Europa

Ungarn erleichtert EU-Einreise für Russen: Brüssel wartet auf Erklärungen und droht mit Konsequenzen

Brüssel sieht in Ungarns Lockerung der Visaregeln für Russen eine Gefahr für den Schengen-Raum und fordert Erklärungen. Budapest hat bis Ende der Woche Zeit, um seine jüngste Entscheidung zu erläutern. Derweil droht die EU mit Konsequenzen.
Ungarn erleichtert EU-Einreise für Russen: Brüssel wartet auf Erklärungen und droht mit Konsequenzen© Jean Catuffe/Getty Images

Ungarns jüngste Maßnahmen zur Liberalisierung der Visaregelung für Bürger aus Russland und Weißrussland sorgen innerhalb der EU für eine Welle der Kritik. Mehrere EU-Politiker fordern sogar Ungarns Ausschluss aus dem Schengen-Raum. Am 1. August hat die EU-Kommission Budapest zu einer offiziellen Erklärung aufgefordert, die bis Ende der Woche vorlegen soll.

Seit Anfang Juli fallen Bürger aus Russland und Weißrussland offiziell unter das ungarische Nationale-Karten-Programm. Inhaber haben das Recht, im Rahmen einer vereinfachten Regelung in das Land einzureisen, Arbeit zu finden, ihre Familie nachzuholen und nach zwei Jahren eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten.

Bisher galt das Programm nur für Bürger aus Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien, Moldawien, Montenegro, Serbien sowie der Ukraine. Nun umfasst die Liste auch Russland und Weißrussland. Ungarn will Spezialisten aus diesen Ländern für den Bau des Atomkraftwerks Paks-2 anlocken.

Die Entscheidung der ungarischen Regierung sorgt für Kritik, da Budapest die neue Visaregel im Alleingang durchgesetzt hat. Laut der Zeitung Financial Times hat Manfred Weber, der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, Ende Juli einen Brief an den Präsidenten des Europäischen Rates Charles Michel geschickt, in dem er ihn aufforderte, das Thema beim nächsten Gipfel der Staats- und Regierungschefs anzusprechen.

Weber habe betont, dass die von Budapest eingeführten Maßnahmen "ernsthafte nationale Sicherheitsbedenken" bereiteten. Der Politiker fordere die EU-Staats- und Regierungschefs auf, "strengste Maßnahmen zu ergreifen, um die Integrität des Schengen-Raums unverzüglich zu schützen".

"Die Entscheidung Ungarns könnte schwerwiegende Schlupflöcher für Spionageaktivitäten schaffen und möglicherweise einer großen Zahl von Russen die Einreise nach Ungarn mit minimaler Überwachung ermöglichen, was eine ernsthafte Bedrohung für die nationale Sicherheit darstellt", heißt es in dem Brief.

Am 1. August hat Ylva Johansson, die EU-Kommissarin für Inneres, in einem Brief an Ungarns Innenministerium den Beschluss über erleichterte Visaverfahren kritisiert und ihre Zweifel an der Rechtmäßigkeit der jüngsten Änderungen geäußert. Johansson forderte Budapest auf, seine Entscheidung zu erklären, die Visabestimmungen für Bürger Russlands und Weißrusslands zu lockern, während die EU die Bestimmungen für diese Nationalitäten nach Beginn des Konflikts in der Ukraine verschärft hat.

Die erleichterten Visaverfahren für russische und weißrussische Staatsbürger seitens Ungarn könne zu einer "faktischen Umgehung der von der EU verhängten Einschränkungen führen", erklärte die Innenkommissarin. "Russland ist eine Sicherheitsbedrohung", schrieb sie. "Wir brauchen mehr, nicht weniger Wachsamkeit. Potenziellen russischen Spionen und Saboteuren leichten Zugang zur EU zu gewähren, würde die Sicherheit von uns allen untergraben." Johansson hat Budapest eine Frist bis zum 19. August gesetzt und droht mit Konsequenzen, "falls die ungarische Regierung keine klaren Antworten gibt". "Wenn ihr einfaches Zugangsprogramm ein Risiko darstellt, werden wir handeln."

Vergangene Woche haben 67 Mitglieder des Europäischen Parlaments EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einem Schreiben aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, falls Ungarn sich weigere, seine Visapolitik zu ändern. Die Abgeordneten werfen Budapest vor, dass weißrussische und russische Arbeitsmigranten im Rahmen eines Visaprogramms "ohne jegliche Kontrollen in Ungarn arbeiten und ihre Familien ins Land holen können". Falls Ungarn sich weigere, das Visaprogramm zu ändern, "sollten die Kommission und alle EU-Vertreter die ungarische Präsenz im Schengen-Raum in Frage stellen", heißt es in dem Brief.

Am Freitag hat Polens Ministerpräsident Donald Tusk auf einer Pressekonferenz auf die Korrespondenz. Er warnte davor, dass ein möglicher Ausschluss Ungarns aus dem Schengen-Raum auch zu einem Austritt des Landes aus der EU führen könnte. "Der Ausschluss aus dem Schengen-Raum ist das Vorspiel zum Ausschluss aus der EU", sagte er. "Ich wäre hier vorsichtig. Ich habe große Anstrengungen unternommen, Orbáns Partei aus der Fraktion auszuschließen. Ich wäre jedoch vorsichtig mit Forderungen, die einen Ausschluss aus der EU bedeuten."

In der Zwischenzeit hat sich Budapest zu den Vorwürfen bezüglich der ungarischen Visapolitik geäußert. Zoltán Kovács, Staatssekretär für internationale Kommunikation und Beziehungen, schrieb auf X, dass Webers Brief "ein weiterer heuchlerischer Angriff gegen Ungarn" sei.

"Wieder einmal ist es Manfred Weber, der die ungarische Regierung angreift, während seine politischen Verbündeten Millionen illegaler Migranten nach Europa strömen lassen und die Staaten des Kontinents und die Menschen in Europa einer ernsthaften Bedrohung der nationalen und öffentlichen Sicherheit aussetzen", so Kovács. "Dieser jüngste Angriff aus Brüssel ist absurd und heuchlerisch, denn es sind gerade die Brüsseler Institutionen, die alles tun, um Ungarn zu zwingen, sein strenges Grenzschutz- und Asylsystem abzubauen und damit Hunderttausende illegale Einwanderer ins Land und damit in die Europäische Union zu lassen", fügte Kovács hinzu.

Ungarns Außenminister Péter Szijjártó hat auf die Kritik vonseiten baltischer Politiker reagiert, die erklärten, dass das ungarische Visaprogramm die Sicherheit Europas gefährde. Szijjártó sagte, dass diese Sorge um die Sicherheit des Schengen-Raums unbegründet seie und bezeichnete die Vorwürfe als "Propaganda-Kampagne der baltischen Länder gegen Ungarn". Er wies darauf hin, dass russische und weißrussische Staatsbürger weiterhin Visa benötigten, um in den Schengen-Raum zu gelangen und dass sie eine Aufenthaltserlaubnis nur durch rechtmäßige Verfahren erlangen könnten. "Es wäre viel besser, wenn meine Kollegen aus den baltischen Ländern ihre Bürger korrekt informierten, statt neue Schmierenkampagnen zu starten", so Szijjártó.

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