"Eskalationsrisiko abwägen" – Forderungen nach Einsatz westlicher Waffen gegen Russland immer lauter
Nachdem die Parlamentarische Versammlung der NATO am Montag die Mitgliedsstaaten aufgerufen hat, der Ukraine den Einsatz westlicher Waffen gegen Ziele in Russland zu gestatten, werden auch in der EU die Stimmen lauter, diesen Pfad der Eskalation einzuschlagen.
So sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Dienstag am Rande eines EU-Verteidigungsministertreffens in Brüssel, dies sei "nach dem Kriegsrecht durchaus möglich und kein Widerspruch".
Unter Anspielung auf Deutschland sagte der EU-Diplomat, einige Länder führten das Argument einer drohenden Eskalation mit Moskau an. "Aber wir müssen das Eskalationsrisiko abwägen mit der Notwendigkeit für die Ukrainer, sich zu verteidigen", so Borrell.
Befeuert hatte die Debatte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der sich am Samstag dafür aussprach, Kiew die Erlaubnis zu erteilen, westliche Waffen gegen russisches Gebiet einzusetzen. Damit hat der Norweger nicht nur scharfe Reaktionen in Moskau ausgelöst, sondern auch bei eigenen Verbündeten wie Italien.
Die tschechische Regierung stellt sich dagegen hinter die Forderung Stoltenbergs. "Als angegriffenes Land hat die Ukraine mit Sicherheit alles Recht, alle Möglichkeiten zu ihrer Verteidigung zu nutzen", sagte Ministerpräsident Petr Fiala am Dienstag in Prag. Er halte das "schlicht für logisch".
Auch in Deutschland werden die Stimmen lauter, die dieser vermeintlichen Logik folgen. So sagte CDU-Verteidigungspolitiker Johann Wadephul gegenüber der Rheinischen Post, die Ukraine verteidige sich auf der Grundlage des Völkerrechts und dürfe dazu auch Waffen auf russischem Gebiet einsetzen. Zudem forderte er den Bundeskanzler auf, "endlich die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern zu ermöglichen".
"Westliche Beschränkungen bei der Nutzung von uns gelieferter Waffen helfen nur Russland und sollten sofort aufgehoben werden", sagte der Fraktionsvize der Union im Bundestag.
Auch innerhalb der Kanzlerpartei wächst der Druck auf Olaf Scholz. Russlands Präsident Wladimir Putin nutze "eiskalt unsere Beschränkungen zum Einsatz der westlichen Waffen aus", erklärte der SPD-Verteidigungspolitiker Andreas Schwarz am Dienstag, ebenfalls gegenüber der Rheinischen Post.
"Wir müssen umdenken und die Gedanken des NATO-Generalsekretärs Stoltenberg aufgreifen, damit die Ukraine auch die Stellungen auf russischem Territorium angreifen kann, von denen aus sie angegriffen wird. Dieser offensichtliche Schwachpunkt unserer Strategie muss im westlichen Bündnis überdacht werden, zumal völkerrechtlich nichts im Wege steht", so Schwarz.
Ein solcher Einsatz sei "völkerrechtlich gedeckt", ist sich auch Christian Mölling, Sicherheitsexperte der regierungsnahen "Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik" (DGAP), sicher. Der "begrenzende Faktor" für ein solches Vorgehen der Ukraine sind seiner Meinung nach die westlichen Staaten, "die der Ukraine vorschreiben, dass sie diese Waffen nicht einsetzen darf".
Der Bundeskanzler hatte den Einsatz deutscher Waffen gegen Ziele in Russland am Wochenende erneut ausgeschlossen. Dabei stehen für Scholz aber nicht rechtliche Erwägungen im Vordergrund. Ihm gehe es darum zu verhindern, dass es "zu einem Krieg zwischen Russland und der NATO kommt".
Innerparteiliche Rückendeckung erhält Scholz von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Er betonte im ZDF-Morgenmagazin, dass es "rechtlich gar keine Auseinandersetzung" gebe, da die Ukraine das Recht habe, russisches Gebiet anzugreifen. Doch rechtliche Aspekte seien eben nicht ausschlaggebend. "Man stelle sich einfach nur vor, eine solche Waffe [gemeint ist der Taurus, Anm. d. Red.], die auf russischem Gebiet eingesetzt wird, trifft aus Versehen eine zivile Infrastruktur, was wir dann für eine Diskussion haben."
Scholz habe immer darauf hingewiesen, dass "wenn wir eigene Waffensysteme beisteuern, dass wir auch Kontrolle über ihren Einsatz haben müssen", denn am Ende gebe es immer noch "Restrisiken, gerade beim Einsatz auf russischem Staatsgebiet", führt Kühnert aus, der deshalb das "Nein" des Kanzlers "gut nachvollziehen" könne.
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