diplomatin forderte:

"Wir müssen die Alarmglocken läuten lassen, damit der Planet aufwacht."

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